Kriminalität in NRW | WDR Aktuell
01:40 Min.. Verfügbar bis 12.03.2027.
Weniger Raub und Diebstahl, mehr Cybercrime in NRW
Stand: 12.03.2025, 17:26 Uhr
Die Kriminalität insgesamt ist im vergangenen Jahr in NRW nahezu gleichgeblieben. Aber es gab mehr Morde und Cybercrime.
Von Rainer Striewski
Nach einem Anstieg in den beiden Vorjahren ist die Kriminalität in NRW im vergangenen Jahr um ein Prozent gesunken. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2024 hervor. Demnach hat die Polizei im vergangenen Jahr knapp 1,4 Millionen Straftaten erfasst. 53,5 Prozent von ihnen konnten aufgeklärt werden.
"Das ist aber kein Grund, Konfetti zu schmeißen", betonte NRWs Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Vorstellung der Zahlen. Aber der Anstieg der Fallzahlen konnte immerhin "erfolgreich ausgebremst" werden.
Steigerung bei Cybercrime

Fälle von Computerbetrug gestiegen
Die etwas gesunkenen Fallzahlen sind laut Innenministerium insbesondere auf den Rückgang in den Bereichen Diebstahl (-1,3 Prozent), Raub (-7,3 Prozent) und Waren- und Warenkreditbetrug (- 6,4 Prozent) zurückzuführen. Anstiege gab es hingegen in den Bereichen Einbruch (+5,2 Prozent), Körperverletzung (+1,7 Prozent) sowie Cybercrime. Darunter fallen Straftaten wie Computersabotage, Computerbetrug oder Datenhehlerei. Hier wurden mit 22.800 Fällen 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr erfasst.
2024 wurden 493.389 Tatverdächtige ermittelt, 2,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei den Straftaten ohne ausländerrechtliche Verstöße lag der Anteil nicht deutscher Verdächtiger bei 35,6 Prozent.
Mehr Morde, weniger Totschlag
Mord, Totschlag, Raub oder auch schwere Körperverletzung zählen zur Gewaltkriminalität. Hier wurden 2024 rund 55.600 Delikte erfasst, das sind 0,4 Prozent weniger als im Vorjahr.
Allerdings ist die Zahl der Morde und Mordversuche gestiegen. 2024 wurden laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) 180 Morde bzw. Mordversuche erfasst, 2023 waren es 154. Im Gegensatz dazu sind die Fälle von Totschlag gesunken - von 315 in 2023 auf 297 im vergangenen Jahr. In 346 dieser Fälle blieb es beim Mord- bzw. Tötungsversuch. Die Aufklärungsquote lag hier bei 93,1 Prozent.
Messerattacken deutlich gestiegen
Ebenfalls gestiegen sind die registrierten Fälle, in denen ein Messer als Tatmittel eingesetzt bzw. damit gedroht wurde. Hier stieg die Zahl um 20 Prozent auf 7.295 Fälle. Das Landeskriminalamt (LKA) hatte bereits im Herbst 2024 eine Sonderauswertung zu Messergewalt im öffentlichen Raum erstellt:
Mit rund 100.000 Ladendiebstählen wurden 2024 5,1 Prozent weniger erfasst als im Jahr 2023. Bei den Sexualstraftaten ging die Zahl um 5,68 Prozent auf 30.600 Fälle zurück. "Auch eine Hand, wo sie nicht hingehört, ist eine Straftat. Das ist kein Spaß, das ist auch kein schlechtes Benehmen", betonte Innenminister Reul.
Die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt ist um 1,9 Prozent gestiegen. Hier wurden 2024 rund 61.400 Fälle erfasst. 51 Menschen starben dabei. Allerdings handelt es sich hier - wie bei allen Fällen - nur um das Hellfeld, also die Taten, die bekannt und angezeigt wurden.
Überlastete Ermittler im Bereich Kinderpornografie
Die Taten rund um den sexuellen Missbrauch von Kindern sind 2024 um 12,6 Prozent zurückgegangen. Aber: "Nur, weil wir auf dem Papier einen Rückgang haben, geht es unseren Kindern nicht automatisch besser", erklärte Reul und verwies unter anderem auf die Hinweistelefone beim LKA. Wer "ein komisches Bauchgefühl" habe, weil das Nachbarkind plötzlich still und anders wäre, solle dort bitte anrufen.

Viele Fälle, wenig Ermittler
Auch im Bereich der Kinderpornografie sind die Zahlen im Vergleich zu 2023 um 16 Prozent auf 1.715 Fälle gesunken. "Aber auch hier müssen wir sagen, dass die Zahl nicht dem entspricht, was im Netz kursiert", so Reul. Denn in den meisten Fällen von Kinderpornografie zeige die Polizei selber an, weil sie das Material bei Ermittlungen entdecke. Und hier gebe es gerade eine "Bearbeitungssättigung", so Reul: "Die Schreibtische der Mitarbeiter in diesem Bereich sind rappelvoll." Deshalb könnten sie keine neuen Fälle mehr bearbeiten. "Das heißt, wir verlangsamen den Prozess. Uns bleiben Fälle liegen", erklärte der Innenminister.
Reul pocht auf Vorratsdatenspeicherung
Deshalb soll Künstliche Intelligenz (KI) künftig noch mehr dabei helfen, das Material zu sichten und zu bewerten. "Aber das bedeutet, wir brauchen richtig viel Geld", so Reul. Allerdings komme es bei dem Thema nicht nur auf Geld, Personal und Technik an, sondern auch auf die richtigen Gesetze - sprich: die Möglichkeit, Internet-Verkehrsdaten zu speichern und auszuwerten. "Wir müssen direkt ohne Umwege zu den Tätern nach Hause kommen", betonte Reul. Schon vor zwanzig Jahren habe er im EU-Parlament eine entsprechende Richtlinie erarbeitet, bis jetzt wäre nichts davon umgesetzt.
"Ich finde, das ist ein Desaster für die Politik." NRW-Innenminister Reul
Eine entsprechende Regelung müsse nun von der künftigen Bundesregierung umgesetzt werden. "Ich erwarte da viel. Und ich sage, wenn die das jetzt da nicht hinkriegen, dann fällt mir fast nichts mehr ein", so Reul mit Blick auf die derzeitigen Koalitionsgespräche zwischen CDU und SPD.
Viele Forderungen und Erwartungen an Berlin
Dabei gab Reul seinen Berliner Parteikollegen noch weitere für NRW wichtige Punkte mit auf den Weg bzw. in die Koalitionsgespräche. Neben der Verkehrsdatenspeicherung setzt Reul auch auf den bundesweiten Einsatz der Polizei-Analyse-Software des US-Unternehmens Palantir. Zudem forderte er bessere Möglichkeiten, psychisch auffällige Straftäter besser zu erkennen, eine Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Sicherheitsbehörden oder auch den Ausbau der zivilen Verteidigung. "Wir sind da überhaupt nicht vorbereitet, wenn was passiert."
NRW-Opposition sieht "massives Sicherheitsproblem"
"Dass ausgerechnet die schwersten Gewaltdelikte wie Mord und Mordversuche in NRW um 16 Prozent steigen, ist ein erschreckendes Alarmsignal für die Sicherheit in unserem Land", erklärte Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, nach der Vorstellung der Zahlen.

FDP kritisiert gestiegene Zahl von Messerangriffen
"Die Menschen in NRW erwarten, dass der Staat sie schützt - aber genau hier zeigt sich, dass die Landesregierung offensichtlich keinen ausreichenden Zugriff auf die Kriminalitätsentwicklung hat." Auch in den gestiegenen Zahlen von Messerangriffen sieht Lürbke "ein massives Sicherheitsproblem".
Die SPD warnte die Landesregierung davor, sich angesichts der aktuellen Zahlen "zurückzulehnen". "Der dramatische Anstieg der Fallzahlen im Bereich Cyberkriminalität um 7,8 Prozent und der damit verbundene Schaden in Höhe von über 32 Millionen Euro sind Zeugnis dafür, dass sich die Kriminalität zunehmend in den digitalen Raum verlagert", erklärte Elisabeth Müller-Witt. Innenminister Reul müsse dieser Bedrohung "endlich allerhöchste Priorität einräumen", erklärte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion.
Gewerkschaft der Polizei sieht Zahlen mit Sorge
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) betonte, die Kriminalstatistik lasse sich nicht durch die gesunkenen Fallzahlen "schönreden". Ernst Herget, Mitglied im GdP-Landesvorstand, sieht etwa die Anstiege bei Körperverletzung, Einbruch und Cybercrime mit großer Sorge.
"Ebenso ist die Bekämpfung der Messerkriminalität dringlich " und eine Riesenaufgabe", so Herget. Zudem dürften dringende Investitionen etwa bei Digitalisierung, KI oder auch Schutzausstattungen unter der aktuellen Haushaltslage nicht leiden.
Unsere Quellen:
- Pressekonferenz von Innenminister Reul in Düsseldorf
- Mitteilung der FDP-Faktion
- Mitteilung der SPD-Fraktion
- Mitteilung der GdP