Hass und Islamismus auf Demo
Aktuelle Stunde. 04.11.2023. Verfügbar bis 04.11.2025. WDR. Von Astrid Houben.
Islamistische Banner bei pro-palästinensischer Demo in Essen
Stand: 04.11.2023, 20:12 Uhr
In der Essener Innenstadt ist am Freitagabend eine pro-palästinensische Demonstration gezogen. Dabei wurden auch Banner einer islamistischen Organisation gezeigt. NRW-Innenminister Reul bringt im WDR weitere Verbote ins Gespräch.
"Massengrab Gaza", "Stoppt die einseitige Berichterstattung", "Das Kalifat ist die Lösung" - Beispiele für Zitate, die auf Plakaten der pro-palästinensischen Demo in Essen am Freitagabend zu lesen waren. Noch am Freitag erklärte eine Polizeisprecherin, dass klare Regeln festgelegt worden seien, was gezeigt und gesagt werden darf.
Mehrere Teilnehmende der Pro-Palästina-Demo stehen in der Essener Innenstadt.
Die Teilnehmenden durften nicht zu Hass und Gewalt aufrufen oder das Existenzrecht Israels leugnen. Fahnen von Organisationen, die als terroristisch eingestuft sind, waren verboten, zum Beispiel die der Hamas oder der Hisbollah. Die pro-palästinensische Demo lief ab 18 Uhr. Gegen 21 Uhr war sie vorbei.
Islamistische Banner
Bei der Demo wurden auch schwarze Banner mit weißer arabischer Aufschrift getragen. Die Aufschrift zeigt das muslimische Glaubensbekenntnis. In diesem Design sind die Banner nach WDR-Informationen eindeutig der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir zuzuordnen.
Für die Hizb ut-Tahrir gilt seit 2003 in Deutschland ein Betätigungsverbot. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums ist Islam und Demokratie für die Organisation nicht miteinander vereinbar. Die Hizb ut-Tahrir will "die Scharia als Grundlage und Maßstab staatlichen Handelns im Kalifat durchsetzen". Auch die offene Forderung nach der Errichtung eines Kalifats war auf Plakaten bei dem Protestzug zu sehen.
Pro-palästinensische Demo in Essen
01:59 Min.. Verfügbar bis 04.11.2025.
Bürgermeister: "Nur schwer erträglich"
Da die Demonstration in Essen von einer Privatperson angemeldet wurde, sind die Initiatoren nicht eindeutig bekannt. Nach Thomas Kufen (CDU), dem Oberbürgermeister von Essen, ging es den Initiatoren jedoch "offensichtlich weniger um das Leid der Menschen im Gaza-Streifen, sondern viel mehr um die Verbreitung radikalislamistischer Parolen."
Nachvollziehbar sei eine solche Demonstration in Essen für die Bürgerinnen und Bürger nicht, sagt der Bürgermeister. "Aber wie das deutsche Demonstrationsrecht beispielsweise Rechtsextremisten schützt, dürfen auch solche Gruppierungen auf deutschen Straßen und Plätzen demonstrieren." Und auch die Essener Polizei erklärte: "Als Mensch finden wir den Aufmarsch von Demokratie- und Menschenfeinden unerträglich und lehnen ihn ab". Doch trotz allem sei die Polizei neutral und müsse auch solche Demonstrationen begleiten.
Klassische islamische Geschlechtertrennung
In diesem Bereich der Demo sind nur Frauen zu sehen
Darüber hinaus gab es bei der Kundgebung laut Polizei eine klassische islamische Geschlechtertrennung, für die Ordner gesorgt hätten. Frauen mussten am Ende laufen und bei der Schlusskundgebung auf einer anderen Fläche stehen, als die Männer.
Die Fahnen der Hizb ut-Tahrir und auch die Geschlechtertrennung während der Demonstration und Kundgebung, deuten laut WDR-Informationen darauf hin, dass die islamistische Organisation Hizb ut-Tahrir die Demo in Essen mit initiiert hat. Doch nicht alle Teilnehmer der Demo gehören dadurch automatisch der Hizb ut-Tahrir an, viele haben sich der Demo mutmaßlich auch aus anderen Gründen angeschlossen.
Journalist der Neuen Ruhr Zeitung: Viele Teilnehmer schockiert
Der NRZ-Journalist Ahmed Shihabi war als Beobachter auf der Demonstration. Er kann arabische Schriftzeichen lesen und hatte die Polizei auch auf Fahnen von Hizb ut-Tahrir hingewiesen. Dem WDR sagte er, dass die Veranstalter klar erklärt hätten, man solle keine Fahnen mitbringen.
„Viele kamen, um mit den Zivilist:innen in Gaza ihre Solidarität zu zeigen. Aber die waren auch schockiert. Und da habe ich mit Einigen gesprochen und die haben gesagt: Ja, das geht nicht. Wir kamen hier her, um uns mit Palästina zu solidarisieren, nicht einfach um mit Islamist:innen mitzulaufen.“
Der erhobene Zeigefinger
Frauen mit erhobenem Zeigefinger auf der Demo in Essen
Auf einigen Bildern von der Essener Demo sind Frauen zu sehen, die den Zeigefinger heben. Diese Geste ist Teil des rituellen Gebets von Muslimen. Es ist ein muslimisches Zeichen, das häufig verwendet wird, wie beispielsweise beim Torjubel von gläubigen Fußballspielern.
Das Zeichen ist jedoch vom IS missbraucht worden. Inzwischen wird es auch als eine Art Erkennungszeichen des IS und als Geste radikaler Islamisten gewertet.
Polizei: Vorgeschobenes Thema der Demo
Am Freitag teilte die Polizei mit, dass jeder mit einer Anzeige oder einem Platzverweis zu rechnen hat, der gegen die Verfügungen verstößt. Bei der Demo liefen Beamte des Staatsschutzes mit, die verbotene Parolen und Symbole auch in anderen Sprachen erkennen können. Laut einem weiteren Polizeisprecher sind beispielsweise Flaggen einzeln bewertet worden, die in dem Kontext als Symbol nicht verboten seien.
Am Samstag gab die Polizei nun bekannt, dass sich herausgestellt habe, dass das pro-palästinensische Thema der Kundgebung vorgeschoben war. Ziel der Demo sei es gewesen, eine religiöse Veranstaltung auf den Straßen von Essen durchzuführen.
Staatsanwaltschaft prüft mögliche Volksverhetzung
Die Staatsanwaltschaft Essen prüft jetzt eine Aussage des Demo-Veranstalters auf mögliche Volksverhetzung. Der WDR hat diese mit der Kamera aufgenommen. Es geht darum, dass der Organisator dem Publikum sagt, es dürfe gewisse Dinge nicht zeigen oder rufen.
Genannt wird dabei auch eine antisemitische Aussage, die wir hier nicht zitieren. Der Veranstalter hat den Satz so verwendet, dass es als Aufforderung verstanden werden kann, genau so etwas nicht zu skandieren. Vielleicht wollte er aber auch bewusst provozieren und sich rechtlich nicht angreifbar machen.
Zuvor hatte er den Teilnehmern erklärt, das Existenzrecht des Staates Israel dürfe nicht geleugnet werden. Daraufhin ist zu hören, wie mehrere Menschen buhen.
Ministerpräsident Wüst: völlig inakzeptabel
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wüst (CDU) schrieb bei auf der Online-Plattform X, es sei "völlig inakzeptabel, dass islamistische Extremisten auf den Straßen unseres Landes für ihre Ziele werben und ein Kalifat fordern". Das werde man nicht hinnehmen.
Wüst ergänzte, in Deutschland gelte die freiheitliche demokratische Grundordnung, "die wir als Staat und Politik konsequent verteidigen - mit der ganzen Härte des Rechtsstaats". Wer hier leben wolle, müsse sich zum Grundgesetz bekennen und dürfe das Existenzrecht Israels nicht in Zweifel ziehen.
NRW-Innenminister Reul: weitere Verbote prüfen
Nordrhein-Westfalens Innenminister Reul sprach im WDR-Interview von einer "neuen Qualität". Plötzlich sei es in Essen neben einer anti-jüdischen und einer Anti-Israel-Veranstaltung auch eine religiöse gewesen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)
Mit Blick auf strafrechtlich relevante Aussagen bei der Demo sagte der CDU-Politiker, Video- und Tonaufnahmen würden permanent weiter geprüft. "Und wenn wir einen Nachweis haben, wird zugegriffen. Aber wir müssen es beweisen."
Aus Reuls Sicht wirft das auch die Frage auf, wie man mit Gruppen umgeht, die solche Proteste "als Vorwand" benutzten. "Also ich finde, man muss dann auch die Frage beantworten, ob in Berlin nicht auch geguckt werden müsste, ob manche dieser Organisationen verboten werden müssen." Dann könne man wieder eingreifen.
Weitere Demos am Wochenende
Auch für dieses Wochenende sind wieder einige Demos für NRW angekündigt. Am Samstag ist für Düsseldorf eine größere Demonstration angekündigt, die sich gegen den Krieg in Gaza wendet. Gleichzeitig plant die Antifa am Nachmittag in Düsseldorf an mehreren Orten pro-israelische Aktionen.
Weitere Demonstrationen sind am Wochenende in Münster, Siegen, Aachen, Bochum, Herne und Köln geplant. Genauere Informationen finden Sie hier:
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 04.11.2023 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18:45 Uhr.