Nach EM-Aus: Stille, ungläubige Gesichter, grenzenlose Trauer

Stand: 05.07.2024, 22:14 Uhr

Fußball-Frust statt dicker Party: Die Deutschen spielten zwar in Stuttgart, doch auch das Ruhrgebiet hat mitgefiebert. Beim Public Viewing gab es großen Andrang.

Von Sebastian Tischkov

Na, das Wetter ist ja schon mal "typisch deutsch" - irgendwie. Nieselregen und graue Wolken zwei Stunden vor Anpfiff. Aber nur weil es im "Sommermärchen 2.0" wenig Sommerwetter gibt, heißt das nicht, dass die Dortmunder sich davon die Laune vermiesen lassen.

Pille, Petra und Marion sind Dortmunderinnen durch und durch, am Freitag aber in "Schwarz-Rot-Gold" unterwegs. Fanschminke, Blumenkette und Trikot dürfen bei den dreien einfach nicht fehlen. Und sie sagen: "Das erste Bier, das geht auch schon um 16 Uhr."

Dortmunder Fans können Party

Die Public-Viewing-Fläche kennen die drei aus Dortmund ziemlich gut. "Von den Spielen von Borussia Dortmund ist eigentlich bekannt, dass der Friedensplatz sehr voll ist. Und wir dachten, dann sind wir zeitig hier. Aber ich hoffe, es kommen noch ein paar."

Petra soll Recht behalten - schon eine Stunde später ist es deutlich voller, aber es gibt noch genug Platz. 6.500 Fans passen auf den Friedensplatz. Die Prognose fürs Spiel ist glasklar: "Ein knappes 2:1 für Deutschland." Ihre Freundin Pille ergänzt: "Wer heute gewinnt, der wird auf jeden Fall Europameister".

Heute eher die Ausnahme: Ein Spanien-Fan in Dortmund | Bildquelle: WDR / Sebastian Tischkov

Nur ganz wenige Spanien-Fans verirren sich auf den Platz - und dann gibt es sogar diejenigen, die beide Flaggen auf der Wange haben. Der 25-jährige Miguel hat sich links die Deutschland-Flagge aufgemalt. Und rechts die der Spanier.

Für jedes Ergebnis vorbereitet

Damit hört's aber nicht auf: "Ich habe auch noch ein Spanien-Trikot drunter und einen Spanien-Schal", sagt er. Und zieht noch eine Spanien-Flagge aus der Hosentasche. Beste Vorbereitung für eine rauschende Sieges-Party eben, egal wer gewinnt.

"Entweder ein 2:1 für Deutschland oder 2:1 für Spanien. Ich bin für Beide" und löst schnell auf: Er ist Halb-Spanier. Eine komfortable Situation, in der er am Freitag in Dortmund nicht der einzige ist.

Pilar ist bestens vorbereitet: Mit beiden Flaggen | Bildquelle: WDR / Lars Faulenbach

Pilar war nicht nur fürs Fußballgucken da, auch für die Band, die vorher aufgetreten ist. "Ich geh' heute als Siegerin raus, egal wer gewinnt", sagt sie einem WDR-Reporter auf dem Friedensplatz - mit der Spanien-Flagge vorn und der Deutschen hinten.

Doch die Fans der deutschen Nationalelf sind natürlich in der Überzahl. Und die sorgen in Dortmund für so viel Stimmung - das haben Musiala, Kroos und Co. eigentlich auch knapp fünf Autostunden entfernt sicher gespürt.

Die erste Hälfte plätscherte aber auch für die Dortmunder Fans so vor sich hin. Als Spanien zunächst in Führung geht: Ungläubige Gesichter. Dann presste die Nationalmannschaft vorne immer weiter - und auch die deutschen Fans legten los.

Immer wieder Jubel beim Fan-Fest

Laut wurde es bei jeder Ballannahme. Auch Birgit und Kirsten aus Dortmund fieberten lauthals mit. Schon als Kinder standen die zwei Frauen immer wieder in der Südkurve im BVB-Stadion.

Mit dem Alter wird so ein Fußballspiel aber so ziemlich zum Kampf: "Ich schaff das gar nicht mehr", sagt Kirsten. Bei jedem gewonnenen Zweikampf der Spanier zeigt sich das blanke Entsetzen in ihrem Gesicht.

Ihre Schwester Birgit kniet sich kurz vor Spielende auf den Boden, betet offenbar. Ob's hilft? 89 Minute - wie aus dem Nichts: Der Anschlusstreffer. Wirtz trifft. Birgit hätte es eh schon geahnt, sagt sie. Die Dortmunder liegen sich in den Armen.

Auch in der Verlängerung geben die Fans alles

In der Verlängerung wird der Nationalelf groß zugejubelt. Als würden sie den Dortmunder Friedensplatz in ihrer Schulter spüren, machen sie auf dem Platz immer mehr Druck. Und dann sind es doch die Spanier, die kurz vor Ende wieder zuschlagen. Stille. Ungläubige Gesichter. Grenzenlose Trauer.

Kirsten findet gar keine Worte dafür, ihre Schwester ist bitter enttäuscht. Abpfiff. Der Friedensplatz leert sich schlagartig. Hier und da kullert eine Träne, enttäuscht sind alle. Ein Fan sagt einfach nur: "Das ist beschissen."

Grenzenlose Freude bei den wenigen Spaniern

Die Spanien-Fans dagegen: Im Rausch. Man kann sie nur an einer Hand abzählen auf dem Friedensplatz, doch ihre Freude ist nicht zu überhören. "Ich wohne seit zehn Jahren in Deutschland", sagt eine Frau. "Kroos ist damit in Rente gegangen. Er kann den Brief bei der Rentenversicherung machen. Deutschland ist raus und wir haben jetzt Ruhe!"

So hart es ist - die Dortmunderin hat wohl Recht. Eine Niederlage gegen den möglichen späteren Europameister? Das wäre am Ende wohl doch für die meisten Fans ganz okay.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Fans vor Ort