Folker Deinert ist eigentlich ein ruhiger, zurückhaltender Endfünfziger, der seit Jahrzehnten gern mit seiner Familie in Köln-Dellbrück wohnt. Doch seit einigen Wochen ist er am Rand der Raserei, sobald er das Wort Finanzamt hört.
Hinter den Garagen auf seinem Grundstück steht er am Rande einer riesigen Wiese: Gut 2000 Quadratmeter bis hin zum Wald, unbebaubares Landschaftsschutzgebiet, ein wertloses Liebhabergrundstück - für das Deinert bisher im Jahr 115 Euro Grundsteuer an die Stadt Köln zahlte.
"Und jetzt kam der Bescheid vor ein paar Wochen, da bin ich fast umgefallen", erzählt Deinert. "3389 Euro wollen die haben, aber das Geld das brauche ich doch selber."
Wiese wird wie Bauland bewertet
Wie kommt es zu dieser neuen, exorbitant hohen Bewertung, mehr als das Dreißigfache gegenüber 2024? Das Finanzamt hat den Messbetrag von 22,72 Euro auf 658,07 Euro erhöht. Die Wiese im Landschaftsschutzgebiet wird wie Bauland bewertet.
Die Pressestelle aller Finanzämter, gebündelt bei der Oberfinanzdirektion Münster , schickt eine Antwort, ohne konkret auf den Einzelfall einzugehen: "Ist der Grundsteuerwert nach Auffassung des Grundstückeigentümers zu hoch, besteht unter den Voraussetzungen des §220 des Bewertungsgesetzes die Möglichkeit durch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens, einen niedrigeren, gemeinen Wert nachzuweisen."
Gutachten kostet mindestens 2500 Euro
Folker Deinert kommt trotz Minusgraden bei dieser Antwort ins Schwitzen und sagt mit hochrotem Kopf: "Das würde dann ab 2500 Euro aufwärts kosten. Es wäre aber nicht sicher, dass die Finanzverwaltung dieses Gutachten auch anerkennen würde. Man geht quasi mit zweieinhalbtausend Euro in Vorleistung - mit unsicherem Ausgang."
Aus seiner Sicht hat der Gutachterausschuss bei der Bewertung vor drei Jahren fehlerhafte Zuschnitte für Flurstücke gezogen. Das lässt sich nach Deinerts Aussagen jetzt auch nicht so einfach korrigieren.
70.000 Kölner haben Einspruch gegen Entscheidung eingelegt
Mehr als 300.000 Kölner haben die neuen Grundsteuerbescheide schon bekommen, knapp 70.000 haben Einspruch eingelegt. In NRW sind es mehr als 1 Million.
Häufig sind es ähnliche Fälle, weiß Erik-Uwe Amaya von Haus und Grund Rheinland-Westfalen: "Das ist eben dieses Bundesmodell, das hierzulande gilt. Ein Bewertungsverfahren, das wir zu Recht angreifen", sagt Amaya. "Es wird unterstellt, dass diese Flächen bebaubar sind. Aber das ist in diesen Fällen nicht zutreffend."
Grundstücksbesitzer müssen wohl erst mal zahlen
Auch nicht bei Bruno Lemancik, ebenfalls ein Ur-Kölner. Er lebt in Bocklemünd und nennt neben seinem Hausgrundstück zwei angrenzende Hanggrundstücke sein Eigen. Nach der Grundsteuerreform soll er jetzt plötzlich das Zwanzigfache an das Finanzamt bezahlen. "Da verliert man den Glauben an die staatlichen Institutionen", sagt Lemancik.
"Für mich ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wie solche Fehler passieren können", führt er weiter aus. "Jetzt muss ich viel Geld für nichts bezahlen, für Grundstück, was ich nicht nutzen kann."
Und das, so die Fachleute von Haus und Grund in Köln, müssen wohl die meisten erst einmal zähneknirschend tun: "Nur in absoluten Ausnahmefällen kann bei der Stadt ein Antrag auf Zahlungsaussetzung gestellt oder eine Ratenzahlung vereinbart werden. In der Regel geht das aber nicht. Das heißt, die Eigentümer müssen die neuen Bescheide fristgerecht bedienen", sagt Hauptgeschäftsführer Thomas Tewes.
Bund der Steuerzahler klagt
Die erste Rate ist schon Mitte Februar fällig. Folker Deinert und viele andere werden mit Interesse die Klage des Bund der Steuerzahler NRW beobachten. Der will nämlich bis hoch zum Bundesverfassungsgericht gehen, um die Verfassungswidrigkeit des neuen Grundsteuermodells feststellen zu lassen.
Das kann allerdings, wie Fälle aus der Vergangenheit zeigen, Jahre dauern. Und bis dahin müssen Folker Deinert und viele andere in der Region Köln/Bonn in den sauren Apfel beißen.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Gespräch mit Erik-Uwe Amaya von Haus und Grund Rheinland-Westfalen
- Gespräch mit Thomas Tewes von Haus und Grund Köln
- Oberfinanzdirektion Münster
Über das Thema berichtet die Lokalzeit aus Köln am 31.01.2025 um 19.30 auch im WDR-Fernsehen.