Die acht Angeklagten, darunter drei Frauen, stehen ab Montag vor dem Landgericht Wuppertal. Aufgrund erhöhter Sicherheitsvorkehrungen findet der Prozess jedoch im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts statt. Kaum hatte der Prozess begonnen, wurde er auch wieder unterbrochen: Der Verteidiger des Hauptangeklagten aus Hattingen hatte einen Befangenheitsantrag gestellt: Die Schöffen könnten WDR-Fernsehdokumentationen zu dem Fall gesehen haben und dadurch beeinflusst worden sein. Bemängelt wurde unter auch, dass die Angeklagten zu Prozessbeginn bereits als Täter bezeichnet wurden. Mehrere Verteidiger schlossen sich der Kritik an. Die Staatsanwaltschaft sieht diese Gefahr nicht, die Schöffen seien ausreichend belehrt worden. Sie könnten den Prozess von einer Doku unterscheiden. Um 11:40 Uhr soll der Prozess weitergehen.
Die Angeklagten, im Alter von 36 bis 64 Jahren, sollen Kokain in großen Mengen geschmuggelt haben. Nach den Ermittlungen geschah dies unter anderem im Auftrag der italienischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta sowie albanischer Tätergruppierungen. Mit wechselnden Verstecken und verschiedenen speziell umgebauten Fahrzeugen sollen sie mehr als 50 Kurierfahrten mit Kokain im zweistelligen Kilogrammbereich unternommen haben, insgesamt fast 900 Kilo, also fast eine Tonne.
Kriminelle Vereinigung
Den Angeklagten wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung und Drogenhandel oder Beihilfe dazu zur Last gelegt. Als Hauptbeschuldigter gilt ein 64-Jähriger aus Hattingen. Ihm wird Drogenhandel vorgeworfen, mit dem er 2,2 Millionen Euro eingenommen haben soll, den Mitangeklagten Beihilfe dazu. Die Acht kommen aus Hattingen, Dortmund, Wuppertal, Remscheid und Castrop-Rauxel.
Ein Verfahren gegen drei mutmaßliche Mafiosi wird gesondert in Dortmund geführt.
Operation Eureka
Die Anklage fußt auf mehrjährigen Ermittlungen und einer Großrazzia gegen den Kokainhandel im Mai 2023. Am 3. Mai 2023 um vier Uhr morgens kam es zum großen Showdown, der "Operation Eureka": In acht Ländern führten Tausende Polizistinnen und Polizisten Großeinsätze gegen die italienische Mafia 'Ndrangheta durch, auch in NRW. Unter anderem in Siegen, Hagen, Wuppertal, Essen, Dortmund und Bonn durchsuchten 500 schwer bewaffnete Einsatzkräfte parallel mehrere Objekte. 35 Verdächtige wurden damals in NRW verhaftet.
Eisdielen als Geldwaschanlagen
Der 'Ndrangheta wurde so ein heftiger Schlag versetzt. Eisdielen sollen als Geldwaschanlagen genutzt worden sein, hatten die Ermittler damals mitgeteilt. In NRW hatten 500 Polizisten insgesamt 51 Objekte durchsucht. Europaweit waren insgesamt rund 3.000 Beamte im Einsatz, in Deutschland mehr als 1.000. Das Kokain soll aus Südamerika über Überseehäfen in den Niederlanden und Belgien nach Europa gebracht und dann mit präparierten Autos nach Italien geschmuggelt worden sein.
Die Ermittler präsentierten einen SUV, unter dessen Rückbank ein Drogenversteck eingebaut war. Das Kokain wurde mehrfach in Kunststofffolien eingeschweißt, um es für Spürhunde unauffindbar zu machen. Zudem seien die Autos vor jeder Fahrt auf Abhör- oder Ortungsgeräte der Polizei untersucht worden.
Europaweite Anti-Mafia Razzia
Beteiligt an dem Einsatz, der einer der größten Einsätze gegen die Mafia in Europa war, waren Einsatzhundertschaften, Spezialeinsatzkommandos und Diensthundeführer. Auch in Bayern, Rheinland-Pfalz, Thüringen und im Saarland gab es Durchsuchungen und Festnahmen. Die meisten Verdächtigen wurden in Italien verhaftet, nachdem die Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria 108 Haftbefehle erwirkt hatte. Auch in Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Rumänien und Slowenien wurden mutmaßliche Helfer festgenommen.
BKA: 'Ndrangheta beherrscht Europas Kokain-Markt
Die 'Ndrangheta ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) die "relevanteste Mafia-Gruppierung" mit einer dominanten Stellung auf dem europäischen Kokainmarkt. Sie wird gefährlicher eingeschätzt als die sizilianische Cosa Nostra und die Camorra aus Neapel. In der 'Ndrangheta sollen drei große Gruppen die Fäden ziehen und sich um den internationalen Drogenhandel kümmern. Eine davon hat den Fahndern zufolge auch einen Ableger in München. Sie wird dem Clan der Nirta-Strangio zugerechnet - der war 2007 in die Mafiamorde von Duisburg verwickelt, bei denen sechs Menschen erschossen wurden.
Prozessbeteiligten zufolge sind die Ermittler aber keineswegs auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Mehrere Beschuldigte hätten zumindest teilweise gestanden. Das Gericht hat für den Prozess zunächst 23 Verhandlungstage angesetzt.
Unsere Quellen:
- Recherche WDR-Reporter
- Nachrichtenagentur dpa
- Landgericht Wuppertal
- Staatsanwaltschaft Düsseldorf
Über dieses Thema berichten wir am 03.02.25 auch im WDR Fernsehen: WDR aktuell, 12.45 Uhr und im Hörfunk auf WDR 2 und WDR 5.