Bauer aus Peru gegen RWE: Klimaklage geht weiter

Stand: 17.03.2025, 14:08 Uhr

Vor dem Oberlandesgericht Hamm ist die sogenannte Klimaklage fortgesetzt worden. Ein Bauer aus Peru kämpft gegen den Energiekonzern RWE. Schon zwei Stunden vor Beginn hatten zahlreiche Klimaaktivisten vor dem OLG protestiert.

Von Olaf Biernat

Alle Kameras sind auf ihn gerichtet: Als der peruanische Bergführer und Bauer Saúl Luciano Lliyua den Gerichtssaal betritt, ist er umringt von Medienvertretern. Zur Fortsetzung der sogenannten Klimaklage sind nicht nur Medienvertreter aus Deutschland, sondern auch aus zahlreichen anderen Ländern zum Oberlandesgericht Hamm gekommen.

Klimaaktivisten protestieren vor dem OLG Hamm | Bildquelle: Olaf Biernat

Schon zwei Stunden vor dem Beginn hatten Klimaaktivisten vor dem OLG protestiert. Der Kläger Saúl Luciano Lliyua erklärte über ein Mikrofon, er freue sich über die große Unterstützung und will endlich Klarheit haben.

Prozess hat bereits Rechtsgeschichte geschrieben

Nach dem Etappensieg vor dem OLG Hamm 2017 | Bildquelle: Germanwatch

Im November 2017 hatte der Peruaner bereits einen Etappensieg errungen. Völlig überraschend hatte das OLG Hamm damals die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass ein deutsches Unternehmen für die Folgen des Klimawandels in anderen Gegenden der Erde haften muss. Bislang hatten Gerichte von vornherein ausgeschlossen, dass von Vielen verursachte Emissionen einzelnen Verursachern zugeordnet werden können.

Bauer aus Peru fordert Schutzmaßnahmen

Klimaklage: Saúl Luciano Lliuya gegen RWE | Bildquelle: Walter Hupiu Tapia / Germanwatch

Die Heimatstadt von Saúl Luciano Lluyia liegt am Fuße der Anden, unterhalb eines Gletschersees. Der Bauer befürchtet, dass seine Heimatstadt durch Gletscherschmelze oder eine Lawine von einer Flutwelle erfasst und überspült werden könnte. Schuld daran sei der Klimawandel, für den er den Energiekonzern RWE mit veranwortlich macht.

Demnach sollte RWE für 0,47 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sein. Mittlerweile wurde der Wert nach unten korrigiert, wie das Gericht heute verkündete. Er liegt bei 0,38 Prozent, weil RWE mittlerweile weniger Treibhausgase ausstoße. Nach der Berechnung des Bergführers soll RWE anteilig rund 20.000 Euro für Schutzmaßnahmen an dem Gletschersee bezahlen.

Für Gutachten nach Peru gereist

In der mündlichen Verhandlung heute haben Sachverständige ihre Gutachten erläutert. Sie waren im Mai 2022 zusammen mit zwei Richtern und den Anwälten der beiden Parteien nach Peru gereist. Dort hatten die Experten Messungen vorgenommen, Bodenproben entnommen und Drohnenaufnahmen gemacht.

Dabei geht es zunächst um die Frage, ob überhaupt ein Risiko für eine Überflutung des Hauses des Klägers besteht. Die Sachverständigen, Geologie-Professoren aus Darmstadt und aus Wien, sehen ein Flutrisiko von drei Prozent in dreißig Jahren.

Arbeit der Sachverständigen ist das Hauptthema

Während der mündlichen Verhandlung ging es am ersten Prozesstag um Details, wie die Gutachter vorgegangen sind. Sie sprachen von einem geringen Risiko für Felsstürze, weil das Gestein rund um den Gletschersee sehr massiv sei. Auch eine Überflutung des Hauses des Klägeres sei sehr gering.

Die Gutachter haben sich bei ihrer Arbeit unter anderem auf Daten und Auswertungen sämtlicher Forschungen zur Situation des Sees bezogen und eigene Simulationen erstellt. Dabei geht es unter anderem darum, wie schwer mögliche Eisblöcke sein könnten, die gegebenenfalls abgehen könnten.

Kläger sieht höheres Risiko

Umgeben von den Anden: der Gletschersee Palcacocha in Peru | Bildquelle: Walter Hupiu Tapia / Germanwatch

Der Kläger bewertet das Risiko für Felsstürze und Gletscherabgänge ungleich höher, nämlich mit dreißig Prozent in dreißig Jahren. "Dabei geht es um viele Details, zum Beispiel die Auswirkungen von Permafrost und voranschreitender Gletscherschmelze", sagt seine Anwältin Roda Verheyen. Am Ende sei aber entscheidend, ob überhaupt ein Risiko für eine Überflutung festgestellt werde, sagt die Hamburger Anwältin.

Kernfrage: Kann RWE haftbar gemacht werden?

Sollte das Gericht tatsächlich eine Bedrohung des Dorfes in Peru durch eine mögliche Flutwelle sehen, geht es im Anschluss um die Frage, ob das Risiko nach deutschem Zivilrecht ausreicht, um RWE dafür haftbar zu machen.

Klimaklage geht weiter: Peruanischer Bauer klagt gegen RWE WDR Studios NRW 17.03.2025 00:47 Min. Verfügbar bis 17.03.2027 WDR Online

Der Energiekonzern RWE hält das für rechtlich unzulässig. In einer Stellungnahme heißt es: "Wenn ein solcher Anspruch nach deutschem Recht bestehen würde, könnte auch jeder Autofahrer haftbar gemacht werden". Das Essener Unternehmen glaubt, dass Lösungen für das globale Problem des Klimawandels auf staatlicher Ebene entwickelt werden sollten und nicht rückwirkend durch Gerichte.

Prozess zieht sich fast zehn Jahre

Der Kläger Saúl Luciano Lliuya ist zumindest froh, dass es fast zehn Jahre nach dem ersten Prozesstag endlich weitergeht:

"Ich habe lange auf den Termin gewartet, um endlich Klarheit zu bekommen. Um mich herum schmelzen die Gletscher und ich mache mir Sorgen um die Zukunft meiner Familie und meiner Stadt" Saúl Luciano Lliuya, Kläger aus Peru

In seiner Stadt ist er bereits ein kleiner Volksheld, die ganze Region blickt heute mit Spannung nach Hamm.

Unterstützt wird der Bergbauer von der Umweltorganisation Germanwatch. Die Prozesskosten übernimmt die Stiftung Zukunftsfähigkeit. Geklagt hatte der Landwirt zunächst vor dem Landgericht Essen, das hatte einen zivilrechtlichen Anspruch in der ersten Instanz noch abgelehnt. Daraufhin zog Lliuya vor das OLG in Hamm.

Klimaklage von Bauer aus Peru: "Geht weit über RWE hinaus" WDR 5 Morgenecho - Interview 17.03.2025 07:43 Min. Verfügbar bis 17.03.2026 WDR 5

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Unsere Quellen:

  • Germanwatch
  • OLG Hamm
  • RWE
  • Rechtsanwälte
  • Reporter vor Ort