Wie wir im WDR mit Künstlicher Intelligenz umgehen
Stand: 04.12.2023, 12:25 Uhr
Mit dem Start von ChatGPT ist Künstliche Intelligenz (KI) schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit und in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Das Potenzial dieser Technologie geht indes weit über Texterzeugung hinaus. Auch wir im WDR beschäftigen uns mit KI – wie und auf welcher Grundlage wir das tun, erläutern wir hier.
Programmdirektor Jörg Schönenborn
Künstliche Intelligenz (KI) ist im Alltag vieler Menschen angekommen, sie hilft bei Hausaufgaben oder der Bearbeitung von Urlaubsbildern, ihr Potenzial reicht von der Autokorrektur bei der Texteingabe über den smarten Kühlschrank bis zu medizinischen Analysen und weit darüber hinaus. „KI-Anwendungen eröffnen auch uns als Medienhaus viele neue Möglichkeiten“, sagt Jörg Schönenborn, Programmdirektor Information, Fiktion, Unterhaltung im WDR. „Wir bewegen uns hier in einem Wachstumsfeld.“ Ein Feld, auf dem Daten-Experten unseres Senders seit etwa 2015 Erfahrungen sammeln. Auf dieser Basis erfolgte Anfang 2022 die Gründung des Competence Center Artificial Intelligence (CCAI). Das Team ist Ansprech- und Realisierungspartner für alle Ideen und Fragen rund um das Thema Künstliche Intelligenz, berät schwerpunktmäßig zu den Themen Nutzungsdaten-und Metadaten-Analyse.
Mittlerweile haben viele Bereiche und Redaktionen im WDR Erfahrungen gesammelt, aus denen zum Teil konkrete Anwendungsmöglichkeiten geworden sind. Schon vor ChatGPT half KI im WDR dabei, Audios und Videos in Text zu überführen. Bei der Recherche in gemeinsamen Datenbanken der ARD werden Mitarbeiter:innen von der so genannten „Crossmedialen Suche“ unterstützt: Sie analysiert Texte und Bilder und stellt dabei durchsuchbare Metadaten zusammen. Bereits online nutzbar sind die Bildersuche beim Online-Projekt "Digit" und die sprachgesteuerten Voice-Apps der WDR-Angebote „Hörspiel-Speicher“ oder „Rockpalast“. Derzeit wird u. a. an KI-gestützter Live-Untertitelung von Fernsehsendungen gearbeitet. Außerdem wird getestet, mit Hilfe von KI bestehende Online-Texte in Leichte Sprache zu übersetzen und dann auch diese Versionen ins Netz zu stellen, um die Barrierefreiheit unseres Angebots auszuweiten.
Technik, Rechte, Ethik - KI hat viele Ebenen
Bei allen Chancen – die Entwicklung der Technologie ist rasant und nicht frei von Risiken. Beispiel: Gesichter und Stimmen lassen sich in Videos heute so gut kopieren, dass sie vom Original kaum zu unterscheiden sind („Deepfakes“) – was bedeutet das für den WDR, den seine Moderatorinnen und Moderatoren eigentlich unverwechselbar machen? Was können wir dagegen tun, wenn solch in die Irre führenden Deepfakes auftauchen?
Stefan Moll, Leiter des KI-Teams
Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich im WDR ein interdisziplinäres Team, das KI-Team. Es ist Anlaufstelle für aktuelle Fragen der WDR-Redaktionen, erarbeitet aber auch grundsätzliche Positionen und hält den Kontakt zu KI-Teams in anderen ARD-Häusern. „Dabei betrachten wir die Themen aus unterschiedlichen Perspektiven“, sagt Stefan Moll, Leiter des KI-Teams. „Ganz oft geht es gleichzeitig um technische, rechtliche und inhaltliche Fragen, oft spielen auch ethische Aspekte eine Rolle.“
Thema Transparenz steht im Zentrum
Ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung konkreter Anwendungsideen für Nutzerinnen und Nutzer steht im Zentrum: Transparenz. In welchen Fällen und wie müssen wir den Einsatz von KI klar erkennbar machen, damit unser Programm glaubwürdig bleibt? Wir haben uns im WDR darauf verständigt, dass wir nicht extra darauf hinweisen, wenn KI bei der Recherche oder der Übersetzung von fremdsprachigen Texten genutzt wurde, das gilt auch für die Erstellung fiktionaler Inhalte. Werden aber beispielsweise Bilder und Grafiken online bzw. im Fernsehen oder Stimmen in einem Hörfunk-Beitrag künstlich erstellt, so informieren wir darüber im entsprechenden Fernseh-, Hörfunk- oder Online-Beitrag. Uns leitet dabei die Frage, ob bei Nutzer:innen und Nutzern der Eindruck entstehen könnte, KI-generierte Inhalte seien real. Weitere Informationen zum Umgang mit KI im WDR:
Überblick über die Grundsätze für den Einsatz Künstlicher Intelligenz im WDR
Der WDR steht dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) aufgeschlossen gegenüber. Er sieht in KI ein nützliches Werkzeug, das seinen Beschäftigten die Erfüllung ihrer Aufgaben erleichtert und ihnen mit erweiterten Funktionen behilflich ist. Der WDR erhofft sich dadurch Chancen für einen effizienteren Betrieb. Zudem hofft der WDR, die Gesellschaft in ihrer Breite und Vielfalt noch besser zu erreichen durch den Einsatz von KI für die Konzeption, Produktion und Distribution von Medieninhalten, auch bei gleichbleibenden oder abnehmenden Ressourcen. Hierzu gelten für den Einsatz künstlicher Intelligenz im WDR folgende Grundsätze:
1. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im WDR muss den Werten und Zielen des WDR dienen, insbesondere wenn es um eine Veränderung oder Erzeugung von Medieninhalten durch Künstliche Intelligenz geht.
2. Jedes KI-System wird vor Einführung im WDR durch die jeweils verantwortliche Direktion auf Chancen und Risiken bewertet. KI-Anwendungen, die Medieninhalte erzeugen oder verändern, müssen durch die Programmdirektionen sowohl grundsätzlich wie auch hinsichtlich der Produktverantwortung förmlich abgenommen werden.
3. Die Verantwortung für Veröffentlichungen liegt immer bei Verantwortlichen Redakteurinnen und Redakteuren. Programmverantwortung kann nicht von einem KI-System getragen werden. Der Einsatz von KI ändert nichts an der Gültigkeit der bestehenden programmrechtlichen Rahmenbedingungen.
4. KI-Systeme des WDR werden so geplant, eingerichtet und betrieben, dass sie nicht zu einer Benachteiligung von bestimmten Menschen oder Gruppen führen und das Programm bestmöglich die gesellschaftliche Vielfalt der Meinungen abbildet.
5. Der WDR gewährleistet auch beim Einsatz von KI-Systemen den Schutz der Persönlichkeitsrechte, insbesondere personenbezogener Daten.
6. Der WDR kommuniziert und kennzeichnet wo, warum und wie er Künstliche Intelligenz nutzt - immer dann, wenn der Einsatz direkte programmliche Auswirkungen hat, z. B. wenn Berichte ganz oder teilweise mittels KI hergestellt wurden oder wenn der Einsatz für Nutzende irreführend sein könnte.
7. KI-Systeme im WDR werden so geplant, eingerichtet und betrieben, dass Beschäftigte bei Bedarf in die Prozesse des betreffenden Systems eingreifen sowie deren Betrieb aussetzen können und so die menschliche Entscheidungshoheit über die KI-Systeme gewahrt bleibt.
8. Der WDR befähigt alle Beschäftigten durch entsprechende Angebote zur Aus-, Fort- und Weiterbildung zu einem verantwortlichen und souveränen Umgang mit KI-Anwendungen.
Ausblick: "Große Veränderungskraft"
Und wo geht diese Reise hin? „Ich sehe KI als Werkzeug, das einige unserer Abläufe beschleunigen kann. Sie kann und wird aber die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten nicht ersetzen. Am Ende braucht es immer den Menschen, der recherchiert, der Inhalte prüft und verantwortet“, sagt Jörg Schönenborn. Und Stefan Moll ergänzt: „Ich glaube, dass KI eine ähnlich große Veränderungskraft entfalten wird wie Online oder Social Media.“