"Viel zu lang hat die evangelische Kirche Missbrauchsfälle vertuscht und keine Verantwortung für die Aufarbeitung übernommen", sagt ein Betroffener aus der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde in Bielefeld. "Es ist gut, wenn diese Verantwortung nun bei einer unabhängigen Stelle liegt."
Aufarbeitungskommission für Kirche und Diakonie in NRW
Für NRW heißt diese Stelle "Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission im Verbund West" (URAK West). Sie soll Missbrauchsfälle im Raum der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelische Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und der Diakonie NRW und Saarland systematisch weiter aufklären und aufarbeiten.
Sie hat jetzt ihre Arbeit aufgenommen, Anfang April kommt das Gremium erstmals zusammen.
Kirchenvertreter in der Minderheit
Nach der Studie über den massenhafte sexualisierte Gewalt vor rund einem Jahr hatte die Evangelische Kirche (EKD) zugesagt, bundesweit neun regionale Kommissionen zu bilden.
Gemeinsam hatten die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, Kirche, Diakonie und Betroffene Standards festgelegt, wer etwa in dem Gremium sitzt.
Für die Besetzung der URAK West wurde auch Rücksprache mit einer Betroffenen-Vertretung gehalten. Die Kommission hat sieben Mitglieder: zwei Betroffene, drei von den Landesregierungen benannte unabhängige Experten und Expertinnen und zwei Mitglieder aus Kirche und Diakonie, so Klaus Tykwer aus der Geschäftsführung der URAK West.
Ganz bewusst sollen dabei Vertreter von Kirche und Diakonie nicht die Mehrheit bilden. Ziel sei es "die Sprachfähigkeit der Betroffenen in hohem Maße zu gewährleisten", heißt es in einer Erklärung. Neben Aufklärung und Aufarbeitung sind auch "Beschwerden an die Kommission" ausdrücklich möglich.
Betroffene wollen Ehrlichkeit und mehr Transparenz
"Ohne Erinnerung an die Taten und damit deren Aufarbeitung in den Tatkontexten mit Sensibilisierung der betroffenen Gemeinden kann es keine nachhaltige Prävention und Intervention geben", sagt die Betroffene Astrid Hiob, die gewähltes Mitglied der URAK West ist. Sie wünsche sich ehrliche Kirchenvertreter und -vertreterinnen und mehr Transparenz.
Doch für viele Betroffene hat die Bildung solcher Einrichtungen zu lange gedauert. Sie sind enttäuscht darüber.
Bevor ich mich der URAK West anvertraue, möchte ich sehen, dass die Kommission sich wirklich für die Interessen von Missbrauchsbetroffenen einsetzt. Ein Opfer sexualisierter Gewalt aus Bielefeld.
Hohe Dunkelziffer möglich
Ende Januar 2024 hat die "Forum-Studie" der Evangelischen Kirche in Deutschland mindestens 2.225 Betroffene von sexualisierter Gewalt dokumentiert und 1.259 mutmaßliche Täter. Die Wissenschaftler sprachen aber auch davon, dass es Erkenntnisse über weitere Fälle gebe. Nicht alle Akten seien flächendeckend untersucht worden. Es könne eine hohe Dunkelziffer geben.
Vorsichtig geschätzt könnten es auch bis zu 10.000 Betroffene und rund 3.500 Beschuldigte sein, hieß es damals.
Unsere Quellen:
- Betroffene
- Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission West
Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Evangelischer Kirche begin. WDR Studios NRW. 18.03.2025. 00:46 Min.. Verfügbar bis 18.03.2027. WDR Online.
Über dieses Thema berichtet die Lokalzeit OWL am 18.03.2025 im Radio auf WDR 2.