Kirchenexperte Theo Dierkes zur Erlaubnis der Segnung homosexueller Paare

WDR aktuell 18.12.2023 Verfügbar bis 18.12.2025 WDR

Kehrtwende in Rom: Vatikan erlaubt Segnung homosexueller Paare

Stand: 18.12.2023, 17:29 Uhr

Homosexuelle Paare können ab sofort auch in der katholischen Kirche gesegnet werden. Noch 2021 hatte der Vatikan der deutschen Kirche die Segnungen nicht erlaubt. Nun die Kehrtwende, die sich der Synodale Weg als Erfolg verbuchen kann.

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Die Erklärung der Glaubensbehörde wurde am Montag im Vatikan in mehreren Sprachen veröffentlicht. Sie trägt die Unterschrift des Präfekten der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, und wurde von Papst Franziskus ausdrücklich genehmigt.

Was bedeutet die Kehrtwende aus Rom und warum ist das so besonders?

Das ist eine Annäherung des Vatikans an die deutsche Kirche. Es ist nicht als Friedensschluss zu verstehen, aber als eine Handreichung aus Rom. Theo Dierkes, WDR-Experte für Kirche und religiöse Themen

In dem Text der Behörde betont Fernandez, dass die Kirche ihr Verständnis von dem, was ein Segen ist, im Licht der seelsorgerischen Ideale von Papst Franziskus "erweitert und angereichert" habe. Eine Segnung bedeutet dem Menschen Schutz, Glück und Erfüllung im Namen Gottes zuzusprechen.

Besonders ist der Schritt aus Rom, weil der Vatikan 2021 noch klargestellt hatte, dass es "nicht erlaubt" sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, da solche Verbindungen "nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden" könnten.

Theo Dierkes in der Aktuellen Stunde im Studiogespräch zu Papst Benedikts Beisetzung

WDR-Kirchenexperte Theo Dierkes

Die Zulassung von Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare war eine Hauptforderung für den deutschen Reformprozess Synodaler Weg und im März von der Synodalversammlung beschlossen worden. "Die deutsche Kirche war damals mit dem Synodalen Weg ziemlich vorausgaloppiert und bekam Druck aus Rom. Im Übrigen von der gleichen Instanz, die jetzt die Erklärung schrieb", so WDR-Redakteur Dierkes. So ist die Erklärung aus Rom als Erfolg für den Synodalen Weg zu verstehen.

Deutsche Haltung bisher Grauzone

Der Fachjournalist sieht in der Erklärung aus Rom ein "wichtiges Zeichen für die deutschen Bischöfe". Der Vatikan hatte die modernere deutsche Haltung abgelehnt. In Deutschland werden Segensfeiern für homosexuelle Paare in vielen Gemeinden heute schon praktiziert, finden aber in einer kirchenrechtlichen Grauzone statt.

In dem Text mit dem Titel "Fiducia supplicans" (deutsch: Das flehende Vertrauen) wird allerdings weiterhin betont, dass dabei eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden muss. Auch darf ein Geistlicher den Segen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes erteilen.

Franziskus lehnt Segnung nicht ab - aber die eigentliche Lehre wird nicht verändert

Ganz offenbar wurde die aktuelle Erklärung auf Wunsch des Papstes geschrieben. Franziskus hatte bereits im Herbst in einem Brief erkennen lassen, dass er Segnungen für homosexuelle Paare nicht grundlegend ablehnt. Die Erklärung solle, so heißt es am Schluss der Einleitung, „auch ein Geschenk an das gläubige Volk Gottes sein, das den Herrn mit so vielen Gesten des tiefen Vertrauens in seine Barmherzigkeit anbetet und mit dieser Haltung immer wieder die Mutter Kirche um den Segen bittet.“

Der Text nehme realistisch in den Blick, dass Menschen segensbedürftig seien: "Segen - also kurz Danken und Bitten - wird nicht mehr darüber konditioniert, ob jemand allen moralischen Idealen gleichermaßen entspricht." Aber: "Die Lehre wird auch weiterhin nicht verändert. Nur segnen ist jetzt okay", fasst WDR-Redakteur Dierkes zusammen.

Reaktionen: "überfälliges Signal"

Der katholische Bischof Heinrich Timmerevers bezeichnete die Erklärtung als wichtigen Schritt der Weltkirche. Er sei dankbar für die am Montag überraschend vom Vatikan veröffentlichte Erlaubnis und verstehe sie als Ermutigung, die Seelsorge für queere Menschen im Sinne von Papst Franziskus weiter zu fördern, sagte der Bischof von Dresden.

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), sprach von einem "längst überfälligen Signal. Es gibt keine Liebe erster und zweiter Klasse. Es gibt nur Liebe." Eine kirchliche Unterscheidung in reguläre und irreguläre Partnerschaften, wie sie der Vatikan vornehme, sei aber weiterhin diskriminierend.

Ende Juli war ein katholischer Pfarrer aus Mettmann abgemahnt worden, weil er einen Segnungsgottesdienst unter dem Titel "für alle sich liebenden Paare" abgehalten hatte. Allerdings erfolgten auch damals keine "personellen Konsequenzen, zumindest keine wahrnehmbaren", sagt Dierkes.

Unsere Quellen:

  • Agenturen KNA, dpa
  • Gespräch mit Theo Dierkes, WDR-Redakteur und Kirchenexperte

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 18.12.2023 auch im Fernsehen: WDR aktuell 16 Uhr.