Lukas nimmt an einem Poetry Slam teil und findet endlich die Worte, das Erlebte zu beschreiben. Ein klarer Aufruf gegen Mobbing und für Lukas der Schlüsselmoment, der sein Leben endlich zum Positiven verändert.
WDR: Wie hat der Poetry Slam dein Leben verändert?
Lukas Weigert: Das war irgendwie so der Schlüsselmoment für mich, dass ich damit aufhören möchte, mich unterkriegen zu lassen. Dass ich lernen möchte, zu mir zu stehen und ein ganz klares Zeichen auch in der Stufe setze, dass das für mich nicht so weitergeht.
Das war auch der erste Moment für mich, wo ich dachte, ich kann jetzt alles schaffen und der ist verantwortlich für so viel Selbstbewusstsein, was ich heute in mir trage, weil ich mich vor so viele Menschen gestellt habe und gesagt habe, so geht das für mich nicht weiter, so fühlt sich das für mich an.
Ich habe niemanden angesprochen, "Hey, du machst das falsch". Ich habe die Perspektive von mir aus vorgetragen und wollte eigentlich mehr für mich sensibilisieren.
WDR: Wie hast du Mobbing erlebt?
Weigert: Wenn ich im Unterricht saß, in einem Kurs nur etwas zu einer Freundin gesagt habe oder mich melden wollte, kam aus einer anderen Reihe von drei verschiedenen Menschen immer ein Kommentar : "Wer hat dich gefragt? Was willst du? Guck nicht, glotz nicht."
In dem Moment zuckt man erst mal zusammen. Fragt sich: "Was habe ich jetzt gemacht?" Anfangs verdrängt man das. Doch es passierte immer und immer wieder. Schwuchtel, Speckroulade, Schwanzlutscher und mehr wurden mir täglich an den Kopf geworfen.
Und irgendwann war es halt normal für mich. Ich habe mich daran gewöhnt, ich habe das auch nicht mehr hinterfragt. Das war der Umgang, den ich anscheinend so verdient habe oder an den ich mich jetzt gewöhnen muss.
WDR: Was macht das mit einem? Was hat das mit dir gemacht?
Weigert: Ich habe mich leer gefühlt und ich habe mich schlecht gefühlt, weil ich mich dafür geschämt habe, dass ich lebe. Ich glaube, ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich mich nicht mehr gesehen. Wenn ich in den Spiegel geguckt habe, habe ich jemand anderes gesehen.
Ich war von mir entfremdet. Ich hatte täglich Schuldgefühle - Schuldgefühle, weil ich war ja schuldig, dass ich noch da bin. Dass andere Menschen diese Bürde bekommen, um mit mir umgehen zu müssen.
Und ich habe mir eigentlich jeden Tag nicht nur einmal gewünscht, dass ich jetzt einfach umfalle, einfach tot bin. Dass ich nicht mehr weiter leben muss, um die anderen zu belasten und damit auch der Schmerz für mich endlich aufhört.
WDR: Was glaubst du - was sind die richtigen Schritte, um gegen Mobbing vorzugehen?
Weigert: Zuerst sollte Mobbing anerkannt werden. Etwas, was ich in der Vergangenheit nicht wahrgenommen habe. Denn an meiner Schule gab es die Schulpolitik - es gab kein Mobbing. Das ist ein Problem. Kinder, Lehrer aber auch Eltern müssten mehr dafür sensibilisiert werden.
Ich hatte damals vor, eine Selbsthilfegruppe oder Anlaufstelle in der Schule zu gründen. Ich wollte anderen Schülern helfen, ihnen eine Möglichkeit geben, sich zu öffnen. Leider ist diese Gruppe damals nicht genehmigt worden. Dabei wäre es meines Erachtens eine einfache und garantiert sehr effektive Möglichkeit der Hilfe gewesen.
WDR: Was möchtest du Menschen mit auf den Weg geben, die Mobbing erfahren?
Weigert: Ich würde gerne den Menschen da draußen, die von Mobbing betroffen sind, sehr viel Mut zusprechen. Mut, sich dagegen zu wehren, Mut zu sich selbst zu stehen und ganz viel Kraft und auch Freude mitschicken.
Ich wünsche mir, dass sie ihren Weg finden, damit umzugehen, so wie ich meinen Weg gefunden habe. Dass sie großartig sind, wie sie sind und dass sie bedingungslos auch anerkannt und geliebt werden dürfen und sich selbst auch anerkennen und lieben dürfen.
Das Interview führte Elisabeth Konstantinidis
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