Ein Schild auf dem in roter Schrift MeToo geschrieben steht.

Sieben Jahre "MeToo": Was hat es verändert?

Stand: 15.04.2025, 19:49 Uhr

Sieben Jahre ist es her, dass aus Missbrauchsvorwürfen gegen den US-Regisseur Weinstein die weltweite Bewegung "MeToo" wurde. Was hat sich seitdem geändert? Eine Bilanz.

Von Nina Magoley

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Im Oktober 2017 hatte die US-Amerikanerin Alyssa Milano auf Twitter nur diesen einen Satz geschrieben: "Wenn du sexuell belästigt oder angegriffen wurdest, schreibe 'me too' als Antwort auf diesen Tweet". Innerhalb weniger Stunden ging der Hashtag #metoo viral, einen Tag später war er bereits mehr als eine halbe Millionen mal auf Twitter verwendet worden.

 Ex-Hollywood-Mogul Harvey Weinstein.

Ex-Hollywood-Mogul Harvey Weinstein auf dem Weg ins Gericht

Auslöser waren Anschuldigungen mehrerer Frauen gegen den US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein. 2020 wurde Weinstein dann wegen sexueller Übergriffe und Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. Ein Berufungsgericht hob die Entscheidung allerdings vor rund einem Jahr wegen Verfahrensfehlern wieder auf. Jetzt wird der Prozess neu aufgerollt.

Weitreichende Folgen für Beschuldigte

Seitdem ist der Begriff "MeToo" zum Symbol für eine neue Aufmerksamkeit geworden, die alle Arten von sexueller Belästigung und Gewalt vor allem in Arbeitsverhältnissen meint. Zahlreiche Fälle wurden seitdem international bekannt - zunächst vor allem im US- Filmgeschäft, und oft mit weitreichenden Folgen für die Beschuldigten: Produktionsfirmen trennten sich von Schauspielern, Regisseure wurden als systematisch übergriffig entlarvt, der US-Schauspieler Kevin Spacey wurde sogar aus der bereits abgedrehten Netflix-Serie "House of Cards" herausgeschnitten.

Auch in Deutschland traten prominente Frauen plötzlich mit ähnlichen Vorwürfen an die Öffentlichkeit. So musste sich beispielsweise der Regisseur Dieter Wedel vor Gericht verantworten - der Prozess gegen ihn wurde wegen seines Todes 2022 allerdings nicht zum Ende gebracht. Der Comedian und Grimme-Preis-Träger Luke Mockridge verlor nach Vergewaltigungsvorwürfen seine Show, auch gegen den Schauspieler Til Schweiger und den Sänger der Band Rammstein gab es Vorwürfe.

Missbrauchsvorwürfe "sagbarer geworden"

Seit dem Bekanntwerden der ersten Fälle seien Missbrauchsvorwürfe "sehr viel sagbarer geworden", stellt Journalistin Juliane Löffler fest. 2021 recherchierte sie in einem Team zu den Machtmissbrauchsvorwürfen gegen den damaligen Chef der "Bild"-Zeitung Julian Reichelt, der schließlich seinen Posten räumen musste.

"Man ist sensibler geworden für Situationen, in denen Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt werden, vor allem im beruflichen Alltag", sagt auch Anne Rossenbach, Referentin beim Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) in Köln, "vom sich Antatschenlassen bis zu sexuellem Missbrauch". Auch andere Formen männlicher Übergriffigkeiten seien durch MeToo deutlicher erkennbar geworden: Etwa der Hang vieler Männer dazu, sich als "Erklärbär" darzustellen, männliche "Breitbeinigkeit" oder das berühmte "Mansplaining" - wenn Männer sprachlich suggerieren, dass sie einfach durch ihr Mannsein wissen, wo es lang geht.

Gewalt gegen Frauen keine "Privatangelegenheit" mehr

Hat diese Sensibilisierung auch im Alltag von Frauen, etwa beim Thema häuslicher Gewalt, etwas verändert? Hier sei schon seit Anfang der 2000er Jahre vieles in Bewegung geraten, sagt Rossenbach - unabhängig von MeToo: Gewaltschutzgesetz, Anti-Stalking-Gesetz, die Bundestagsentscheidung zu "Nein heißt nein" - mehrere wichtige Regelungen hätten dazu beigetragen, dass Gewalt gegen Frauen heute nicht mehr als Privatangelegenheit gesehen werde.

Zwar zeigen die jüngsten Polizeistatistiken, dass häusliche Gewalt - und auch Morde an Frauen - zahlenmäßig zugenommen hat. Ein Grund dafür sei aber, dass auch die Polizei heute sensibler reagiere, wenn eine Frau einen Notruf absetzt. "Es werden mehr Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert und gezählt", so Rossenbach. Dennoch gebe es "Nachholbedarf": Auch Beobachter von Gewalt - Nachbarn, Freundinnen oder Passanten - sollten mehr Mut entwickeln, die Polizei zu informieren.

Und wo es noch massiv hapere, sagt Rossenbach - wo auch MeToo kein neues Bewusstsein gebracht habe: Schutzeinrichtungen für Frauen - Frauenhäuser oder Beratungsstellen - sind nach wie vor bundesweit völlig unterfinanziert. In Köln beispielsweise würden eigentlich sechs volle Stellen im Gewaltschutz gebraucht - tatsächlich verfügt der SKF gerade mal über 1,38 Stellen.

Sieben Jahre #MeToo

WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 15.10.2024 13:19 Min. Verfügbar bis 15.10.2025 WDR 5


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Quellen:

  • WDR-Gespräch mit Anne Rossenbach vom Sozialdienst katholischer Frauen Köln
  • WDR-Radiointerview mit Journalstin Juliane Löffler
  • WDR-Radiointerview mit Juristin Lea Babucke
  • Nachrichtenagentur DPA

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2 Kommentare

  • 2 handelnstattsonntagsreden 15.04.2025, 20:43 Uhr

    Es gibt Handlungsbedarf, Frauenhäuser, Beratungsstellen, Gesetze und gesellschaftliche Aufklärung und Ächtung von Hass und Gewalt gegen Frauen. Klarstellen dass Abwertungen, Hinterherpfeifen nicht in Ordnung sind und keineswegs "nicht so schlimm". Immerhin wird Frauen jetzt mehr geglaubt statt abgewiegelt ... aber trotzdem ist da noch viel zu tun, dass Frauen sich in unserer Gesellschaft gut und sicher fühlen.

  • 1 me two 15.04.2025, 20:43 Uhr

    Nur ganz kurz: Ich habe einer Frau, an deren Auto der Auspuff abgefallen war und sie diesen anfassen wollte, dringen davon abgeraten, dass Teil wäre glühendheiß. Es folgte eine Ansprache vom feinsten, ua. ob ich annehmen würde das Frauen dümmer wären wie Männer usw. usw. Seidem halte ich keiner Frau mehr die Türe auf, biete nicht mehr meinen Sitzplatz in der Bahn oder im Wartezimmer an, ausser meiner eigenen Frau die im übrigen nicht so borniert ist.

    • @me 15.04.2025, 20:48 Uhr

      Nun, vielleicht waren Sie auch gerade im Mainsplaining-Modus und das ist schlecht angekommen? Auch ihre Wortwahl "borniert" läßt nicht darauf schließen, dass sie sensibel auf die Bedürfnisse von Frauen eingehen und sich selbst dabei reflektieren. Ebenso wie ihre Vorstellung, Frauen nähmen sie was weg, wenn sie nicht mehr die Tür aufhalten oder einen Sitzplatz anbieten - solche Handlungen gebietet die allgemeine geschlechtsunspezifische Höflichkeit.