Ein junger Mann in weinrotem Hemd steht auf der Kanzel. Als die Glocken aufhören zu läuten, ruft er ein munteres "Moin" in die Kirchengemeinde. Die erwidert gut gelaunt. Der Sonntagsgottesdienst beginnt. Vorne steht Titus Lensch, er ist seit Jahresbeginn der neue Leiter der evangelischen Gemeinde.
Neben der lockeren Begrüßung fallen in dem Gottesdienst weitere Dinge auf: Lensch gendert ganz bewusst und seine Reden sind politisch. Diesmal geht es unter anderem darum, dass "Geflüchtete nicht als Gewalttäter:innen dargestellt werden" und "trans- und nicht-binäre Menschen hier einen Schutzraum finden".
"Einen Ort schaffen, wo Menschen gerne sind"
Als der 26-Jährige die Stelle in der Gemeindeleitung zum Jahresbeginn annimmt, setzt er sich ein bestimmtest Ziel: "Ich möchte einen Ort schaffen, wo Menschen gerne sind." Es ist keine einfache Aufgabe, denn seit Jahren nehmen die Mitgliederzahlen in der evangelischen Kirche ab.
Im evangelischen Kirchenkreis Münster sind sie seit 2010 um über 11 Prozent gesunken, von rund 105.000 Mitgliedern auf gut 92.700 Ende vergangenen Jahres. Im sogenannten Gestaltungsraum Münster, Steinfurt-Coesfeld-Borken, Tecklenburg hat die Mitgliederzahl in dieser Zeit sogar um rund 14 Prozent abgenommen.
Diese Entwicklung sieht der junge Diakon allerdings nicht als Krise. "Es ist einfach eine Veränderung", sagt Lensch. Menschen, die sich wegen der Missbrauchsskandale von der Kirche abgewandt haben, könne er keinen Vorwurf machen. Die Vergehen müssten "bis ins kleinste Detail" aufgearbeitet werden.
Jugendarbeit vorantreiben
Der gebürtige Ostfriese hat während eines FSJ festgestellt, dass er in einer Kirchengemeinde arbeiten möchte. Dabei hat er sich für die Jugendarbeit eingesetzt. Als Diakon und Leiter der Gemeinde in Münster-Handorf möchte er das Thema nun ebenfalls vorantreiben.
Zum Auftakt hat er rund 400 Kinder und Jugendliche im Stadtteil angeschrieben und zu einem Workshopnachmittag eingeladen. Über 20 sind gekommen. In Kleingruppen erarbeiten sie, was sie sich von der Kirchengemeinde und Titus Lensch wünschen. Ausflüge, Grillfeste, Mitmachgottesdienste: Die Liste ist lang.
Bei den Kindern und Jugendlichen kommen das Format und der neue Leiter der Gemeinde an. "Ich finde das gut, wenn nicht gerade ein 50-Jähriger die Jugendarbeit macht. Wenn man noch ein bisschen jünger ist, versteht man das noch ein bisschen mehr", sagt eine 11-jährige Teilnehmerin.
Unsere Quellen:
- Reporterin vor Ort
- Evangelische Kirchengemeinde Handorf
- Evangelischer Kirchenkreis Münster
- Evangelische Kirche von Westfalen
Über dieses Thema berichten wir am 12.03.2025 auch im WDR-Fernsehen: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.