Donald Trump und Benjamin Netanjahu

Gaza-Pläne: So funktioniert die "Methode Trump"

Stand: 05.02.2025, 14:55 Uhr

Will die USA den Gazastreifen übernehmen? Für Publizist Andrew Denison ist der Vorstoß nur ein Beispiel für die "Methode Trump".

US-Präsident Donald Trump hat neue Pläne für den Gazastreifen offengelegt. Das kriegsgebeutelte Gebiet soll in den "Besitz" der USA übergehen, sagte Trump am Dienstag im Beisein des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Zudem sprach sich Trump für eine dauerhafte Umsiedlung der Bevölkerung des Gazastreifens in andere arabische Länder aus.

Andrew B. Denison ist Direktor von Transatlantic Networks, ein Zentrum für politische Bildung und Beratung mit Sitz in Königswinter. Die Forschung des Zentrums konzentriert sich auf die Möglichkeiten und Grenzen einer Globalisierung der atlantischen Partnerschaft. Wir haben mit ihm über die "Methode Trump" gesprochen.

WDR: Herr Denison, der neue Trump-Plan zum Gazastreifen könnte kaum radikaler sein. Wie ernst muss die internationale Gemeinschaft das nehmen?

Andrew Denison: Das muss ernst genommen werden. Weil es eine Alternative darstellt - wenn auch eine sehr radikale Alternative, bei der die Schwierigkeiten bei der Umsetzung klar zu sehen sind. Es ist ein typischer Trump: Groß denken, sich abseits der ausgetretenen Pfade bewegen, und schauen was passiert. Die internationale Gemeinschaft sollte das nicht nur ernst nehmen, sondern auch abwägen, ob der Vorschlag vielleicht doch Potenzial hat. Natürlich muss man es blockieren, wenn dem nicht so ist.

WDR: Man kann sich heute kaum vorstellen, wie Gaza einmal zu einem friedlichen Teil eines Palästinenserstaats werden soll. Braucht es vielleicht sogar radikale Ideen?

Denison: Mutig zu experimentieren ist grundsätzlich ja nicht falsch. Der Nahost-Konflikt ist so alt und festgefahren, dass sich kaum jemand vorstellen kann, wie man diese Situation wieder auflösen könnte. Eine internationale Schutztruppe? Eine erneute Besetzung von Gaza durch Israel? Oder eine Fortsetzung der Hamas-Herrrschaft? Ob der Trump-Plan realistischer oder unrealistischer ist als andere Alternativen, das kann man derzeit noch nicht sicher feststellen.

WDR: Welche Strategie verfolgt Trump? Handelt es sich überhaupt um eine Strategie?

Denison: Es ist bei Trump immer schwer zu sagen, ob er eine bestimmte Strategie oder Taktik verfolgt. Ich würde eher sagen, er neigt dazu, alles aufzuschütteln und dann zu sehen, was daraus resultiert. Oder anders gesagt: Er versucht Blockaden mit radikalen Vorstößen zu durchbrechen. Seine grundsätzliche Strategie besteht meist darin, Diskussionen mit kontroversen Äußerungen zu befeuern, stets die Deutungshoheit zu bewahren und immer einen Schuldigen präsentieren zu können, wenn die Sache schief geht.

Porträt von Andrew B. Denison

Andrew B. Denison

Dabei versteht er es, seinen Ruf als Immobilien-Gigant zu nutzen und Regierungsarbeit so zu präsentieren, als ginge es darum, ein Hotel zu bauen. Wenn er Gaza als "demolition site" (deutsch: Abbruchgelände) beschreibt, in dem keiner mehr leben kann, das kommt bei vielen Menschen gut an.

WDR: Warum betont Trump, die USA würden den Gazastreifen nach der Umsiedlung der Palästinenser "besitzen"?

Denison: Das ist ein immer wiederkehrendes Motiv: Wenn er eine Leistung bringt, will er im Gegenzug auch etwas dafür haben. Schließlich würde eine US-amerikanische Besetzung von Gaza gigantische Summen verschlingen. Das zeigt sich auch im Umgang mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj, von dem er aktuell im Gegenzug zur amerikanischen Waffenhilfe die Lieferung von seltenen Erden verlangt.

WDR: In der kurzen Zeit seit der Amtsübernahme hat Trump bereits die Annexion von Grönland und des Panama-Kanals gefordert - und von Kanada, auch wenn das vielleicht ein Scherz war. Jetzt also auch noch Gaza?

Trümmer von Häusern in Gazastadt am 13.1.2025

Trümmerfeld Gazastadt

Denison: Gezielte Provokationen sind eine Spezialität von Donald Trump. Oft will er mit solchen Tabubrüchen nur von einem anderen Thema ablenken. Dazu muss er nur auf den Tisch hauen und sagen "Yes, we'll take it" - ob es dabei um Grönland oder Gaza geht, ist nicht weiter wichtig, sondern es geht um den Effekt. Die internationale Gemeinschaft ist zuverlässig empört und das Thema bekommt maximale Aufmerksamkeit.

WDR: Hatte Trump nicht versprochen, das internationale Engagement der USA zurückzufahren und Soldaten heimzuholen?

Denison: Die USA sind mittlerweile in aller Welt so stark engagiert und vernetzt, dass eine Rückkehr zum Isolationismus gar nicht mehr möglich ist. Wenn Trump damit droht, dass er die militärische Unterstützung für NATO-Partner einstellen wird, wenn sie zu wenig in ihre Verteidigung investieren, ist das unglaubwürdig. Dafür gäbe es auch im US-Kongress nie eine Mehrheit.

Aber er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Länder wie Deutschland erheblich weniger Geld für die eigene Sicherheit ausgeben als sie könnten und sollten.

WDR: Hätte Joe Biden sich ähnlich zu Gaza geäußert, hätte dies möglicherweise eine internationale Krise ausgelöst. Warum gelten für Trump andere Regeln?

Denison: Weil sich die Menschen an Trumps provokatives Dauerfeuer im Laufe der Jahre gewöhnt haben. Biden hat einen ganz anderen Ruf, er gilt als vorsichtig und stets auf Konsens bedacht. Dass die beiden Politiker mit völlig anderen Maßstäben gemessen werden, ist vielleicht nicht gerecht. Aber verständlich.

WDR: Gibt es so etwas wie eine "Methode Trump"? Wie würden Sie diese beschreiben?

Denison: Vieles lässt sich schon aus "The Art of the Deal", Trumps Buch aus dem Jahr 1987, herleiten. Dort hat er sehr detailliert seinen Verhandlungsstil beschrieben: Maximalforderungen stellen und dann schauen was passiert, stets die Schlagzeilen dominieren und Narrative kontrollieren, die Schwächen der Gegner ausnutzen. Das schafft er durch gezielte Tabubrüche und maßlose Übertreibungen. Dann natürlich Ängste schüren und Probleme personalisieren.

Einiges hängt auch untrennbar mit Trumps Persönlichkeit zusammen: Er ist ein wahrer Selbstdarstellungskünstler und schafft es einfach immer, im Mittelpunkt zu stehen.

Das Interview führte Andreas Poulakos.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 05.02.2025 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde um 18.45 Uhr.

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