Hautkrebs-Screening - was es kann und welche Kritik es gibt

Stand: 04.02.2025, 13:14 Uhr

Am 4. Februar ist Weltkrebstag. Wer einen Verdacht auf Hautkrebs hat, kann sich jederzeit vom Arzt untersuchen lassen. Zusätzlich werden Screenings angeboten. Ob sie sich lohnen, dazu gibt es unter Experten Streit.

In Deutschland erkranken jährlich laut Robert-Koch-Institut rund 500.000 Menschen an Krebs, rund 25.000 davon an einem Melanom - dem schwarzen Hautkrebs. Das ist eine Krebsart, die sich in einem frühen Stadium gut behandeln lässt, weshalb es seit 2008 auch ein von den Krankenkassen übernommenes Hautkrebs-Screening gibt, mit dessen Hilfe Hautkrebs früh erkannt werden soll.

Kritik: Kein Beleg für Effizienz des Hautkrebs-Screenings

Wie hilfreich das ist, sei durch Zahlen allerdings gar nicht belegt, kritisiert etwa Professor Jürgen Windeler, der bis 2023 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen geleitet hat. Dem WDR sagte er:

"Man hat sich davon versprochen, dass die Sterblichkeit am Schwarzen Hautkrebs sinkt. Das ist nicht passiert." Jürgen Windeler, Gesundheitsforscher

Er fordert, dass man "dringend" über das Verfahren nachdenken müsse, zumal für Patienten die Gefahr falscher Diagnosen sowie die Behandlung von harmlosen Tumoren oder solchen drohe, die für einen Patienten aufgrund ihres langsamen Wachstums eventuell nie zum Problem geworden wären. Man spricht dabei von Überdiagnosen: Patienten werden behandelt und beunruhigt, obwohl dies nicht unbedingt nötig gewesen wäre.

Möglich ist auch, dass ein Arzt oder eine Ärztin eine Hautveränderung nicht als bösartig erkennt. Dann wiegt man sich in falscher Sicherheit - und der Behandlungsbeginn für Erkrankte verzögert sich. "Das verschlechtert eventuell auch ihre Heilungschancen", heißt es beim Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in der Auflistung der Vor- und Nachteile des Screenings:

Unterschied Screening und Abklärung eines Verdachts

Zu unterscheiden ist das Hautkrebs-Screening von der Abklärung eines Verdachts. Beim Screening wird der ganze Körper nach verdächtigen Stellen abgesucht. Beim Verdacht nimmt der Arzt oder die Ärztin nur einzelne Stellen in Augenschein und nimmt gegebenenfalls Proben, die im Labor genauer untersucht werden.

Der Krebsinformationsdienst klärt auf: "Haben Sie Beschwerden mit der Haut oder kommt Ihnen eine Hautstelle selbst ungewöhnlich vor? Dann sollten Sie diesen Verdacht direkt ärztlich abklären lassen und nicht bis zum nächsten Screening-Termin warten. Da es sich hier um die Abklärung eines Verdachts handelt, übernimmt die Krankenkassen dafür die Kosten."

"Von 100 Personen, die der Hausarzt mit Verdacht auf Hautkrebs an den Dermatologen überwiesen hat, werden 80 vom Dermatologen als unauffällig eingestuft", teilt die Deutsche Krebshilfe mit. Bei 20 erfolgt die Biopsie, also eine Gewebeentnahme. Bei 16 von ihnen wird kein Hautkrebs festgestellt. "Das heißt: Bei vier von 100 Menschen mit Verdacht wird tatsächlich Hautkrebs entdeckt."

Grafik: Von 100 Personen, die einen Verdacht auf Hautkrebs beim Dermatologen prüfen lassen, ist das Ergebnis bei 80 unauffällig. Bei den übrigen 20 wird eine Biopsie durchgeführt. Bei 16 davon wird kein Hautkrebs, bei 4 Hautkrebs festgestellt. | Bildquelle: WDR

Beim Screening wird die Haut am ganzen Körper untersucht

Beim Hautkrebs-Screening sollten Ärztinnen und Ärzte nicht nur die gut zugänglichen Hautpartien untersuchen, sondern auch verdeckte, heißt es beim Krebsinformationsdienst. Zum Beispiel:

  • Kopfhaut, Augen und Ohren
  • Lippen, Mundschleimhaut und Zahnfleisch 
  • Fuß- und Fingernägel sowie Zehenzwischenräume
  • Hautfalten
  • äußere Geschlechtsorgane, wie Eichel oder Schamlippen
  • Afterbereich

Dabei können verschiedene Hilfsmittel zum Einsatz kommen, wie Auflichtmikroskope mit und ohne Hautkontakt. Von auffälligen Stellen werden Proben genommen und später in einem Labor untersucht.

Weltkrebstag: Mehr Hilfe für junge Menschen WDR Studios NRW 04.02.2025 03:07 Min. Verfügbar bis 04.02.2027 WDR Online

Dermatologen: Vorteile des Screenings überwiegen

Dass das System des Screenings nicht perfekt ist, räumt auch Professor Dirk Schadendorf, Direktor der Klinik für Dermatologie und des Westdeutschen Tumorzentrums am Universitätsklinikum Essen ein. Doch für ihn überwiegen die Vorteile.

Schadendorf verweist auf rund 3.000 Patienten, die jährlich am Schwarzen Hautkrebs sterben. 300.000 weitere erkrankten am deutlich harmloseren Weißen Hautkrebs.

Neben den Leben, die man durch eine Früherkennung mutmaßlich retten könne, müsse man auch die Behandlungskosten für diese Patienten im Blick haben, sagt Schadendorf.

Zwar kritisierte Windeler im vergangenen Jahr, dass das Screening-Verfahren Kosten von rund 200 Millionen Euro verursache. Aber Schadendorf sagt, dass man auch die anderen Kosten sehen müsse. Krebs, der früh erkannt werde, entwickele sich gegebenenfalls eben nicht zu einem Melanom im fortgeschritten Stadium, wo die jährlichen Behandlungskosten irgendwo zwischen 50.000 und 150.000 Euro liegen könnten: "Da kommt für einen Patienten schon mal schnell ein Einfamilienhaus zusammen." Sein Vorschlag:


"Das Hautkrebs-Screening müsste Risiko-adaptiert und auf Einladung erfolgen."
Professor Dirk Schadendorf

Die Notwendigkeit der Untersuchung betont auch die Cindy Franklin, Oberärztin an der Klinik für Dermatologie und Venerologie der Universitätsklinik Köln. "Es ist so, dass der Schwarze Hautkrebs der Hauttumor ist, der zu den meisten Todesfällen führt", sagte Franklin dem WDR.

Streue der Schwarze Hautkrebs erst mal in Organe, sei er nicht mehr gut zu behandeln, so Franklin. Daher sagt sie:

"Die frühzeitige Erkennung sollte immer am relevantesten sein - noch besser als die Therapie der fortgeschrittenen Erkrankung." Cindy Franklin, Dermatologin, Uniklinik Köln

Hautkrebs bei manchen Jobs als Berufskrankheit anerkannt

Obwohl Franklin und Schadendorf die Vorsorge-Untersuchung grundsätzlich positiv bewerten, sehen auch sie Luft nach oben. Beide beklagen, dass gerade Risikogruppen zu wenig Gebrauch vom Screening machen, das für gesetzlich Versicherte spätestens ab 35 Jahren alle zwei Jahre von der Krankenkasse bezahlt wird. Das zweijährige Screening bieten manche Krankenkassen je nach Region auch schon früher an - zum Teil sogar ab 15 Jahren.

Zur Risikogruppe zählen laut Schadendorf:

  • Menschen mit heller Haut und hoher Sonnenbrandempfindlichkeit
  • Menschen mit sehr vielen Pigmentmalen auf der Haut
  • Menschen, bei denen es in der Familie bereits Fälle von Hautkrebs gegeben hat
  • Menschen, die lange in sehr sonnigen Regionen gelebt haben
  • Menschen, die im Freien arbeiten

Bei den Risikogruppen verweist Schadendorf darauf, dass Berufsgenossenschaften Hautkrebs beispielsweise bei Gärtnern und Dachdeckern als Berufserkrankungen anerkennen würden: "Das würden sie sicher nicht machen, wenn da nicht eine ganz solide Beweislage vorhanden wäre." Er würde sich wünschen, dass Risikogruppen ähnlich wie beim Brustkrebs zu den Vorsorgeuntersuchungen eingeladen würden.

Sorge vor deutlichem Anstieg von Hautkrebs-Fällen

Schadendorf fürchtet, dass die Hautkrebs-Inzidenzen künftig weiter steigen werden. Die Folgen der Reisewellen in sonnige Länder und der Beliebtheit von Solarien kämen erst nach und nach zum Tragen. Auch treibe eine stetig älter werdende Bevölkerung die Zahlen in die Höhe.

Deshalb rät Schadendorf neben der Vorsorgeuntersuchung auch zu Schutzmaßnahmen, die in Ländern wie Australien und Neuseeland längst ganz selbstverständlich seien. Und er fordert in Städten die konsequentere Umsetzung von lange geforderten Maßnahmen zum Schutz vor der UV-Strahlung der Sonne als Hauptauslöser für Hautkrebs. Sonnenschutz auf Spielplätzen und öffentlichen Plätzen sollte Standard sein.

Die Vorsorge-Tipps von Schadendorf:

  • Sonnenstudio-Besuche vermeiden
  • Lichtschutzmittel konsequent nutzen
  • Textiler Schutz, sprich: lange Kleidung bei entsprechender Sonnenstrahlung
  • Auf den UV-Index in Wetterberichten achten - ab einem Wert von 5 Lichtschutz verwenden

Schadendorf ist mit dem bestehenden Verfahren nicht restlos glücklich und beklagt wie Windeler die mangelhafte Datenlage: "Die wissenschaftliche Begleitung des Hautkrebs-Screenings ist unzureichend, die bei den Krankenkassen erfassten Daten lückenhaft und schlecht." Das müsste der Gesetzgeber ändern, um wirklich erkennen zu können, dass das Screening hilft.

Screening-Apps laut Schadendorf noch nicht verlässlich

"Was wir verhindern können und früh entdecken, rettet Leben und verhindert Kosten", sagt der Mediziner. Deswegen böte man etwa im Zentrum für familiären Hautkrebs in Essen auch kostenlose Untersuchungen für Menschen an, die noch nicht 35 Jahre alt sind. "Es gibt ein familiäres Melanom, eine genetische Komponente, und solche Menschen will ich dann auch schon mit 20 oder 30 Jahren beim Screening sehen", so Schadendorf.

Und dies solle am besten ein Arzt durchführen. Es gibt zwar bereits Hautscreening-Apps, doch die betrachtet Schadendorf noch nicht als verlässlich. Künstliche Intelligenz werde eine immer größere Rolle spielen - derzeit sei aber der Arzt erste Wahl, der gegebenenfalls auch für eine falsche Diagnose geradestehen muss.

"Ich würde mein Schicksal nicht in die Hände einer App legen." Dirk Schadendorf zur Hautkrebs-Früherkennung mit Hilfe von Apps

Seine Kollegin Franklin ergänzt einen weiteren wichtigen Aspekt der Früherkennung - einen, den jede und jeder zu Hause umsetzen kann: "vor allem auch selbst bei sich drauf achten, dass man bei auffälligen Veränderungen doch zum Hautarzt geht".

Unsere Quellen:

  • WDR-Gespräch mit Professor Dirk Schadendorf
  • WDR-Gespräch mit Professor Jürgen Windeler
  • WDR-Gespräch mit Professorin Cindy Franklin
  • Robert Koch-Institut
  • Deutsche Krebshilfe
  • Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums