Das bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm dem WDR. Der 70-Jährige habe sich noch am Dienstagabend bei der Stuttgarter Polizei gemeldet und sitze nun in Auslieferungshaft. Auch er wird der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und der Geldwäsche beschuldigt.
Zuvor war sein 62-jähriger Bruder Francesco A. in Münster-Hiltrup festgenommen worden. Die deutschen Ermittler zählen A. zu den wichtigsten Köpfen der Mafia-Organisation in Deutschland.
Einsatz in Münster Teil einer internationalen Razzia
Um Punkt 4 Uhr begann die Operation gegen die 'Ndrangheta, der offensichtlich jahrelange Ermittlungen vorausgegangen waren. Francesco A., den das Bundeskriminalamt im Auftrag der italienischen Behörde festnahm, wird unter anderem die Mitgliedschaft in der Mafia sowie Geldwäsche vorgeworfen. Der 62-Jährige befinde sich nun in Auslieferungshaft, teilte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm mit.
Der Einsatz in Münster war der Behörde zufolge Teil einer internationalen Razzia. In Italien wurden am Dienstag 43 weitere Menschen festgenommen. Sie werden verdächtigt, Verbindungen zur berüchtigten kalabrischen Mafia 'Ndrangheta zu haben, erklärten die Carabinieri.
Betrug, Erpressung, Bestechung und Mord
Ihnen wird demnach zudem Betrug, Erpressung, Bestechung und Mord vorgeworfen. Eine mögliche Einflussnahme von Mafiosi auf die Politik war ebenso Gegenstand der Ermittlungen. Ein Großteil der Festgenommenen kam ins Gefängnis, die übrigen in Hausarrest.
Der Clan war laut Staatsanwaltschaft von Catanzaro außerdem in mutmaßlich kriminelle Machenschaften in Deutschland und Österreich verstrickt. Die Ermittler stellten fest, dass es den Verdächtigen mit Unterstützung deutscher Hacker gelungen sei, betrügerische Bank- und Finanztransaktionen zu tätigen.
Fahnder ermitteln jahrelang
Sowohl deutsche als auch italienische Mafia-Fahnder hatten Francesco A. seit Jahren im Visier. Nach Informationen von MDR und FAZ zählen ihn deutsche Ermittler zu den wichtigsten Köpfen der 'Ndrangheta in Deutschland. So tauchte A. vor einigen Jahren in einer internen BKA-Analyse in einer Liste von insgesamt neun mutmaßlichen Mafiosi auf.
Laut MDR sollen sie zum sogenannten Crimine di Germania gehören. Dabei handelt es sich um ein Aufsichtsgremium, dessen wichtigste Aufgabe es ist, zwischen den Interessen der einzelnen Familienclans in Deutschland zu vermitteln. Außerhalb von Italien hat die 'Ndrangheta laut Ermittlern in keinem anderen europäischen Land solch ein Gremium.
Mächtiger 'Ndrangheta-Boss
Im Rahmen der Ermittlungen sprachen die Fahnder mit verschiedenen Kronzeugen. Mehrere von ihnen sollen erzählt haben, A. sei Mitglied der 'Ndrangheta. Außerdem sollen sie zu A's mutmaßliche Nähe zu Nicolino Grande Aracri ausgesagt haben. Er ist ein mächtiger 'Ndrangheta-Boss mit engen Verbindungen nach Deutschland.
A., der bereits seit den 1970er-Jahren in Deutschland lebt, soll laut einem Kronzeugen von mehreren Clans als Stützpunkt in Deutschland vor allem in Sachen Geldwäsche eingesetzt worden sein. Das soll bereits seit den 1990er-Jahren der Fall sein. Ein weiterer Kronzeuge soll ihn als jemanden beschrieben haben, der in Deutschland bestens vernetzt war: mit Steuerberatern, Notaren, Bänkern und Anwälten.
Hinweise von Clan-Boss
Wichtige Hinweise zu A. soll auch ein Mann geliefert haben, der erst seit Kurzem mit der Justiz kooperiert: Gaetano Aloe. Er ist der Sohn des ermordeten Clan-Bosses Nicodemo Aloe, mächtiger Chef der 'Ndrangheta im Dörfchen Cirò - bis ihn seine Widersacher 1987 umbrachten. Gaetano Aloe trat in die Fußstapfen seines Vaters, bis er selbst 2018 im Rahmen der "Operation Stige" festgenommen und zu rund 13 Jahren Haft verurteilt wurde. Seither sitzt er im Gefängnis.
Irgendwann muss er sich entschlossen haben auszupacken. Seit März 2023 steht er der italienischen Staatsanwaltschaft als Kronzeuge Rede und Antwort. "Mein Vater hat die 'Ndrangheta in Cirò geschaffen, ich werde sie zerstören", zitierten kalabrische Medien aus den ersten Vernehmungsprotokollen.
Einblicke in Strukturen und Geschäfte der Mafia
Aloe soll den Ermittlern Einblicke in die Strukturen und Geschäfte der Mafiaclans gegeben haben. Er soll von dem Mord an einem Mitglied erzählt haben, dem sie vorwarfen, die "Bacinella", die gemeinsame Kasse, nicht ordentlich geführt zu haben, weshalb sie ihn in einem Restaurant erschossen.
Außerdem soll Aloe von Francesco A. erzählt haben. So berichtete der Kronzeuge von einer gemeinsamen Fahrt nach Belgien, bei der sie ein Kilogramm Kokain gekauft haben sollen. Das Kokain soll schließlich von Deutschland mit einem Bus nach Kalabrien gebracht worden sein. Im aktuellen Verfahren wird A. aber keine Beteiligung an Drogengeschäften vorgeworfen.
Operation "Eureka" auch in Siegen
Verbindungen in diesem Verfahren gibt es aber auch zur Operation "Eureka", bei der Anfang Mai europaweit mehr als 130 Tatverdächtige festgenommen wurden, unter anderem in Siegen. Die Operation gilt als eine der umfangreichsten im Kampf gegen die kalabrische Mafia bislang.