Streit über Umgang mit Anti Israel Demos

Aktuelle Stunde 05.11.2023 03:26 Min. UT Verfügbar bis 05.11.2025 WDR Von Julius Hilfenhaus

"Passt auf, wo ihr mitlauft" - Kritik an pro-palästinensischen Demos

Stand: 05.11.2023, 20:16 Uhr

Bei pro-palästinensischen Kundgebungen sind am Wochenende in mehreren deutschen Städten Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Dabei wurden islamistische und israelfeindliche Parolen gerufen und Symbole gezeigt.

In NRW wurde am Freitagabend in Essen demonstriert. Am Samstag gab es in Berlin und an mehreren Orten in NRW Demonstrationen, die größte fand in Düsseldorf statt.

Holocaust auf Plakaten relativiert

Etwa 17.000 Menschen gingen hier auf die Straße. Die Polizei kündigte ein niedrigschwelliges und konsequentes Einschreiten bei Straftaten an. Bereits vor Beginn der Demonstration wurden von der Polizei mehrere Plakate sichergestellt, auf denen der Holocaust relativiert wurde. Dagegen werde es Strafverfahren geben, so die Polizei. Darüberhinaus wurden Plakate gezeigt, die die Situation in Gaza mit dem Holocaust gleichsetzen.

Ein Banner mit der Aufschrift "Wo ist der Unterschied?" und den Piktogrammen einer Bombe mit der Jahreszahl 2023 und einer Dusche mit der Jahreszahl 193

Verdacht auf Volksverhetzung in Berlin

In Berlin zählte die Polizei am Samstagabend etwa 8500 Menschen bei einer Kundgebung. Die Beamten überprüften die Personalien Dutzender Teilnehmer und fertigten Dutzende Anzeigen. Die Polizei stellte Plakate mit strafbarem Inhalt fest. Zum genauen Inhalt machte sie zunächst keine Angaben.

Videos bei TikTok zeigen, wie Demonstranten versuchen, die palästinensische Flagge auf dem Neptunbrunnen in Berlin anzubringen. Weitere Aufnahmen zeigen Plakate mit Aufschriften wie "Stoppt den Genozid in Gaza" oder "From the river to the sea - we demand equality", was übersetzt heißt "Vom Fluss bis zum Meer fordern wir Gleichheit für alle". Gemeint sind der Fluss Jordan und das Mittelmeer. Darüber hinaus forderte eine Rednerin ein Ende der "Apartheidskultur" und den Stopp der Bombardierungen in Gaza. Infolge der Demo wurden 30 Ermittlungsverfahren von der Polizei eingeleitet, 16 wegen Verdachts der Volksverhetzung, sagte eine Sprecherin.

Ministerpäsident Wüst: "Mich widert das an"

Nach der Demonstration in Essen am Freitagabend prüft die Polizei nun, ob Straftaten begangen wurden. Bei der Kundgebung waren unter anderem Plakate mit der Forderung nach der Errichtung eines Kalifats gezeigt worden. Dazu ruft beispielsweise die islamistische Organisation Hizb ut-Tahrir auf, für die seit 2003 ein Betätigungsverbot gilt. Banner, die eindeutig der Organisation zuzuordnen sind, wurden auf der Demonstration gezeigt.

"Was wir am Wochenende bei Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen erlebt und gesehen haben, trifft auf die absolute Ablehnung der Landesregierung. Ich kann für mich persönlich sagen: Mich widert das an", sagte der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gegenüber dem WDR. "Wer in einem Kalifat leben will, der ist hier in Deutschland schlicht falsch. Ob Salafisten, Islamisten, Extremisten - das gehört konsequent verboten. Wir müssen unsere freie Gesellschaft verteidigen."

"Neue Qualität" bei Demo in Essen

Portrait von Herbert Reul

NRW-Innenminister Herbert Reul im Interview

Innenminister Herbert Reul sagte gegenüber dem WDR, der Staatsschutz habe am Freitag sehr sorgfältig beobachtet, und immer dann, wenn er konnte, eingegriffen. Er sagt, dass die Einsatzkräfte mit Unterstützung von Dolmetschern und dem Staatsschutz sowie der Versammlungsbehörde arabische Schriftzeichen und Symbole auf Flaggen schnell ausgewertet hätten. Bisher konnten jedoch keine strafrechtlichen Verstöße festgestellt werden.

Trotzdem werde weiteres Bild- und Tonmaterial geprüft und alles, was ansatzweise relevant ist, werde der Staatsanwaltschaft vorlegen. Bei einem Video würde gerade von der Staatsanwaltschaft geprüft, ob diesem wegen Volksverhetzung nachgegangen werden kann.


Und wenn wir einen Nachweis haben, wird zugegriffen. Aber wir müssen es beweisen.
Innenminister Herbert Reul

Bei der Demonstration in Essen sei eine "neue Qualität" erreicht. Sie wirft, laut Reul, die Frage auf, "wie wir eigentlich mit Gruppen umgehen, die so etwas als Vorwand benutzen". In Berlin müsse geprüft werden, ob manche dieser Organisationen nicht verboten werden müssten. Denn dann könne man wieder eingreifen.

Auch einige Teilnehmer der Essener Demo waren geschockt

Der NRZ-Journalist Ahmed Shihabi war als Beobachter auf der Demonstration in Essen. Dabei stellte er fest, dass auch viele Teilnehmer über die islamistischen Kundgebungen auf der Demo schockiert waren.

"Viele kamen, um mit den Zivilist:innen in Gaza ihre Solidarität zu zeigen. Aber die waren auch schockiert. Und da habe ich mit Einigen gesprochen und die haben gesagt: Ja, das geht nicht. Wir kamen hier her, um uns mit Palästina zu solidarisieren, nicht einfach um mit Islamist:innen mitzulaufen."

Zentralrat der Muslime äußert sich

Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland verurteilte die antisemitische Vorfälle bei propalästinensischen Demonstrationen und rief zu Vorsicht bei der Teilnahme an Kundgebungen auf. Es gebe "ganz klare Verstöße, antisemitische Judenhass-Verstöße", sagte der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek am Samstag im Deutschlandfunk. "Sie müssen geahndet werden."

An die Muslime appellierte er: "Passt auf, wo ihr mitlauft." Es gebe Gruppen, die solche Demonstrationen nutzten, um Parolen gegen Juden und Antisemitismus zu skandieren. "Das müssen wir nicht so haben."