Bundesweit bekannter Sterbearzt in Essen vor Gericht Lokalzeit Ruhr 28.01.2025 02:28 Min. Verfügbar bis 28.01.2027 WDR Von Carsten Koch

Bundesweit bekannter Sterbearzt in Essen vor Gericht

Stand: 28.01.2025, 20:54 Uhr

Der als "Sterbearzt" bundesweit bekannte Mediziner Dr. Johann Spittler muss sich seit heute wegen Totschlags vor dem Essener Landgericht verantworten. Der 82-Jährige soll einem schwer kranken Patienten aus Essen verbotene Sterbehilfe geleistet haben.

Von Thomas Becker, Carsten Koch

Im Sommer 2023 soll der Angeklagte Arzt dem Essener eine Infusion mit einer tödlichen Natriumlösung angelegt haben. Den Zulauf habe der Patient dann selbst geöffnet. Kurze Zeit später war er tot. Erlaubt ist diese Art der Sterbehilfe nur, wenn der Patient frei und verantwortlich über seinen Todeswunsch entscheiden kann.

Das hatte Johann Spittler, der viele Jahre als Psychiater und Neurologe tätig war, dem Mann auch attestiert. Zuvor hatte er ihn psychiatrisch untersucht und ärztliche Unterlagen über seine Erkrankungen ausgewertet.

Angeklagter: "Betroffenen mehrfach untersucht"

Der Angeklagte ist sehr zuversichtlich, im Recht zu sein. Er hat am ersten Prozesstag eine kurze Erklärung verlesen. Demnach hat er den Betroffenen aus Essen, 42 Jahre alt, mehrfach getroffen und untersucht: "Wenn ich nicht absolut überzeugt gewesen wäre, in ihm einen klaren und selbstbewusst denkenden Menschen vor mir zu haben, hätte ich es nicht gemacht."

"Freiverantwortlich" oder nicht?

Die Essener Staatsanwaltschaft sieht den Fall anders. Sie geht davon aus, dass der Patient vor seinem Freitod unter einer akuten Depression gelitten hat. Deshalb habe er die Tragweite seiner Entscheidung nicht erkennen können.

Nicht seine reale Lebenssituation, sondern die psychische Erkrankung habe ihn zu der Annahme gebracht, dass es keinen Zweck habe, weiterzuleben. Juristisch heißt das: Die für eine Sterbehilfe zwingend notwendige "Freiverantwortlichkeit" des Patienten habe nicht vorgelegen.

Sterbearzt in Essen vor Gericht WDR Studios NRW 28.01.2025 00:45 Min. Verfügbar bis 28.01.2027 WDR Online

Mediziner schon einmal verurteilt

Deshalb ist Johann Spittler jetzt wegen Totschlags angeklagt. Nicht zum ersten Mal. Vor einem Jahr hat ihn dieselbe Strafkammer am Essener Landgericht in einem ähnlichen Fall bereits zu drei Jahren Haft verurteilt. Damals hatte er einem psychisch kranken Patienten aus Dorsten Sterbehilfe geleistet.

Im Urteil sprach der Richter dem Mediziner damals nicht sein ehrenwertes Motiv ab. "Sein primäres Ziel war es, einer schwer kranken und leidenden Person den Wunsch zu sterben zu erfüllen", hieß es in der Urteilsbegründung. Das habe er aber nicht gedurft. Deshalb habe er sich des Totschlags schuldig gemacht. Dr. Spittler legte dagegen Revision ein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Für das jetzt anstehende Verfahren haben die Richter acht Verhandlungstage bis Anfang März anberaumt. Viel Zeit, um zu prüfen, ob die Suizidentscheidung des Patienten aus Essen "freiverantwortlich" war oder nicht.

Quellen:

  • Landgericht Essen
  • WDR-Reporter vor Ort