Missbrauchsprozess: Nach 40 Jahren sagt verurteilter Priester vor Gericht aus
Lokalzeit Ruhr. 04.04.2025. 03:20 Min.. Verfügbar bis 04.04.2027. WDR. Von Carmen Krafft-Dahlhoff.
Urteil erwartet: Missbrauchsopfer verklagt Bistum Essen
Stand: 25.04.2025, 06:00 Uhr
Am Landgericht in Essen wird heute das Urteil in einem aufsehenerregenden Missbrauchsprozess erwartet. Der Kläger fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld vom Bistum Essen.
Im Jahr 1979 war Wilfried Fesselmann elf Jahre alt und Messdiener. Damals, so berichtet er, habe ihn der ehemalige Kaplan Peter H. in dessen Dienstwohnung in Essen gelockt und dort sexuell missbraucht. Der Übergriff habe sein Leben tiefgehend verändert. Angststörungen, Alkoholabhängigkeit und Arbeitsunfähigkeit seien die Folgen gewesen.
Im laufenden Prozess in Essen geht es jedoch nicht um eine strafrechtliche Verfolgung. Die Tat ist verjährt. Das Gericht verhandelt jetzt die Frage, ob und in welcher Höhe das Bistum für ihn als Arbeitgeber haften muss. Fesselmann hat bisher 45.000 Euro Schmerzensgeld aus einem kirchlichen Fonds erhalten. Doch das seien eher Almosen als eine echte Entschädigung in seiner Lage.
Vergleichsfall aus Köln als Orientierung
Das Gericht soll deswegen nun entscheiden, ob deutlich mehr Schmerzensgeld angemessen wäre. Im Sommer 2023 hatte das Landgericht in Köln in einem anderen Missbrauchsfall einem ehemaligen Messdiener 300.000 Euro zugesprochen. Mindestens diese Summe fordert auch Fesselmann. Auch bei einem Fall Anfang diesen Jahres sah das Landgericht Köln nach WDR-Informationen eine Verantwortung der Kirche, wenn ein ehrenamtlicher Mitarbeiter Kindern sexualisierte Gewalt antut.
Dass in diesem Fall heute ein Urteil fällt, hält der Pressesprecher des Gerichts für wahrscheinlich. Theoretisch könnte das Gericht die Entscheidung jedoch auch vertagen, etwa um ein weiteres Gutachten einzuholen.
Überraschender Zeuge im Gerichtssaal

Überraschend als Zeuge aufgetaucht: Peter H.
Für große Aufmerksamkeit sorgte bereits der Prozessauftakt Anfang April: Der ehemalige Kaplan Peter H. erschien überraschend persönlich vor Gericht und äußerte sich. Nach 45 Jahren sah Fesselmann den heute 77-jährigen H. zum ersten Mal wieder.
Das Gericht hält Fesselmanns Aussage, dass es zum Oralverkehr gekommen sei, für "glaubwürdig und nachvollziehbar". H. selbst gestand vor Gericht, sich mit dem Jungen nackt ins Bett gelegt zu haben. Sein Versuch, sich ihm intim zu nähern, sei aber abgewehrt worden. Auch den Vorwurf des Oralverkehrs bestritt er - verwies aber dabei auf Erinnerungslücken.
Serientäter wurde wiederholt versetzt
Peter H. gilt als Serientäter. Jahrzehntelang wurde er wegen wiederholter Übergriffe immer wieder quer durch Deutschland versetzt. Insgesamt soll H. dutzende Kinder missbraucht haben - unter anderem in Bottrop und Bayern. 2010 wurde H. aus dem kirchlichen Dienst entfernt.
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort
- Wilfried Fesselmann
- Landgericht Essen
- Nachrichtenagentur dpa