Augstein, Rudolf, 5.11.1923 - 7.11.2002, deut. Journalist, Herausgeber des "Spiegel", Gespräch mit NIP, 1950er Jahre,

16. November 1946 - Erstes Erscheinen von "Diese Woche"

Stand: 10.11.2021, 11:13 Uhr

Junge deutsche Journalisten gründen nach dem Krieg ein Magazin im anglo-amerikanischen Stil. Unter Aufsicht britischer Presseoffiziere soll "Diese Woche" einen Neuanfang bedeuten nach Jahren der Nazi-Propaganda.

Erste Ausgabe der Zeitung "Diese Woche" erscheint (am 16.11.1946)

WDR Zeitzeichen 16.11.2021 13:41 Min. Verfügbar bis 17.11.2099 WDR 5


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Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Im zerstörten Hannover startet der britische Presseoffizier John Seymour Chaloner mit jungen deutschen Journalisten ein Wochenmagazin - mit dabei: Rudolf Augstein.

Leo Brawand, ein weiterer Redakteur der ersten Stunde: "Wenige hatten journalistische Erfahrung. Man darf nicht vergessen: Die richtigen Redakteure waren ja alle in der Nazi-Partei gewesen und sofort von Berufsverbot betroffen, das heißt: Wir waren eine richtige Laienspielgruppe."

Eine freie Presse nach der Nazi-Propaganda

Das Ziel der "Laienspielgruppe": eine freie, demokratische Presse nach zwölf Jahren Nazi-Propaganda. Für die deutschen Jungjournalisten heißt es erst einmal Lernen. Auch Augstein hat nicht mehr als ein Vorkriegsvolontariat bei einer Tageszeitung vorzuweisen.

Chaloner berichtet später über diese Gründungszeit: "Meine Zeitschrift, meine Idee, meine 'Diese Woche' soll also neu und frisch sein. Auch beim Text. Es muss möglich sein, obwohl mein eigenes Deutsch nicht so wunderbar ist, in einem ganz anderen Stil zu schreiben. Das muss also 'alive', also lustig und neu sein."

In Hannover hat das Anzeiger-Hochhaus den Flächenbombardements der Alliierten standgehalten. Trotzdem gleicht die Geburt des Nachrichtenmagazins "Diese Woche" einer Sisyphus-Aufgabe. Es fehlt an allem: an Papier, Schreibmaschinen, Stiften, Büro-Möbeln. Die deutschen Redakteure klauen sogar nachts zusammen Kohlen, um nicht tagsüber frieren zu müssen.

Zwei Versuchsausgaben werden zusammengestellt. Dann geht das Nachrichtenmagazin "Diese Woche" am 16. November 1946 an die Kioske. Die wegen des Papiermangels auf 15.000 Exemplare beschränkte Auflage ist schnell vergriffen. Eine Reichsmark kostet eine Ausgabe des Nachrichtenmagazins. Schon wenig später wird das Blatt auf dem Schwarzmarkt gehandelt.

Zensur-Forderungen wegen kritische Berichte

Die Drähte nach London laufen bald heiß. Denn angesichts der kritischen Berichte im anglo-amerikanischen Stil wird eine strengere Zensur des deutschen Magazins gefordert, auch von Sowjets und Franzosen. Die drei britischen Presseoffiziere halten - so gut es geht - die Hand über ihr "Baby". Trotzdem bedeutet die Doppelausgabe vor Weihnachten 1946 das Ende des Nachrichtenmagazins "Diese Woche". Presseoffizier Chaloner wird gefeuert.

Brawand: "Um die Weihnachtszeit sollte das Blatt verboten werden: wegen dieser frechen Berichte. Und dann hieß es eben: Na ja, verbieten nicht, es sollte wenigstens ein neuer Titel kommen und ein neuer Herausgeber: und das war eben Augstein." Und der habe seinen Vater gefragt, der den Namen "Der Spiegel" vorgeschlagen habe.

Rudolf Augstein setzt als Herausgeber des neuen "Spiegel" seinen Kurs fort. Nach dem Umzug nach Hamburg werden Anfang der 1950er Jahre immer mehr Anzeigen im Magazin geschaltet. Es wird eine Erfolgsstory der Bundesrepublik. Von den einen wird das Nachrichtenmagazin als "Sturmgeschütz der Demokratie" bejubelt, von den anderen als Enthüllungsblatt gefürchtet.

Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vormweg
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 16. November 2021 an das erstmalige Erscheinen des Magazins "Diese Woche". Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

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