Wie färbt Schwarz-Rot in Berlin auf die Politik in NRW ab?

Stand: 31.03.2025, 15:53 Uhr

Das neue Bundeskabinett könnte auch die Politik in NRW durcheinanderwirbeln. Was jetzt möglich wäre.

Von Sabine Tenta

Jede neue Bundesregierung hat auch Auswirkungen auf die Bundesländer. Aber NRW steht diesmal besonders im Fokus - vor allen Dingen wegen des Personals. Noch ist zwar kein Koalitionsvertrag in Berlin unterzeichnet, kein Kanzler gewählt, keine Ministerin vereidigt - aber einige Folgen zeichnen sich bereits jetzt ab.

Wie viel NRW passt ins Bundeskabinett?

Friedrich Merz (CDU) hat ein Problem: Es gibt einfach zu viele CDU-Kandidaten und -Kandidatinnen für das Bundeskabinett aus NRW. Der Länderproporz setzt hier Grenzen. Immer wieder im Gespräch sind etwa Ina Scharrenbach und Karl-Josef Laumann. Gingen die NRW-Bauministerin und der Gesundheitsminister nach Berlin, hätte dies eine Kabinettsumbildung in Düsseldorf zur Folge.

Eine Frauenquote im Kabinett? Das wies Merz bereits im Bundestagswahlkampf zurück. Und erntete dafür so viel Empörung, dass er sich ein reines Männerkabinett nicht leisten können wird. Das dürfte die Chancen von Ina Scharrenbach erhöhen.

Hat Laschet Chancen auf ein Ministeramt?

Ebenfalls als mögliche Minister gehandelt werden Fraktionsvize Jens Spahn und Armin Laschet. Der ehemalige NRW-Ministerpräsident und gescheiterte Kanzlerkandidat liest seinen Namen gerade allerdings auch öfter in Kontexten, die für ihn alles andere als erfreulich sind.

Da ist der Führerschein-Entzug nach geblitztem Rasen wohl noch das kleinere Übel. Schwerer wiegt wohl die "Staatskanzlei-Affäre", in der Laschet mutmaßlich eine gewichtige Rolle spielt. Deren weitere Entwicklung ist aktuell nicht absehbar. Ein Minister Laschet wäre für Merz also mit einem gewissen Risiko verbunden.

Aber vielleicht pfeift Merz auch auf den Länderproporz, wie es Angela Merkel tat. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier und Helge Braun war einst der CDU-Landesverband aus dem Saarland in der Bundesregierung überrepräsentiert. Dass Merz im Zweifelsfall Personal vor Ausgeglichenheit geht, zeigte er schon 2023, als er Carsten Linnemann zum CDU-Generalsekretär machte, obwohl der, ebenso wie Merz, aus Westfalen stammt und ein ähnliches Wirtschaftsprofil abdeckt wie der Bundesvorsitzende. Linnemann gilt für die nächste Bundesregierung als gesetzt. Offen ist wohl nur noch, welches gewichtige Ressort er leiten wird.

Braucht die CDU eine "Rheinland-Quote"?

Für alle, die sich noch an die alten Rivalitäten zwischen Rheinland und Westfalen in der CDU erinnern können - bis 1986 existierten in NRW zwei CDU-Landesverbände - hier noch ein Funfact: Westfalen hätte in dem genannten Personaltableau ein starkes Übergewicht - mit Merz, Linnemann, Spahn und Scharrenbach.

Verdrehtes Blame Game im Landtag

"Berlin, Berlin, wir zeigen nach Berlin!" Nach diesem Motto hat die NRW-CDU bislang gerne die Verantwortung für vieles, was schiefläuft, bei der Ampel-Koalition gesehen. Das war das übliche Blame Game. Mit jedem Regierungswechsel, gleich ob in Düsseldorf oder Berlin, rotieren die Rollen in diesem Spiel der Schuldzuweisungen. Wir werden - das ist jetzt keine allzu gewagte Spekulation - künftig häufiger hören, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst und die CDU-Fraktion den Kanzler loben und Oppositionsführer Jochen Ott (SPD) sich anerkennend über SPD-geführte Ressorts der Bundesregierung äußert, während er gleichzeitig den Kanzler kritisiert.

Grüne und FDP hingegen werden - befreit von der Regierungsbeteiligung im Bund - vermutlich häufiger nach Berlin zeigen, um dort die Wurzel eines NRW-Übels auszumachen. Für die AfD ändert sich nichts - sie ist und bleibt hier wie da in der Opposition.

Wüst mit neuer Stärke?

Hendrik Wüst ist als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes und als Vorsitzender des größten CDU-Landesverbands ohnehin in einer machtvollen Position. In der Vergangenheit hat er liberale Positionen besetzt, etwa in der Migrationsdebatte, und sich als Alternative zum konservativen Merz profiliert.

Der 49-Jährige ist ein geschickter Stratege und begnadeter Netzwerker. Wüst könnte seine Chancen ausbauen, dem 69-jährigen Merz im Kanzleramt zu folgen. In den vergangenen Jahren hat Hendrik Wüst eine Balance gefunden zwischen den Rollen des loyalen Mitspielers und des alternativen Gegenspielers. Beim Ministerpräsidenten werden wohl künftig verstärkt die Ohren gespitzt, um die Zwischentöne zu hören und Subtexte zu deuten.

Grüne unter Profilierungsdruck

Habeck und Neubaur | Bildquelle: ddp/FlashPic

Die Grünen haben mit der Bundestagswahl einen Achsenbruch erlitten: Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatten ähnlich zugeschnittene Ministerien, die Achse zwischen Berlin und Düsseldorf sollte die grüne Transformation tragen. Nun ist Habeck weg. Die Landespartei muss an ihrem Profil arbeiten.

Bislang hat die NRW-Koalition aus CDU und Grünen bei Kontroversen den Lautstärkeregler auf die Stufe "geräuschlos" runtergedimmt. Selbst weitgehende Entscheidungen in der Sicherheitspolitik nach dem Anschlag von Solingen trugen die Bündnisgrünen nahezu klaglos mit. Doch die NRW-Grünen müssen mit Blick auf die Landtagswahlen 2027 auch auf ihre Profilierung achten. Schwarz-Rot ist eine Koalitionsoption, die künftig auch in Nordrhein-Westfalen wohl häufiger durchdacht wird. Schwarz-Grün jedoch als Auslaufmodell zu bezeichnen, ist verfrüht. Eine Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD muss sich erst mal bewähren.

Wer führt die SPD im Landtagswahlkampf an?

Bärbel Bas | Bildquelle: Thomas Banneyer/dpa

Die SPD bleibt in der Bundesregierung, wenn auch als stark geschrumpfter Juniorpartner. Die NRW-SPD ist in der abgewählten Bundesregierung mit Svenja Schulze und Karl Lauterbach vertreten. Bei beiden wird angezweifelt, dass sie weiterhin ein Ministerium leiten werden. Als wahrscheinlich gilt hingegen, dass die Duisburgerin Bärbel Bas Ministerin wird. Sie hat sich als Bundestagspräsidentin, dem zweithöchsten Amt im Staat, Respekt und Sympathie erworben - weit über den Bundestag hinaus.

Die "WAZ" spekuliert bereits, dass Bärbel Bas 2027 "eine unangenehme Herausforderin für Ministerpräsident Wüst" werden könnte. Auch hier gilt es abzuwarten, wie sich Bas gegebenenfalls als Ministerin schlagen wird. Und wie Jochen Ott unter den geänderten Vorzeichen im Landtag Akzente setzen wird.

FDP mit neuer parlamentarischer Verantwortung

Henning Höne | Bildquelle: WDR

Der FDP-Fraktions- und Landesvorsitzende Henning Höne trägt künftig die Verantwortung, eine FDP im Umbruch parlamentarisch zu repräsentieren. Mit dem deutlichen Scheitern der FDP bei der Bundestagswahl ist sie in nur noch 8 von 16 Länderparlamenten vertreten. In Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ist sie noch Teil der Landesregierung. In beiden Bundesländern wird im nächsten Frühjahr ein neuer Landtag gewählt – mit offenem Ausgang für die FDP.

Hönes Vorgänger im Landesvorsitz, Christian Lindner, nutzte die Bühne im Düsseldorfer Landtag in Zeiten der außerparlamentarischen Opposition im Bund, für einen Wiederaufbau der Bundespartei. Aber diese Rolle wird Höne nicht einnehmen, den Bundesvorsitz der Partei hat er ausgeschlossen.

Gewichteverschiebung bei der AfD

Die AfD hat im Bund mit einer Verdopplung ihrer Sitze an Gewicht gewonnen, auch die NRW-Landesgruppe ist stark angewachsen. Der rechtsextreme Matthias Helferich aus Dortmund, der in der letzten Legislaturperiode als Fraktionsloser im Bundestag saß, ist nun Teil der dortigen AfD-Fraktion. Eine Entwicklung, die auch Einfluss auf NRW hat: Das vom AfD-Landes- und Fraktionschef Martin Vincentz einst gepflegte moderate Gegenmodell zur radikalen Ost-AfD bröckelt immer mehr.

Unsere Quellen:

  • eigene Recherche