Sorge im Aachener Grenzgebiet: Belgien will Atomkraft ausbauen

Stand: 05.02.2025, 14:48 Uhr

Die neue belgische Regierung macht den Atomausstieg rückgängig. Mit Folgen auch für das umstrittene Kraftwerk Tihange.

Von Ingo Wagner

Die neue belgische Regierung hat angekündigt, den Atomausstieg rückgängig zu machen. Der Regierungschef, Rechtsnationalist Bart De Weyer, kündigte sogar an, die Atomkraft auszubauen. Neue Reaktoren sollen gebaut und die Laufzeit der bereits bestehenden Kraftwerke mit einer Kapazität von acht Gigawatt verlängert werden.

Eine Entscheidung, auf die auch die Menschen in der Aachener Grenzregion mit Sorge blicken. Denn damit würden auch die Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 länger am Netz bleiben. Die Vorgängerregierung hatte die Laufzeit der beiden Reaktoren schon einmal verlängert, sie sollten aber Ende 2025 abgeschaltet werden. Tihange liegt bei Lüttich und nur knapp 60 Kilometer Luftlinie von Aachen entfernt.

Jörg Schellenberg, Atomkraftgegner | Bildquelle: wdr

"Die Entscheidung ist hochriskant", sagt Jörg Schellenberg vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomkraft. Die Reaktoren seien nur für eine Laufzeit von dreißig Jahren ausgelegt. Sie darüber hinaus am Netz zu lassen, gefährde die Gesundheit der Menschen im Aachener Raum.

Auch die meisten Menschen, die wir am Mittwoch auf der Straße in Aachen auf die belgischen Atompläne ansprechen, äußern sich kritisch. Eine Passantin meint: "Ich verstehe die Welt nicht mehr. Dass man Dinge, die eigentlich abgeschlossen waren, dass man da wieder zurück rudert."

Massenproteste im Aachener Raum gegen Tihange und Doel

Die Reaktoren in Tihange und Doel waren immer wieder wegen Pannen und Mängeln in die Schlagzeilen geraten. Über viele Jahre wuchs im Aachener Raum daher der Widerstand gegen die störanfälligen Atommeiler Tihange 2 und Doel 3.

Teilmehmer bilden bei der Protestaktion "Kettenreaktion" eine Menschenkette. | Bildquelle: dpa/Henning Kaiser

Im Jahr 2017 forderten Deutsche, Niederländer und Belgier unter dem Motto "Kettenreaktion Tihange" mit einer riesigen Menschenkette die Abschaltung von zwei Reaktoren. Die Demo reichte vom AKW Tihange bis nach Aachen.

Abschaltung besonders umstrittener Reaktoren

Am 31. Januar 2023 wurde der besonders umstrittene Reaktor Tihange 2 endgültig abgeschaltet – was im Aachener Raum mit großer Erleichterung aufgenommen wurde. Umso größer ist nun die Enttäuschung, dass die Laufzeit der Reaktoren Tihange 3 und Doel 4 um weitere zehn Jahre verlängert werden soll. "Das ist eine Methusalem-Technologie", sagt Atomkraftgegner Jörg Schellenberg. Er meint, dass die Reaktoren völlig veraltet sind und daher trotz einiger Modernisierungen der Anlagen kaum mehr sicher betrieben werden können.

Sorge im Aachener Grenzgebiet: Belgien will Atomkraft ausbauen WDR Studios NRW 05.02.2025 00:28 Min. Verfügbar bis 05.02.2027 WDR Online

Neue Kernkaftwerke geplant

MIt ihrer Ankündigung, neue Kraftwerke bauen zu lassen, liegt die neue belgische Regierung im Trend. Europaweit ist die Atomkraft wieder auf dem Vormarsch - wegen der Energiekrise durch den Ukrainekrieg und der Klimaziele. In Frankreich und Schweden sollen neue Anlagen gebaut werden. Und auch Italien will erstmals seit Jahrzehnten wieder ein eigenes Kernkraftwerk bauen.

Unsere Quellen:

  • dpa
  • Recherche vor Ort

Über dieses Thema berichten wir am 05.02.2025 auch im WDR Fernsehen: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.

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