Den zwölften Tag in Folge bebt die Erde nordöstlich des beliebten Ferienziels Santorini unablässig. Tausende Menschen haben die griechische "Instagram-Insel" mit rund 16.000 Einwohnern bereits verlassen.
Mehr als 200 Beben wurden bislang im Seegebiet zwischen Santorini und der Nachbarinsel Amorgos registriert, wobei die Stärke der Erdstöße tendenziell steigt. Seismologen fürchten, dass ein schweres Hauptbeben folgen könnte. Auch vor Vulkanausbrüchen und Tsunamis wird gewarnt. Die Vorkehrungen beim Katastrophenschutz laufen auf Hochtouren.
"Wie ein Flüchtling im eigenen Land"
Der Ansturm auf die Fähr- und Flugtickets auf Santorini war und bleibt groß. Fluglinien haben Sonderflüge eingerichtet, auch zusätzliche Fähren sollen fahren. "Ich habe seit Tagen nicht geschlafen, die Kinder und die Frauen weinen, es bebt alle fünf Minuten", sagte ein Mann, der einen Platz auf der Fähre Blue Star 1 nach Athen ergattert hatte, zu Journalisten. Eine andere Frau klagte:
Fernsehbilder zeigten vollgepackte Autos fliehender Menschen. Die Fähre mit 1.600 Plätzen war voll belegt.
Noch nie registriertes Phänomen
Die Bewohner Santorinis, die Erdbeben durchaus gewöhnt sind, haben so etwas noch nie erlebt - und Seismologen und Geologen auch nicht. Die Erdbeben-Serie bereitet ihnen Kopfzerbrechen. "Noch nie haben wir ein Phänomen so vieler Erdbeben binnen so kurzer Zeit registriert", sagte Geologie-Professorin Evi Nomikou dem Nachrichtensender Skai.
Vor Erdrutschen wurde per Mobiltelefon gewarnt. Videos zeigen, wie fallendes Geröll an den Steilhängen Staubwolken aufsteigen ließ. Die Schulen sind derzeit geschlossen, ebenso auf den Nachbarinseln Amorgos, Anafi und Ios.
Sorge vor Vulkanausbruch und schwerem Hauptbeben
Sorge bereitet den Experten auch, dass durch die andauernden Beben der große Vulkan Kolumbos aktiviert werden könnte, der nordöstlich von Santorini unter Wasser liegt. Er hatte im Jahr 1650 bei einer gewaltigen Eruption schwere Schäden im ganzen östlichen Mittelmeer angerichtet.
Dazu kommt die Angst vor einem schweren Hauptbeben der Stärke 6 oder mehr. 1956 hatten zwei Beben der Stärke 7,7 und 7,2 in der Region Dutzende Menschen das Leben gekostet, Tsunamis verursacht und großen Schaden angerichtet. Manche der älteren Inselbewohner erinnern sich noch daran.
"Santorini ist geologisch extrem aktiv", erklärte Heidrun Kopp, Professorin für Marine Geodäsie am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, im WDR-Interview: "Der Grund dafür liegt darin, dass Santorini, wie viele Inseln in der Ägäis, sehr nahe an der Plattengrenze zwischen Afrika und Eurasien liegt. Und durch diese plattentektonischen Vorgänge kommt es hier zum einen zu Erdbeben als auch zu vulkanischer Aktivität."
Hoffen auf schnelle Entspannung
In der griechischen Hauptstadt Athen halten die zuständigen Ministerien und Seismologen Krisensitzungen ab. Es handele sich aber nur um Vorsichtsmaßnahmen, so die Behörden.
Der Chef der griechischen Behörde für Erdbebenschutz, Efthymios Lekkas, glaubt nicht, dass es zur Katastrophe kommt. Der Geologe hofft, dass sich die aufgestaute seismische Energie mit einem Erdbeben der Stärke 5 bis 5,5 entladen und danach langsam Ruhe in der Region eintreten könnte, wie er dem Sender ERTnews mitteilte.
Allerdings verweisen Lekkas sowie all seine Kolleginnen und Kollegen stets darauf, dass letztlich keine sicheren Prognosen abgegeben werden können.
Unsere Quellen:
- WDR-Interview mit Prof. Heidrun Kopp
- Tagesschau-Artikel
- Nachrichtenagentur dpa