Carolabrücke - wie steht es um unsere Infrastruktur? I WDR Aktuelle Stunde
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Brücken in NRW: "Viele kranke Patienten"
Stand: 12.09.2024, 18:03 Uhr
Nach dem Kollaps der Carolabrücke in Dresden stellt sich einmal mehr die Frage: Wie steht es eigentlich um die vielen maroden Brücken in NRW?
Von Nina Magoley
Man kann es nur ein Riesenglück nennen, dass beim Einsturz der Carolabrücke in Dresden niemand getötet oder verletzt wurde - darüber sind sich wohl alle einig. Fakt ist aber auch, dass der marode Zustand etlicher Brücken auch in NRW schon lange ein Thema ist. Nicht nur für Autofahrer oder Bahnreisende: Durch Sperrungen maroder Brücken oder Geschwindigkeitsbegrenzungen zur Sicherheit staut sich der Verkehr vielerorts noch mehr. Müssen Brücken wegen akuter Gefahr ganz gesperrt werden, bedeutet das für die Anwohner oft große Umwege.
Viele Brücken nicht für heutigen Verkehr geplant
Während sämtliche Autobahnbrücken vom Bund betreut werden, ist das Land NRW für insgesamt 7.321 Brücken zuständig - die meisten davon sind Teile von Landes- und Bundesstraßen. Viele Brücken seien "in die Jahre gekommen und vielerorts akut gefährdet", hatte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) schon vor Monaten eingeräumt. Unter anderem liege das am stark gestiegenen Verkehrsaufkommen: Besonders LKW sind heute deutlich schwerer als zu den Zeiten, als manche Brücke statisch geplant wurde.
Im Februar hatte das Landesverkehrsministerium neue Zahlen vorgelegt. Demnach müssen allein 205 Brücken an Landes- und Bundesstraßen aufgrund ihres schlechten Zustands vollständig abgerissen und neu gebaut werden. Weitere 69 müssen in Stand gesetzt und 22 Brücken verstärkt werden. Kosten: gut 1,8 Milliarden Euro.
Verkehrsminister kündigte "Sanierungsoffensive" an
Im März hatte Krischer daher eine "Sanierungsoffensive" angekündigt. Rund 400 Brücken in Zuständigkeit des Landes sollen demnach in den nächsten zehn Jahren erneuert werden. "Um die 30 davon schaffen wir dieses Jahr", sagte ein Sprecher von Straßen.NRW dem WDR am Mittwoch.
Mit der neuen "Sanierungsoffensive" will Oliver Krischer (Grüne) nach und nach jene Brücken neubauen, "die in der Vergangenheit gar nicht neu gebaut worden wären, weil das immer nur dann passierte, wenn die Brücke bereits kaputt war". Ganz bewusst würden nun die Brücken neu gebaut, die in ihrem Zustand am schlechtesten seien. Man wolle "vor die Welle kommen". Das Ziel sei es, in zehn Jahren keine schlechte Brücke mehr in NRW zu haben, so Krischer.
Neben der Sanierung spielt auch die Kontrolle eine Rolle. "Das Thema Brücken ist in NRW sehr stark im Fokus", sagt Oliver Krischer (Grüne). Die ca. 6.000 Brücken würden alle drei Jahre routinemäßig kontrolliert werden, alle sechs Jahre intensiv. Besonders problematische Fälle würden gesondert überwacht, so der Verkehrsminister.
Laut Bundesanstalt für Straßenwesen sind die allermeisten Autobahn- und Bundesstraßen-Brücken aus den Jahren 1970 bis 1974. Auf einer interaktiven Karte stellt die BaSt alle Brücken auch in NRW dar und benennt den jeweiligen Zustand mit Noten.
Regelmäßige Prüfungen
Nach Angaben von Straßen.NRW werden die Landesbrücken alle sechs Jahre einer umfassenden "Hauptprüfung" unterzogen. Auch schwer zugängliche Bauwerksteile würden dafür in den Blick genommen, "selbstverständlich auch im Wasser stehende Brückenpfeiler", sagt Jochen Müller von Straßen.NRW.
Nach drei Jahren folgt dann eine "einfache Prüfung" - eine Sichtprüfung, bei der aber auch wieder die Fundamente gecheckt werden. Nach schweren Verkehrsunfällen oder nach einem Hochwasser würden Sonderprüfungen durchgeführt, versichert Straßen.NRW.
"Risiko steigt von Jahr zu Jahr"
"Wir haben bislang sehr viel Glück gehabt, dass nichts passiert ist", meint Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer und der Ingenieurkammer Bau NRW. Mehrere hundert Brücken seien bereits seit Jahren "in sehr kritischem Zustand."
"Bislang sehr viel Glück gehabt": Heinrich Bökamp
In den vergangenen Jahren seien vorbeugende Reparaturen oft ausgeblieben, "da läuft man dem Problem jetzt hinterher". Das Risiko erhöhe sich durch die enorme tägliche Verkehrsbelastung von Jahr zu Jahr. Dass die Carolabrücke in Dresden unter ihrem Eigengewicht zusammengebrochen ist - ohne die Last durch Fahrzeuge - zeige, dass sie "sehr, sehr knapp dran war".
Brücken immer "Sparthema"
Brücken seien in der Politik bislang immer als "Sparthema" durchgegangen. Durch das Unglück von Dresden "merkt man wohl langsam, dass man da was tun muss", sagt Bökamp. Er gehe davon aus, dass man sich künftig "auf deutlich mehr Brückensperrungen einstellen muss".
Unsere Quellen:
- Statistiken der Bundesanstalt für Straßenwesen
- Sprecher Straßen.NRW
- Meldungen NRW-Verkehrsministerium
- WDR-Interview Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer