Martin Schmitz tritt im Messdienergewand auf die Bühne und stellt sich vor. Wie er heißt, dass er Möbel baut und einen Kaffeeröster zu Hause stehen hat. Martin Schmitz ist kein Schauspieler, er ist der Martin Schmitz, der als Kind hundertfach von einem Kaplan vergewaltigt worden ist.
"Martin, auf die Knie" habe der Kaplan damals zu ihm gesagt, und dann erzählt er im Wechsel mit Schauspielern des Theaters Münster, was damals in der Sakristei passiert ist: Schonungslos, so dass es den Zuschauern den Atem stocken lässt.
Regisseurin hat gezielt Betroffene gefragt
Auch Melanie Hach hat als Kind erst zuhause und dann in einem Kinderheim in Münster-Handorf schwere sexuelle Gewalt erlebt. Auch sie hat zugesagt, als die amerikanische Regisseurin Karen Breece sie gefragt hat, ob sie ihre Geschichte öffentlich erzählen will. Sie will, und jetzt trägt sie auf der Bühne Zöpfe und sitzt auf einer Schaukel. Auch ihre Geschichte wird wechselweise von ihr selbst und den drei Profi-SchauspielerInnen erzählt.
"Am Anfang der Proben war es oft schwer", sagt Martin Schmitz, da habe er manchmal den Probenraum verlassen müssen. Inzwischen ist er froh, dass er durchgehalten hat. "Es hat eine große Wirkmächtigkeit, wenn wir das hier direkt vor dem Publikum erzählen", hofft Schmitz.
„Kinderhäuser“ – und der wahre Fall
Das ist auch die Intention von Karen Breece. Sie hat lange für das Stück recherchiert, hat mit Betroffenen gesprochen und Beratungsstellen besucht. Sie war auch in Kinderhaus, in dem Kleingarten, wo zwei kleine Jungen von vier Männern über zwei Tage sexuell missbraucht wurden.
Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was der Münsteraner Haupttäter Kindern angetan hat. Darum ist der Fall Kinderhaus auch Teil und Namensgeber des Stücks.
Therapeuten bei Proben und Aufführung dabei
Schon während der Proben waren immer Therapeuten dabei, die den Betroffenen auf der Bühne helfen konnten. Dahinter steckt der Verein "Zartbitter e.V." aus Münster, der Kindern und Jugendlichen, die sexuelle Gewalt erleben oder erlebt haben, hilft.
Mitarbeiter des Vereins sind auch bei den Aufführungen mit einem Beratungsstand vor Ort und Ansprechpartner für Besucherinnen und Besucher.
Thema soll sichtbar werden
Es könnte kaum ein schwereres Thema für einen Theaterabend geben und dennoch ist es so wichtig, findet Regisseurin Breece.
Sie macht es so, dass man zwischendurch sogar mal lachen kann. Zum Beispiel, wenn es um die Kühe von Melanie Hach geht, die als Mutter von 5 Kindern inzwischen als Bäuerin in Bayern lebt.
Premiere am Freitag
Jetzt sind alle sehr gespannt, wie das Stück beim Publikum ankommt. Die Premiere am Freitagabend ist bereits ausverkauft. Danach wird es sieben weitere Aufführungen geben.
Unsere Quellen:
Über dieses Thema berichtet der WDR am 15.03.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit Münsterland und im Radio auf WDR 2.