Explosion in Köln

Aktuelle Stunde 18.09.2024 26:25 Min. UT Verfügbar bis 18.09.2026 WDR

Zwei Explosionen in Köln: Was wir bisher über die Täter wissen

Stand: 19.09.2024, 16:14 Uhr

Mitten in Köln hat es innerhalb weniger Tage Explosionen vor der Disco Vanity und im Bekleidungsgeschäft LFDY gegeben. Die Polizei fahndet nach einem Täter und prüft Zusammenhänge. Was wir bisher über Täter und Motive wissen.

Nachdem am Montagmorgen eine Explosion vor dem Vanity Club am Hohenzollernring bereits die Kölner Innenstadt erschüttert hatte, gab es in der Nacht auf Mittwoch den nächsten Knall - vor dem beliebten Bekleidungsgeschäfts LFDY ("Live Fast Die Young") in der Ehrenstraße. Bei der Explosion am Montag wurde eine Person leicht verletzt.

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag teilte die Kölner Polizei mit, dass man zwar mit Hochdruck arbeite - aber noch keine Ermittlungserfolge präsentieren könne. Der Kölner Kripo-Chef Michael Esser sagte aber, dass eine Verbindung der Taten zu Organisierter Kriminalität in den Niederlanden auf der Hand liege. Der Täter der Explosion am Vanity-Club sei offenbar eingereist, es werde international nach ihm gesucht.

Polizei: Verbindungen zwischen beiden Explosionen möglich

Der Kölner Kripo-Chef Michael Esser (links) und Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer geben eine Pressekonferenz.

Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Außerdem gebe es Hinweise, dass es Verbindungen zwischen den beiden Explosionen geben könnte. Das könne die Polizei aber noch nicht bestätigen. Das Ziel der Explosion am Mittwoch war ein Modeladen der Marke LFDY. Die Polizei prüfe auch, ob es einen Zusammenhang mit einer vorherigen Explosion an einem Laden der Kette in Amsterdam gebe.

Die Polizei Köln nehme die Sorgen der Bürger und Geschäftstreibenden ernst und unternehme alles, um die Verantwortlichen zu ermitteln. Es gebe verstärkte Personenkontrollen in Köln. Hinweise aus der Bevölkerung könnten entscheidend sein, sagten die Ermittler.

1,80 Meter großer, schlanker Mann

Am Mittwochnachmittag hatte Polizeisprecher Philipp Hüwe mitgeteilt, dass man nach der zweiten Explosion aufgenommene Spuren und Zeugenaussagen auswerte, um mutmaßliche Täter gegebenenfalls besser beschreiben zu können. Eine Videoaufnahme wie bei der ersten Explosion in der Nacht von Sonntag auf Montag, mit deren Hilfe die Polizei nach dem mutmaßlichen Täter fahndet, gebe es nicht.

Zeugen wollen aber um 5 Uhr morgens einen 1,80 Meter großen, schlanken Mann dabei beobachtet haben, wie er die Frontscheibe des Bekleidungsgeschäfts LFDY ("Live Fast Die Young") in der Ehrenstaße eingeschlagen habe. Er soll eine Tüte in dem Geschäft deponiert haben, die offenbar einen Sprengsatz enthielt und kurze Zeit später explodierte. Anschließend soll er den Aussagen zufolge Richtung Mittelstraße geflohen sein.

Hinzugekommener Passant in Köln unverletzt

Ein Passant, der das nach der Explosion ausgebrochene Feuer bemerkt habe, sei in das Geschäft gegangen und habe Kleidung nach draußen geworfen. Rettungskräfte hätten sich später um ihn gekümmert - er sei nach jetzigem Kenntnisstand unverletzt, so der Polizeisprecher. Warum er in den Laden gegangen war, sei unklar.

Scherben und Kleidungstücke liegen vor einem Geschäft in der Ehrenstraße in Köln

Das Bekleidungsgeschäft LFDY nach der Explosion

Weniger Glück hatte eine Reinigungskraft bei der Explosion in der Vanity-Disco. Sie wurde durch den Knall leicht verletzt, sei nach ambulanter Behandlung aber wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Explosionen zu ähnlichen Zeiten mit Sprengsätzen in Tüten

Parallelen zwischen den beiden Explosionen gibt es auf jeden Fall - zeitlich wie auch im Ablauf. Der Sprengsatz am Montag wurde laut Polizei am Montag um 5.45 Uhr vor dem Vanity Club platziert, ebenfalls in einer Tüte. Diese sei ebenfalls explodiert.

Auswirkungen einer Explosion vor dem Vanity Club in Köln

Der zerstörte Eingangsbereich des Vanity Clubs

Zu den verwendeten Sprengstoffen hatte die Polizei zunächst keine Angaben gemacht. Man müsse abwarten, "was genau explodiert ist". Da seien externe Gutachten angefordert. Die Experten der Ermittlergruppe gehen davon aus, dass "es sich um eine Art Brandbeschleuniger gehandelt haben muss".

Verdächtiger platziert Sprengstoff

Verdächtiger platziert Sprengstoff vor dem Vanity Club.

Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Explosionen gegen Menschen gerichtet seien. Gebäude seien das Ziel gewesen, so die Polizei.

Gerüchte über Verwicklung der "Mocro-Mafia"

Es kursieren Gerüchte, die "Mocro-Mafia" aus den Niederlanden können in Explosionen verwickelt sein, von denen es in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe in NRW gab - neben Köln auch in Duisburg und Engelskirchen. Unter dem Begriff "Mocro-Mafia" werden Drogenhändler aus dem Nachbarland zusammengefasst, die teils eine marokkanische Herkunft haben.

Oberstaatsanwalt Bremer ging bei der Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag auch auf diese Spekulationen ein. "Mocro-Mafia" sei zwar "ein griffiger Begriff für die Medien", aber nichts, mit dem man strafrechtlich arbeite. "Wir ermitteln wegen bandenmäßigen Handelns", sagte Bremer.

Vor Haustür sprengen - in den Niederlanden hunderte Male im Jahr

Die Explosionen tragen laut Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, auf jeden Fall die Handschrift der Organisierten Kriminalität in den Niederlanden: "Was wir definitiv wissen ist, dass diese Methoden, vor Haustüren zu sprengen, in den Niederlanden mehrere hunderte Male im Jahr angewendet werden." Solche Anschläge sollen eine Botschaft ins kriminelle Milieu senden, sagt Huth: "Wir wissen, wo du bist. Wir können dich jederzeit erreichen."

"Klare Handschrift der organisierten Kriminalität. Es ist sehr beunruhigend, was da passiert." Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter
Oliver Huth, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, im WDR-Interview.

BDK-Landeschef Oliver Huth

Ob man es bei den beiden Explosionen tatsächlich mit solchen Strukturen zu tun habe, müssten die Ermittlungen zeigen.

Professor Arndt Sinn von der Universität Osnabrück

Professor Arndt Sinn von der Universität Osnabrück

Professor Arndt Sinn von der Universität Osnabrück, der zu organisierter Kriminalität forscht, sieht in den jüngsten Vorfällen in NRW eine neue Dimension der Gewalt: "Die Gewaltexzesse, die wir im Moment sehen und die gehäuft auftreten - auch in sehr kurzen Abständen - zeigen, dass die kriminellen Akteure keine Angst mehr davor haben, entdeckt zu werden. Sie nehmen den Rechtsstaat nicht mehr als wehrhaft wahr." Das sei eine sehr "besorgniserregende Entwicklung".

Unsere Quellen:

  • Polizei und Staatsanwaltschaft Köln
  • Reporter vor Ort
  • Nachrichtenagentur dpa

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 19.09.2024 auch im Fernsehen - zum Beispiel hier: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.

Hinweis der Redaktion zum Begriff "Mocro-Mafia": Auch wir verwenden diese Bezeichnung, weil sie weit verbreitet ist. Da die Bezeichnung umstritten ist, setzen wir sie in Anführungszeichen. Denn anders als der Name suggeriert, besteht das Netzwerk den Daten zufolge nicht ausschließlich aus Mitgliedern mit marokkanischen Wurzeln. Vielmehr handelt es sich um multinationale Banden, die etwa Kontakt zu spanischen Kriminellen halten und vor allem Geschäfte mit Kokain und Cannabis machen.

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