Deutschland: Wo Brennt`s? | Aktuelle Stunde 08:06 Min. Verfügbar bis 30.01.2027

Wahlkampf: Die Migrations-Debatte ist zu einseitig | MEINUNG

Stand: 31.01.2025, 06:00 Uhr

Darf man nach dem Attentat von Aschaffenburg darüber sprechen, dass Deutschland mehr Ausländer braucht? Ja, die Politik muss trotz der aktuellen Lage über alle Seiten der Migration sprechen, findet unsere Kolumnistin Liz Shoo.

Von Liz Shoo

"Unser Land wünscht sich weniger Migration", lese ich heute Morgen auf einem Wahlplakat in meiner Stadt. Es ist das Thema Nummer eins. Das zeigt auch nochmal die WDR-Reportage "Deutschland wo brennt's?". In der wünscht sich zum Beispiel ein junger Mann schärfere Regeln:

Grenzen kontrollieren. Vor allem auch Leute aussortieren, die sich hier nicht einigermaßen benehmen. Das hört sich jetzt rassistisch an - aber es ist halt so. Befragter in WDR-Reportage "Deutschland wo brennt's"

Schon vor dem schrecklichen Anschlag in Aschaffenburg war die Migration laut ARD-Deutschlandtrend für Wählerinnen und Wähler das wichtigste politische Problem in unserem Land. Und nun scheint das Thema den gesamten Wahlkampf zu dominieren.

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Genauer noch, die Frage: "Wie lassen wir weniger Asylbewerber ins Land und wie schieben wir mehr ab?". Das sind berechtigte Fragen.

Allein damit gebe ich mich aber nicht zufrieden. Politikerinnen und Politiker machen es sich zu einfach, jetzt im Wahlkampf nur auf diesen Aspekt zu gehen. Denn das ist lediglich ein Teil der Migration. Und was wir brauchen, ist ein Gesamtkonzept, damit es hoffentlich in vier Jahren nicht immer noch an allen Ecken und Enden knirscht. Explizit, weil dieses Thema auch damit zu tun hat, wen wir in unser Land lassen.

Die Positionen zu einem einzigen Wahlkampf-Thema reichen nicht!

Die letzten drei Wochen vor der Wahl sollten Parteien nicht nur damit verbringen, uns zu erklären, wie sie die Asylpolitik verändern wollen. Sollen wir nur aufgrund dieser einen Position entscheiden, wer unser Land die nächsten vier Jahre regiert?

Nach dem Attentat von Aschaffenburg mag das unangenehm oder sogar unangebracht wirken. Das ist mir bewusst. Doch trotz der angespannten Stimmung in der Gesellschaft haben Wählerinnen und Wähler das Recht darauf, auch Lösungen zu weiteren dringenden Problemen präsentiert zu bekommen.

Ein solches Problem ist der allgegenwärtige Fachkräftemangel. Wie wollen die Parteien den angehen? Gerade erst kam der Bericht zur schwächelnden Wirtschaftsleistung in unserem Land. Ein Grund dafür - fehlendes Personal.

Fakt ist, dass Deutschland die Migration dringend braucht. Denn sie kann eine Lösung zum Fachkräftemangel sein. Wenn Politiker nur damit beschäftigt sind, pauschal die Migration als Problem zu bezeichnen, machen sie es sich schwer, die Migration auch als Chance für unser Land zu verkaufen.

Mehr Migration? Ja, bitte

Wir merken es alle in unserem Alltag: Es fehlt Personal in den Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Behörden, Restaurants. Laut Experten braucht Deutschland jedes Jahr rund 400.000 neue Fachkräfte aus dem Ausland. Doch im Wahlkampf ist mir kein Master-Plan dazu begegnet. Keine Lösungen, die die Spitzenkandidaten ab Tag eins umsetzen wollen. Wann diskutieren Politiker denn darüber? Die hohe Kunst der Politik ist es, auch über unangenehme Themen zu sprechen und auch über Probleme, die sich nicht in den Vordergrund drängen aber dennoch da sind.

Wir wählen ja Politiker, die in den kommenden vier Jahren das Leben in diesem Land verbessern sollen. Die eine Vision für unsere Zukunft haben. Kolumnistin Liz Shoo

Ich wünsche mir, dass Politiker den Mut haben, zu erklären, wie sie auch Menschen aus dem Ausland holen werden, um diese Lücken zu füllen.

Einwanderung als Chance im Wahlkampf

Es ist nicht so, als hätten die großen Parteien keine Ideen dafür, wie das gelingen könnte. Wer sich die Zeit nimmt, und sich die langen Parteiprogramme durchliest, trifft auf Pläne, wie die einzelnen Parteien Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv machen möchte.

Es geht darum, wie man Bürokratie abbauen kann, damit die Einwanderung nicht am langen und aufwändigen Visaprozess scheitert. Es ist die Rede von Einwanderungsabkommen mit anderen Ländern, schnellere Anerkennung der ausländischen Abschlüsse. Das zeigt mir, die Konzepte sind da. Aber wenn sie nur in den Wahlprogrammen versteckt bleiben, die wahrscheinlich die wenigsten Wähler durchlesen, dann hilft das auch keinem. Ideen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels müssen auf die Wahlkampfbühnen, auf Plakate, in Werbespots im Radio und Fernsehen und natürlich auf Social Media.

Es ist ja nicht so, als wäre in den letzten Jahren nichts in dieser Hinsicht passiert. Mit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen Menschen leichter nach Deutschland einreisen, um zu arbeiten. Das Auswärtige Amt hat das Visa-Verfahren digitalisiert, außerdem hat Deutschland Migrationsabkommen mit Ländern wie Kenia und Marokko abgeschlossen. Das Ziel: Abschiebepflichtige sollen leichter zurückgewiesen werden, Fachkräfte sollen einfacher einreisen können.

Wenn die Politik sich nur damit beschäftigt zu debattieren, wer nicht ins Land darf, und übrigens damit Klischees von den gewalttätigen Migranten verschärft, dann nimmt sie sich selbst die Möglichkeit, glaubhaft und vertrauenswürdig den Wählern zu erklären, dass die Migration an sich kein Problem für unser Land ist. Dass nicht alle Migranten mit Messern rumlaufen und dass unsere Volkswirtschaft auf Menschen aus dem Ausland angewiesen ist. Die Menschen, die unsere Stimme haben wollen, müssen es wagen, die unangenehmen, vermeintlichen Tabuthemen jetzt anzusprechen.

Findet ihr den Wahlkampf auch zu einseitig? Lasst uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

Kommentare zum Thema

  • Greta 31.01.2025, 09:42 Uhr

    Die wenigsten hätten etwas gegen die Einwanderung von wirklichen Fachkräften, die kommen nur leider nicht(extremer Wohnungsmangel-schlechte Bezahlung , Bürokratie etc.), dafür kommen Hunderttausende unqualifizierte Wirtschaftsflüchtlinge und scheißen vor der Grenze ihren Pass weg. Die Städte und Gemeinden wissen nicht mehr wohin mit den Flüchtlingen und sind mittlerweile völlig verschuldet. Die Sozialausgaben und Mieten explodieren, Jugendbanden und psychisch kranke Einzeltäter bevölkern mittlerweile auch das letzte Kleinstädtchen, die Arbeitslosigkeit wird sich demnächst drastisch erhöhen weil fast sämtliche Unternehmen Jobs abbauen werden entweder wegen schlechter Wirtschaftslage oder weil die KI den Menschen ersetzen kann......welcher Wähler interessiert sich da noch für diese Neben- Themen??

  • Walter Tebbe 31.01.2025, 09:36 Uhr

    Ist Volksherrschaft nicht immer einseitig ? Nur hat die eine Seite ihre Meinungsmache bisher immer hinter Beraterverträgen versteckt ! Das Volk ist aufgewacht, da muss schnell eine Brandmauer her !

  • Harry Anslinger 31.01.2025, 09:36 Uhr

    Danke, Frau Shoo! Nach Aschaffenburg verfallen viele in einen Panikmodus, was keine Politik sein darf. MP Wüst meinte, Eltern würden sich Sorgen machen, dass die Kleinen morgen im Park einen Ausflug machen - mehr Panikmache geht kaum und verstellt den Blick für das Wesentliche. Als wenn jeden Tag so schreckliche Ereignisse wie in Aschaffenburg (oder eben Magedeburg oder Solingen) passieren würden, soweit ist es nicht und soll es auch nicht kommen, das ist doch klar. Und das Problem der unbesetzten Arbeitsplätze wird noch ganz dringend werden, wie übrigens auch die Klimakrise, die uns beim aktuellen Nicht-Handeln (ja, es wird viel zu wenig getan!!!), noch weitaus mehr Flüchtlinge bescheren wird. Weitaus mehr. Ja, es muss gehandelt werden, aber nicht gegen das Asylrecht, nicht mit Stimmen der Rechten Lügenbarone und Demokratiefeinde, nicht unter Missachtung anderer Brandherde.