1949 bringen sich mehrere Städte ins Gespräch als zukünftiger Regierungssitz. Bonn und Frankfurt liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide starten Werbekampagnen und wollen bei den Abgeordneten und den Menschen in Deutschland Stimmung machen. Bonn wirbt mit schönen Fotos, mit der Lage am Rhein, mit ausreichend Wohnraum für die Abgeordneten und einer guten Verkehrsanbindung.
Die Abstimmung 1949 über die Stadt, die künftig Hauptstadt werden sollte, sollte knapp werden. Wie knapp es war, das bekam besonders Walter Kolb zu spüren. Der Frankfurter SPD-Oberbürgermeister war sich seines Sieges so sicher, dass er vor der Abstimmung eine Radioansprache aufnahm. Die Stadt Frankfurt habe die Nachricht, dass sie zur Bundesstadt gewählt wurde, keineswegs mit dem Gefühl eines Triumphes aufgenommen.
Frankfurter OB unterschätze Machtpolitiker Konrad Adenauer
Offenbar hatte Kolb seinen Gegner unterschätzt: Konrad Adenauer, den Machtpolitiker. Adenauer habe sich durch seine Bedenkenlosigkeit bei der Wahl der Mittel ausgezeichnet, sagt Holger Löttel von der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus.
Die Werbebroschüren beider Städte verwahrt das Haus der Geschichte in Bonn. Laut Sammlungsdirektor Manfred Wichmann schufen Bonn und Frankfurt Fakten, indem sie noch vor der Entscheidung über die Bundesstadt Plenarsäle in ihren Städten bauten.
Hessische CDU-Abgeordnete wollen für Frankfurt stimmen
Adenauer favorisiert Bonn als Regierungssitz, gegenüber auf der anderen Rheinseite steht sein Wohnhaus in Rhöndorf. Doch der Politologe Prof. Volker Kronenberg von der Universität Bonn hält einen anderen Grund für ausschlaggebend. Adenauer habe die Nähe zum Westen, vor allem zu Frankreich gesucht und habe sich im katholisch-konservative Rheinland besser von Preußen absetzen können.
Adenauer setzt auf Fakenews - 75 Jahre alter Zettel
Doch der Taktiker Adenauer hat das Problem, dass nicht alle Abgeordneten von CDU/CSU für Bonn stimmen wollen. Die Vertreter aus Hessen setzen sich klar für Frankfurt ein, auch aus Bayern kommt Widerspruch. Den Grund für die Wende findet man im Kellerarchiv der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus. Zwischen vielen Akten aus dem Nachlass Adenauers steckt ein 75 Jahre alter Zettel. Es ist eine Agenturmeldung.
Der CDU-freundliche Journalist Franz Hange schreibt über angebliche Interna aus der SPD. Wenn Frankfurt Hauptstadt werde, wäre das ein taktischer Erfolg für die SPD im Wahlkampf. Das sind Fakenews, die Meldung wird nie veröffentlicht, aber Adenauer bekommt eine Kopie.
200 Stimmen für Bonn, 179 für Frankfurt
Mit dieser Meldung sei er vor die Unionsabgeordneten getreten und habe Geschlossenheit bei der Standortfrage gefordert, sagt Löttel. Tatsächlich gewinnt Bonn die erste Abstimmung im Parlamentarischen Rat knapp mit 33 zu 29 Stimmen vor Frankfurt. Am 3. November 1949 bestätigt der Bundestag diese Entscheidung. Diesmal sind es 200 zu 179 Stimmen, die Bonn und Adenauer siegen lassen.
Unsere Quellen:
- Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus
- Haus der Geschichte
- Uni Bonn
Über dieses Thema berichten wir auch in der Lokalzeit aus Bonn am 31.10.