Nach Schließung eines Altenheims: 100 Senior:innen suchen ein neues Heim in Bielefeld Lokalzeit OWL 24.06.2024 02:37 Min. Verfügbar bis 24.06.2026 WDR Von Arndt Möller

Ärger um Altenheim-Schließung in Bielefeld

Stand: 25.06.2024, 15:44 Uhr

Das Wilhelm-Augusta-Stift in Bielefeld wird Ende September geschlossen. Grund dafür sind massive und neu entdeckte Baumängel. Die betreffen laut der AWO vor allem den Brandschutz. Etwa 100 Senioren suchen jetzt ein neues Zuhause.

Von Arndt Möller

Das Wilhelm-Augusta-Stift in Bielefeld hat einen guten Ruf, war bis zuletzt voll besetzt und arbeitete wirtschaftlich, sagen Insider. Erst vor 30 Jahren war es neu gebaut worden. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2024 kommt nun das Aus.

Bewohner haben Angst vor der Zukunft

Gisela Schonart engagiert sich im Bewohnerbeirat | Bildquelle: WDR

Dass das Seniorenheim geschlossen werden soll, sorgt für Aufregung. Das erzählt auch Gisela Schonart vom ehrenamtlichen Bewohnerbeirat. Sie lebt selbst nicht in der Einrichtung, geht dort aber regelmäßig ein und aus.

Die Bewohner haben gedacht, dass sie hier ihren Lebensabend verbringen können und sind teilweise sehr traumatisiert. Sie fragen: 'Müssen wir jetzt raus auf die Straße?' Gisela Schonart, Bewohnerbeirat

Auch wenn das Seniorenheim schließt, muss niemand auf die Straße. Das versichert die AWO Ostwestfalen-Lippe. Sie kümmert sich darum, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner in anderen Einrichtungen unterkommen. Dabei wird versucht, dass Wohngruppen und Pflegeteams zusammenbleiben.

Behebung von Baumängeln würde 16 Millionen Euro kosten

Am liebsten würde Thomas Euler, der Vorstandsvorsitzende der AWO Ostwestfalen-Lippe das Wilhelm-Augusta-Stift weiterführen. Doch das ist wegen diverser Baumängel und Brandschutzproblemen nicht möglich. "Wenn wir von so einer Situation Kenntnis bekommen, muss ich handeln. Das Risiko für die Menschen ist zu groß", erzählt Euler.

Thomas Euler ist Vorstandsvorsitzender der AWO Ostwestfalen-Lippe | Bildquelle: WDR

Wegen der neu entdeckten Baumängel und der gestiegenen Brandgefähr ist in dem Seniorenheim zur Zeit zusätzliches Kontrollpersonal im Einsatz. "Das sei aber keine Dauerlösung", sagt Thomas Euler. Auch für Renovierungsarbeiten fehlt das Geld. Die Behebung der Baumängel würde mindestens 16 Millionen Euro kosten.

Kritik an der Schließung

Deshalb schließt das Seniorenheim Ende September. Dafür steht die Arbeiterwohlfahrt jetzt in der Kritik. Der Bewohnerbeirat bemängelt, dass er nicht oder zu spät über die Pläne informiert wurde. Einige Angehörige erzählen, dass sie aus der Zeitung von der Schließung erfahren haben.

Manche vermuten sogar, die Schließung stehe in Zusammenhang mit dem aktuellen Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung der AWO OWL. "Stimmt nicht", sagt Vorstandschef Euler.

Einige Bewohner gehen juristisch gegen die AWO vor

Peter Oberwetter geht juristisch gegen die AWO vor | Bildquelle: WDR

Peter Oberwetter, der Rechtsanwalt einer Seniorin, geht sogar juristisch gegen die AWO vor. Er kritisiert, dass die Arbeiterwohlfahrt nicht belegt, dass die Renovierungskosten zu hoch sind.

"Du musst das einfach glauben. Das ist ein Vorgehen, das mit Transparenz relativ wenig zu tun hat". Peter Oberwetter, Rechtsanwalt

Gemeinsam mit seiner Mandantin fordert er Einsicht in die Unterlagen über die baulichen und brandschutztechnischen Mängel. Mit einem ersten Antrag sind sie vor Gericht gescheitert.

AWO weist Kritik zurück

Der Arbeiterwohlfahrts-Chef Thomas Euler reagiert irritiert auf die öffentliche Kritik. Er könne die Vorwürfe nicht nachvollziehen, sagt er. Die AWO habe die notwendigen Entscheidungsgrundlagen transparent gemacht, betont der Vorstandsvorsitzende.

Droht Bielefeld ein Pflegenotstand?

Doch welche Folgen hat die Schließung des Wilhelm-Augusta-Stift für Bielefeld? Zumal im letzten Jahr eine ähnliche große Einrichtung geschlossen hat. Noch gibt es freie Plätze in den Pflegeheimen. Die Bielefelder Stadtverwaltung gibt aber zu, dass die Versorgung gerade enger werde.

Die Professorin und Gesundheitswissenschaftlerin Claudia Maier sieht auf Deutschland große Probleme zukommen. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. In vielen Städten und Regionen gibt es jetzt schon erhebliche Wartezeiten für einen Platz im Seniorenheim. Das liege zum Beispiel an Insolvenzen, fehlendem Personal oder baulichen Mängeln.

Unsere Quellen:

  • WDR Reporter vor Ort
  • AWO Ostwestfalen-Lippe
  • Bewohnerbeirat Wilhelm-Augusta-Stift Bielefeld
  • Rechtsanwalt Peter Oberwetter
  • Uni Bielefeld