Zerstrittene Welt – Nicole Deitelhoff
"Eine spannende, aber auch bedrückende Zeit": Wir leben in einer Epoche von Kriegen und Konflikten, sagt die Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff. Wann werden Konflikte zu Kriegen, wie kann man diese wieder befrieden? Und welche Art von Streit ist für Demokratien unverzichtbar?
"Für viele Menschen ist der Eindruck entstanden, die Krisen hören gar nicht auf, dadurch entsteht eine elementare Verunsicherung", sagt Nicole Deitelhoff. Denn es gibt ja nicht nur etwa die Situation im Nahen Osten oder den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit seinen Folgen. Davor gab es auch schon: die Finanzkrise, die Migrationskrise, die Coronakrise. Die Krise ist zum Dauerzustand geworden.
Ein Ergebnis davon, so Nicole Deitelhoff, ist die gesellschaftliche Zerrissenheit, die uns jetzt lähmt: "Das Dauerkrisengefühl führt dazu, dass man immer weniger in der Lage ist, offen mit einander umzugehen, einander zuzuhören – sondern immer mehr dazu neigt, sich abzuschotten, gar nicht mehr zuzuhören und nur noch mit Menschen zu sprechen, die ohnehin schon der Meinung sind, die man selber hat." Das Ergebnis: Konstruktiver Streit, für ein demokratisches System unerlässlich, wird schwierig bis unmöglich, der Riss in der Gesellschaft vertieft sich weiter.
Nicole Deitelhoff, geboren 1974, ist Politologin und Leiterin des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main. Sie beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Funktionen von Streit, aber auch mit (außen-)politischen Konflikten und Kriegen. Wie entstehen Kriege – wie lassen sie sich vermeiden – und wie beenden? Und wie sieht es aus beim Streit über Waffenlieferungen und Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine? Wie kann man darüber konstruktiv und fair im Gespräch bleiben?
Redaktion: Julia Lührs und Heiko Hillebrand