Immer mehr Ungereimtheiten beim Staatskanzlei-Umbau

Stand: 31.03.2025, 14:15 Uhr

Auswertungen zahlreicher Akten zeigen immer deutlicher, dass es beim Umbau der NRW-Staatskanzlei drunter und drüber gegangen ist. Ex-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) rückt dabei immer mehr in den Fokus.

Von Christoph Ullrich

Als die "neue" Staatskanzlei am Rhein saniert werden sollte, wusste man beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) schon, was einen erwartete. Der Umbau wurde der höchsten Risikoklasse zugeordnet. "Änderungswünsche sind bei einem anspruchsvollen Kunden in einem repräsentativen Gebäude nicht auszuschließen", heißt es in einem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte.

Mit dem angesprochenen Nutzer als zusätzliches Risiko war die Regierungszentrale des damaligen Ministerpräsident Armin Laschet gemeint. Der hatte 2017 die Landtagswahl gewonnen und kurz nach Amtsantritt auf den Weg gebracht, in das bisherige Landeshaus zu ziehen. Es war ein nachvollziehbarer Schritt, nachdem seine Vorgänger über den bisherigen Dienstsitz nie glücklich waren.

Nicht die erste Wende

Weder Peer Steinbrück (SPD) noch Jürgen Rüttgers (CDU) oder gar Hannelore Kraft (SPD) fühlten sich im sogenannten "Stadttor", einem voll verglasten Bürogebäude, wirklich wohl. Und repräsentativ war dort auch nur das wenigste. Laschet vollzog also den Umzug in das wesentlich schönere Haus. Nur hatte das fast 20 Jahre keine wirkliche Instandhaltung gesehen. Eine Sanierung war unausweichlich.

Die beschäftigt allerdings inzwischen die Staatsanwaltschaft Wuppertal. Bei der Vergabe von Aufträgen ist es offenbar nicht mit rechten Dingen zugegangen. Seit Razzien im Januar hat die Geschichte des Umbaus mehrere dramatische Wendungen genommen.

Glaubte man zwischenzeitlich an Korruption im landeseigenen Baubetrieb BLB, so gelten dessen Mitarbeiter inzwischen als entlastet. Der von Deloitte verfasste Bericht sieht keine gravierenden Anzeichen für kriminelle Vorgänge. Stattdessen rücken die Umstände, die eine mögliche Korruption bei der Vergabe von Lampen begünstigt haben könnten, immer mehr in den Fokus.

Hohe Priorität und Druck

So wird in dem Papier, das dem WDR vorliegt, mehrfach eine "Drucksituation" hervorgehoben, die es rund um die Sanierung gab. Neben dem BLB als eigentlichem Bauherrn stand auch das Bauministerium der damaligen und heutigen Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) mit in der Verantwortung, da der sicherheitstechnische Bereich beim Ministerium lag. Und das stellte schnell klar, was es vom Landesbetrieb erwartet: "eine hohe Priorität".

"Möglicherweise müsse der BLB andere Projekte hintanstellen, da die Sicherung auch beim BLB die höchste Priorität haben müsse", zitiert das Papier aus einem Protokoll. Die Staatskanzlei sieht auf Nachfrage ein "ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln", dass zugunsten der Objektsicherung und damit des Regierungschefs priorisiert wurde.

Die sich daraus ergebenden Probleme und Kostensteigerungen haben aber oft wenig mit Sicherheitsfragen zu tun. So gab es zum Beispiel - wie der WDR bereits berichtete - ausgefeilte Wünsche nach einer raffinierten Lampe für den Kabinettssaal. Oder es wurden Schrankausstattungen mit Vergaben für Lampen verrechnet.

Im Mittelpunkt steht aber weiterhin die offenbar rechtswidrige Beauftragung des Architekten, der ohne größere Ausschreibung den Umbau verantwortet. Dieser, so schreibt es Deloitte, sei der Favorit des Ministerpräsidenten gewesen. An mehreren Stellen verweisen die Prüfer auf Protokolle, in denen steht, dass der damalige-Ministerpräsident Laschet sich den Architekten wünsche.

Eine Notiz und das fehlende Protokoll

Die Staatskanzlei verweist zwar schon länger auf eine handschriftliche Notiz einer Mitarbeiterin für eine weitere Sitzung zwischen BLB, Staatskanzlei und Bauministerium. Darin ist für das Treffen vermerkt, intern sei zu klären, ob der Architekt "beauftragt und die StK das nicht als ausdrücklichen Wunsch formuliert hat, dass er beauftragt wird. BLB wird 2-3 andere auffordern müssen".

Die Sitzung, in der die Mitarbeiterin das vorgebracht haben könnte, soll am 15.2.2018 stattgefunden haben. Allerdings liege der Staatskanzlei dazu kein Protokoll vor, antwortet ein Sprecher auf WDR-Anfrage. Auch im Prüfbericht Deloittes findet sich dazu keine Niederschrift. Damit ist bisher nicht zweifelsfrei zu belegen, ob die Staatskanzlei tatsächlich versucht hat, auf Risiken einer zu schnellen Vergabe zu verweisen.

"Das ist ein Rechtsverstoß!"

Der Bericht der Wirtschaftsprüfer legt sogar nahe, dass es außerhalb des BLB keine kritischen Hinweise gegeben habe, sondern man Laschets Wunsch schnell umsetzte. So wird eine Mail-Korrespondenz des BLB-Justiziariats erwähnt. Es habe eine "De-Facto-Vergabe stattgefunden". Mit weitreichenden Folgen: "Es hat eine Auftragserteilung ohne ein Vergabeverfahren stattgefunden. Das ist ein Rechtsverstoß", heißt es in einer Mail. Der Vergabeverstoß sei somit "auch nicht mehr zu heilen. Wir müssen Schadensbegrenzung betreiben", stellt das Justiziariat fest.

Infolge dessen versuchen die BLB-Abteilungen, die schon fortgeschrittenen Leistungen rechtlich haltbar zu machen und erstellen entsprechende Vergabevermerke. Offenbar hat der vermeintliche Laschet-Wunsch weitreichende Folgen.

Auch sonst rückt das Papier die Staatskanzlei in kein gutes Licht. So wird auf teils spontan einberufene Veranstaltungen und Pressekonferenzen verwiesen, die zu Unterbrechungen der Bauarbeiten führten. Dadurch seien Mehrkosten von 143.000 Euro entstanden. Auf die Frage, warum die Staatskanzlei in der Zeit nicht auf ausreichend vorhandene Räume im benachbaren Landtag ausgewichen ist - zum Beispiel bei der Landespressekonferenz -, erklärt ein Sprecher, dass "alle interessierten Medienvertreterinnen und -vertreter Zugang haben." Deshalb habe man eigene Räume im Landeshaus genutzt.

Ursprung des Skandals in der Staatskanzlei?

Auch habe es Planänderungen von Wünschen gegeben, die teilweise nur von der Staatskanzlei freigeben worden sind, "ohne erkennbare Freigabe des BLB-NRW", so die Wirtschaftsprüfer. Zwar stehe das nicht in Zusammenhang mit Kostencontrolling, sagt die Staatskanzlei. Dennoch handele es sich um eine "Dokumentation getroffener Entscheidungen", erklärt ein Sprecher.

Schon vor Bekanntwerden des Berichts hatte die Opposition gemutmaßt, dass "der Ursprung des Skandals offenbar in der Staatskanzlei liegt". So zumindest sagte es der SPD-Politiker Christian Dahm. Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss wollte man daher nicht ausschließen. Allerdings - so heißt es hinter vorgehaltener Hand bei allen Fraktionen - herrsche inzwischen eine gewisse Müdigkeit vor, solche Ausschüsse einzurichten. Alleine fünf Stück setzen sich aktuell mit möglichen Fehlern der seit 2017 von der CDU geführten Landesregierungen auseinander.

Unsere Quellen:

  • BLB-Prüfbericht Deloitte
  • Interner Revisionsbericht BLB
  • Interner Prüfbericht Staatskanzlei NRW
  • Stellungnahme SPD-Landtagsfraktion
  • Stellungnahme Staatskanzlei
  • Landtags-Drucksache 18/3588
  • Eigene Recherche