
Streit in türkischer NRW-Community: "Für oder gegen Erdoğan?"
Stand: 14.04.2025, 13:26 Uhr
Am Wochenende sind in der Türkei wieder tausende Menschen auf die Straße gegangen. In der türkischen Community sei die politische Spannung auf Anschlag, sagt Ceyhun Kara, Journalist bei WDR COSMO, im Interview.
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Kommentieren [7]Seit der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu regt sich in der türkischen Gesellschaft Widerstand gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die Regierung.
Auch am vergangenen Wochenende sind wieder zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen, mehrere Tausend waren es zuletzt in der türkischen Stadt Samsun. Der Protest schwappt laut Beobachtern immer mehr in die Mitte der Gesellschaft - weg von den jungen Menschen und Studierenden.
İmamoğlu will als Spitzenkandidat der Oppositionspartei CHP bei der nächsten Präsidentschaftswahl antreten. Er gilt als stärkster politischer Rivale Erdoğans. Seine Verhaftung sieht er selbst als politisch motiviert, um ihn von der Wahl abzuhalten. Die offiziellen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen ihn lauten: Korruption, Geldwäsche und Bestechung.
Der Journalist Ceyhun Kara aus der türkischen Redaktion bei WDR COSMO spricht im Interview darüber, welchen Einfluss das alles auf die türkische Community in NRW hat.
WDR: Wie sehr beschäftigt die türkischstämmigen Menschen, die hier in Nordrhein-Westfalen leben, die Situation in der Türkei?

Ceyhun Kara, WDR COSMO
Ceyhun Kara: Seit 25 Tagen gehen die Leute in der Türkei auf die Straße und protestieren. Und für viele Menschen hier in NRW, die Familie und Freunde in der Türkei haben, ist das natürlich ein großes Thema. Also in Städten wie Köln, Berlin, Hamburg organisieren auch CHP-nahe Vereine Demos. Und weil unter den türkeistämmigen Migranten die politischen Diskussionen zunehmen, schauen sie jetzt viel öfter Nachrichten oder checken Newsportale, um auf dem Laufenden zu bleiben.
WDR: Diesen Konflikt gibt es ja eigentlich schon lange - auf der einen Seite die Erdoğan-Anhänger, auf der anderen Seite die Kritiker. Hat das jetzt nochmal eine andere Dimension erreicht? Spricht man mehr in den Familien darüber?
Kara: Ja, wir kennen ja die Situation so kurz vor den Wahlen. Aber diesmal ist das schon anders. Wie gesagt: Seit 25 Tagen sind hunderttausende Menschen - vor allem auch junge Leute - non-stop auf der Straße. Tausende wurden festgenommen. Die politische Spannung ist auf Anschlag, kann man sagen. Die Frage "Für oder gegen Erdoğan?" sorgt jetzt sogar innerhalb von Familien und unter guten Freunden für Streit. Und in den sozialen Medien wird zum Thema so richtig heftig gestritten. Also ohne Filter und Rücksicht.
WDR: Wie wird der Istanbuler Bürgermeister İmamoğlu, der jetzt in U-Haft sitzt, gesehen? Welche Rolle spielt er für die türkischstämmigen Menschen in NRW?
Kara: Als İmamoğlu am 19. März festgenommen wurde, hat die CHP das sofort als riesige Ungerechtigkeit dargestellt. Die Proteste gingen dann sofort los. Seit zwei Jahren zeigen alle Umfragen, dass İmamoğlu Erdoğan bei einer Präsidentschaftswahl überholen könnte. Und viele sehen in seiner Festnahme einen klaren Rechtsbruch von Erdoğan. Manche sprechen mittlerweile sogar von einem Märtyrer-Helden. Aber auf der Straße verändert sich gerade etwas: Immer mehr junge Leute sagen, wir gehen nicht nur für İmamoğlu auf die Straße, sondern wir kämpfen für ein freies, gerechtes und demokratisches Land.
WDR: Wie ist das für die Erdoğan-Anhänger?
Kara: Erdoğan-Fans glauben, dass İmamoğlu schuldig ist, weil sie ihre Infos aus den regierungsnahen Medien kriegen. Dort läuft die ganze Zeit dieselbe Leier: Also İmamoğlu und die anderen Festgenommenen sind angeblich kriminell. Dazu kommen im Netz noch jede Menge Verschwörungsmythen. Viele AKP-Leute basteln sich ihre Meinung dann genau aus diesen schiefen Berichten und Fake News zusammen.
WDR: Tauscht man sich denn mit den Familien, die in der Türkei leben, darüber aus? Oder hält man sich vielleicht auch zurück aus Sorge, dass das irgendwelche politischen Folgen haben könnte - für einen selbst oder für die Familie?
Kara: Eigentlich beides. Zwischen Familien gibt es gerade ständig Gespräche über die politische Lage. Sogar Leute aus unpolitischen Familien erzählen, dass sie non-stop mit Verwandten in der Türkei reden oder diskutieren. Aber viele halten sich mit krassen Aussagen oder Posts in den sozialen Medien zurück, weil in der Türkei selbst Promis, Journalisten oder Künstler wegen ihrer Posts verhaftet wurden. Solche Meldungen machen den Leuten hier natürlich echt Angst.
WDR: Wie ist das für Sie, darüber zu berichten? Das ist ja auch ein Machtkampf, der über soziale Medien geführt wird, und es kursieren viele Fake News. Also wie geht man damit um?
Kara: Also bei "COSMO Türkisch" kämpfen wir ehrlich gesagt an zwei "Fronten". Rund 95 Prozent der türkischen TV-Sender, die man hier auch empfangen kann, machen entweder komplett regierungsfreundliche Berichterstattung oder verschweigen alles, was kritisch ist. Und in den sozialen Medien, da explodieren natürlich die Fake News, wilde Verschwörungserzählungen. Und wir bei "COSMO Türkisch" versuchen, in unseren unabhängigen Beiträgen genau diese Mauer aus Schweigen und Fake News zu durchbrechen. Wir kriegen auch eine ganze Welle an Kritik, Beleidigung etc. ab. Aber gleichzeitig schreiben uns viele: "Macht weiter so! Wir vertrauen euch." Und das gibt uns echt Rückenwind.
Das Interview führte Andrea Oster am 14.04.2025 im WDR 5 Morgenecho. Für die Online-Version wurde es sprachlich leicht angepasst und gekürzt, ohne den Inhalt zu verändern.
Unsere Quelle:
- Interview mit COSMO-Journalist Ceyhun Kara im WDR 5 Morgenecho
7 Kommentare
Kommentar 7: SiggiSmalls schreibt am heute, 13:19 Uhr :
eure Berichterstattung über die Türkei ist nur noch lächerlich. 99% der Deutschtürken glaubt eure Lügen schon lange nicht mehr.
Kommentar 6: Davinci80 schreibt am heute, 11:12 Uhr :
Ist ja mal wieder typisch für autokraten Fans. Alle die gegen Erdogan sind, sind schuldig, nur weil ein selbst ernannter Sultan vom Bosporus namens ErdoWahn es so diktiert in seinen Medien. Warum nur keiner merkt, dass ca. 90% der Medien der radikal islamischen Akapeh angehören? Und wie schlimm muss die türkische Wirtschaft noch werden, damit man endlich befreit, dass ErdoWahn einfach schlecht für die Türkei ist .... Achja... Auch wegen der schlechten Wirtschaft finden die einen Sündenbock. Aber nicht in den Reihen der Akapeh!
Antwort von ZU , geschrieben am 15.04.2025, 12:56 Uhr :
Sie verdrehen hier bewusst Tatsachen. Niemand beschuldigt hier jemand nur weil er/sie gegen irgend jemand ist. Sondern das Vorgehen und die bewusste Schürung zum Chaos. Ich habe dutzende Erdogangegner in meiner Verwandtschaft und keiner davon randalliert. Jeder bekundet seinen Ärger wie er möchte oder wählt auch wen er möchte. Es ist ein Unterschied ob man Demonstriert oder bewusst versucht Eskalationen zu schüren und fördern. Die grösste Schwäche der Opposition ist, dass sie keine Optionen bieten und keine Plan haben. Und glauben Sie mir, das wird auch von den wahren Oppositionellen kritisiert, die aber in ihren eigenen Reihen nicht zu Wort kommen. Wenn Sie Autokraten suchen, dann suchen Sie diese bitte bei der schwachen Opposition, die keine andere Meinung zulassen. Und nein, ich bin kein Erdoganfan, kein Parteifan, kein Fussballfan oder Fan von sonst irgendwas. Ich erkenne lediglich nur die Doppelmoral in hiesigen Medien und auch Politikern und bekunde das. That‘s it.
Antwort von ZU , geschrieben am 15.04.2025, 13:04 Uhr :
angenommen die Behauptung stimmt mit den 90% kontrollierten Medien. Was glauben Sie wer kontrolliert die Medien in der westlichen Welt? Wenn Sie glauben, die sind neutal und unabhängig, dann hoffe ich für Sie, dass sie einfach nur naiv sind. Recherchieren Sie einfach mal gründlich. Sie wünschten es wäre wenigstens, ihre eigene Regierung.
Kommentar 5: Hikmet schreibt am heute, 08:16 Uhr :
Also, in dem einen Land ist die Opposition gut und die Staatsmedien schlecht, in dem anderen Land ist die Opposition schlecht und die Staatsmedien gut. Achn e, die sind hier ja unabhängig, daher keine Sorge. Immer schön grade so wie es passt. Und mal wieder mit Doppelstandard. Auf die Hintergründe gehen wir mal wieder nicht ein. Weiter so, WDR! Die Welt ist ja so schön einfach.
Antwort von Edgar S. , geschrieben am 15.04.2025, 09:59 Uhr :
Nein, Staatsmedien sind nicht in einem Land gut und in einem Land schlecht. Neutrale unabhängige Medien sind gut. Demonstranten und Journalisten einschüchtern und einsperren ist schlecht. Um das zu verstehen braucht man keine Politik studiert zu haben. Sondern man braucht nur nachzudenken.
Antwort von ZU , geschrieben am 15.04.2025, 10:18 Uhr :
Edgar, ich würde ihnen Recht geben, wenn es wirklich unabhängige Journalisten wären, welche keine Agenda für ausländische Geheimdienste bedienen oder zumindest deren Handlanger sind. Als Journalist kann sich jeder benennen, aber oftmals stecken dahinter Geheimdienstagenten oder deren Handlanger. Es gibt dutzende wenn nicht hunderte „Lawrences“ gegen die vorgegangen werden muss. Und glauben Sie mir, wirklich friedlich demonstrierende Bürger haben nichts zu befürchten. Wer aber Gewalt einsetzt und Staatsbeamte angreift, zum Teil auch mit ganz üblen Mitteln (Säureangriffe auf Polizisten), der muss sich nicht wundern, wenn der Staat auch dagegen was unternimmt. Das wäre in keine anderem Land anderst. Aber wir wissen es es ja zu Gut, dass man immer mit verschiedenen Ellen misst, wenn es einem so passt. U d das ist leider im sogenannten Westen zur Gewohnheit geworden! Mit diesem Vorgehen isolieren sie sich vom Rest der Welt, das nicht ausschliesslich aus Europa/USA/Israel besteht.
Antwort von Edgar S. , geschrieben am 15.04.2025, 13:18 Uhr :
Die kritischen Lehrer die versetzt werden sind auch alles ausländische Agenten? Hier geht es nicht um Türkei gegen den Rest der Welt. Hier möchten Türken eine gerechte Regierung die ihr Volk nach vorne bringt.
Antwort von ZU , geschrieben am 15.04.2025, 15:52 Uhr :
Lieber Edgar. Und sie können beurteilen welche Regierung gerecht und nicht gerecht ist? Ich sage es immer wieder, die grösste Schwäche der Türkei sind nicht die Regierenden, sondern eine schwache, nein sehr schwache Opposition, ohne Vision und Plan. Die können die Türkei bestimmt nicht nach vorne bringen. Sie können dieser Regierung alles vorwerfen, aber nicht, dass es das Land nicht nach vorne gebracht hat. Es mag nicht in ihr Weltbild passen, aber Türkei ist wieder ein globaler Player, was es seit 100 Jahren nicht mehr war. Am liebsten wollt ihr eine Regierung, der permanent nach der pfeife der Europäer/Amis/Israelis tanzt. Das ist Euer Wunschdenken. Ja, der Wirtschaft geht es momentan nicht gut, dennoch geht es dem Land um ein Vielfaches besser als in der Juntaregierungen davor. Vielleicht si d sie einfach nicht alt genug dies beurteilen zu können. LG
Kommentar 4: ZU schreibt am heute, 07:24 Uhr :
Wie können Sie so sicher sein, dass alles eine Verschwörung ist? Woher nehmen Sie die Frecheit zu behaupten, dass alles Fake News sind was aus den Regierungsnahen Medien kommen? Ich kann sehen versichern, dass ich mindestens soviele Nachrichten aus Regierungskritischen Medien konsumiere und meine Meinung selber bilde. Und da komme ich immer wieder auf den gleichen Entschluss. Irgend jemanden passt einfach nicht, dass sich die Türkei şn den letzten Jahren, Jahrzenten als einen regionalen/globalen Player entwickelt hat. Man möchte die Türkei wieder dort haben, wo man sie seit der Gründung der Republik immer gehabt hat, als Bittsteller und abhängig vom Westen. Die Bemühungen sich aus den Fängen zu befreien und seine eigene Politik, unabhängig zu machen, war noch nie einfach und da muss man immer gegen andere Mächte „kämpfen“. Sehr oft sind diese Mächte leider auch zu „Hause“ und Handlanger für andere. Möchtegern Journalisten wie sie es sind sind nur ein kleiner Teil davon. Grüsse aus CH.
Antwort von ZU , geschrieben am 15.04.2025, 07:39 Uhr :
Bitte entschuldigt mich für die Rechtschreibfehler im Text. Ich tipp gerade meine Worte unterwegs (mit der Bah) zur Arbeit mit meinen Wurstfingern auf dem Handy :). Einen schönen Tag allen. Grüsse aus Zürich
Kommentar 3: BA schreibt am heute, 06:37 Uhr :
Was hilft es sich zu äußern, wenn einem die Oppositionsstimme besser gefällt! So einen Einfluss, wie man es hier deuten will, hat Imamoglu nicht. Ist es möglich, dass eine Partei ignoriert wird? Ist es möglich, dass schlechte Entwicklungen fürs Land gezielt vermieden werden müssen? Ist es möglich, das zu fördern, was einem gefällt und das zu ignorieren, was einem nicht gefällt? In der ganzen Zeit, merke ich wirklich, dass Deutschland und die Türkei, sehr ähnlich sind. Wenn ihr auch in anderen Themen genauso intensiv Interesse zeigen würdet, könnte ich diese Uneigennützigkeit fast glauben. Tue ich aber nicht.
Kommentar 2: Hüseyin Gedik schreibt am 14.04.2025, 19:27 Uhr :
Herr Kara wie ist das überhaupt mit der gleichen Leier in den oppositionsmedien Umfragen hin und Umfragen her bei den letzten Umfragen vor den Präsidentschaftswahlen hatte der CHP Kandidat Kılıçdaroğlu ein Vorsprung von über 15% was ist aber gekommen erdogan hat mit knapp 5% Vorsprung die Wahlen gewonnen hier liegt eine Anschuldigung im Raum und der muss entkräftet werden warum wartet man nicht ab wie das Gericht entscheidet es kann ja nicht sein dass ein Bürgermeister keine Straftat begehen kann. Oder?
Kommentar 1: M. Lechmann schreibt am 14.04.2025, 15:45 Uhr :
Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen Erdogan und Putin.