Im Prozess geht es auch um die Frage, ob der Priester als Privatmann gehandelt hat. Dann könnte die Klägerin vom Erzbistum kein Schmerzensgeld verlangen. Die Frau wurde über Jahre von einem ehemaligen Priester missbraucht, der sie als Pflegetochter aufgenommen hatte. Der Prozess wird mit Zeugenaussagen fortgeführt.
Priester wollte Abtreibung
Melanie F. und ihr Pflegebruder haben in einem Kinderheim gelebt, bis sie in das Haus des Priesters gezogen waren. Das ist einige Jahrzehnte her. Die Erinnerungen an die Zeit mit dem Pfarrer sind dennoch präsent.
"Es hatte begonnen, als wir in das Haus nach Alfter gezogen sind", sagt die Frau. "Der Missbrauch ging damit los, dass er mich ausgezogen hat, und dass ich seinen Körper anfassen musste." Die sexualisierte Gewalt ging so weit, dass sie zweimal schwanger wurde. Beim ersten Mal war sie 15 Jahre alt.
Sie habe die Schwangerschaft jedoch nicht bemerkt, sagt die Frau im Interview mit dem WDR. Der Täter brachte sie zum Frauenarzt. Mit leiser Stimme sagt sie, dass sie gar nicht verstanden habe, warum. Und als dann "unten etwas gemacht wurde", durfte sie auch nicht in die Nierenschale gucken.
Kardinal genehmigt Priester Pflegekind
Die Frau ist vermutlich das erste Opfer eines Serientäters. Denn der Priester hatte in etwa 40 Jahren vielen Mädchen sexualisierte Gewalt angetan. Dafür wurde er 2022 strafrechtlich zu 12 Jahren Haft verurteilt. Aber nicht für die Taten an seiner Pflegetochter - die sind verjährt.
Die Frau hat deshalb beschlossen, das Erzbistum in einem Zivilverfahren auf mehr als 800.000 Euro Schmerzensgeld zu verklagen, weil das Bistum nicht ausreichend auf sie als Pflegekind aufgepasst habe.
Kardinal verzichtet auf Verjährung
Zunächst war die spannende Frage, ob das Erzbistum sich ebenfalls auf die Verjährung der Taten berufen würde. Das hätte - anders als im Strafprozess - zwar nicht grundsätzlich ein Verfahren verhindert, aber zumindest erschwert. Kardinal Woelki ließ allerdings mitteilen, dass er auf die Verjährung verzichten werde.
Nun gibt es aber aus Sicht der Klägerin ein ganz anderes Problem. Das Kölner Landgericht ist nach einer ersten Bewertung der Ansicht, dass der Priester sozusagen als Privatmann gehandelt habe und das Bistum somit nicht zu belangen sei.
Hat der Täter als Privatmann gehandelt?
Die Sprecherin des Kölner Landgerichts Diana Renk sagt, dass die Kammer "sich dahingehend geäußert hat, dass hier die Missbrauchstaten ausschließlich außerhalb der Tätigkeit als Priester erfolgt seien, nämlich im privaten Bereich als Pflegevater." Hierbei handelt es sich um eine vorläufige Einschätzung des Gerichts.
Diese juristische Frage wird einen Großteil der Verhandlung einnehmen. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller aus Münster vertritt die Auffassung, dass ein Priester 24 Stunden im Dienst sei und sich dementsprechend zu verhalten hat.
Hat das Bistum seine Aufsichtspflicht vernachlässigt?
"In diesem Fall ist es so, dass der Priester mit ausdrücklicher Genehmigung des damaligen Kardinals Höffner die Vormundschaft für die beiden Kinder übernahm. Das heißt, es wurde auch kirchenamtlich festgestellt, dass sich die Vormundschaft mit seinem Dienst verträgt und eben auch Teil seines Dienstes ist."
Außerdem geht es im Zivilverfahren vor dem Kölner Landgericht auch um den Punkt, ob das Bistum seine Schutz-, oder Aufsichtspflicht vernachlässigt habe. Aber auch hier sieht die zuständige Kammer bisher keinen Ansatz.
Gericht fordert Beleg von Klägerin
Gerichtssprecherin Diana Renk sagt dem WDR, dass die zuständige Kammer der Auffassung ist, dass die Klägerseite bisher nicht belegen konnte, dass das Erzbistum hier einen konkreten Verdacht gehabt habe, dass der Priester Missbrauchstaten begehen würde.
In den vergangenen Wochen hatten die Anwälte beider Seiten Gelegenheit ihre Standpunkte zu präzisieren. Möglicherweise wird die Verhandlung neue Erkenntnisse bringen.
Unsere Quellen:
Über dieses Thema berichtet die Lokalzeit Köln am 2. Juli im WDR-Fernsehen und auf WDR 2.