Soldaten der Bundeswehr verladen Raketen für das Flugabwehrsystem Patriot

Rüstungsaktien kaufen oder nicht? Basis-Wissen für eine Entscheidung

Stand: 04.03.2025, 17:42 Uhr

Nach dem Stopp der US-Militärhilfe für die Ukraine steigen die Aktienkurse von Rüstungfirmen weiter. Was heißt das für Anleger? Hintergrundinfos zur aktuellen wirtschaftlichen Situation, moralischen und politischen Fragen.

Von Dominik Reinle

Die Ukraine braucht bei der Verteidigung gegen Russland dringend weitere Unterstützung. Denn US-Präsident Donald Trump hat offenbar die US-Militärhilfen für die Ukraine vorerst gestoppt.

Ursula von der Leyen steht an einem Rednerpult

Ursula von der Leyen

Die EU versucht nun die Lücke zu füllen: Vor dem EU-Krisengipfel zur Ukraine hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag einen Milliarden-Plan zur Aufrüstung Europas vorgelegt. Auch bei den Gesprächen von Union und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung geht es um ein weiteres Sondervermögen für Verteidigung und weitere Ukraine-Hilfen.

Rüstungsaktien als Anlage-Favoriten

Selenskyi und Trump im Weißen Haus

Eklat im Weißen Haus

Diese politischen Entwicklungen wirken sich direkt auf die Börse aus. Bereits nach dem Eklat im Weißen Haus am Freitag, bei dem Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Vorwürfen überzogen hatte, stiegen die Kurse der Aktien von Rüstungskonzernen.

"Die Rüstungsunternehmen werden sich in den nächsten Jahren nicht über Aufträge sorgen müssen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Handelshaus "CMC Markets" am Montag. Deshalb zählten Rüstungsaktien auch zu den absoluten Favoriten der Anlegerinnen und Anleger.

Einsteiger haben Kurssprung verpasst

Das zeigt sich auch am Kursverlauf der Aktie der Rheinmetall AG, die ihren Sitz in Düsseldorf hat und eines der größten deutschen Rüstungsunternehmen ist. "Die Aktie von Rheinmetall hat vor einem Jahr noch 425 Euro gekostet, mittlerweile ist sie 700 Euro teurer und kostet um 1.150 Euro", sagte der WDR-Wirtschaftsjournalist Michael Westerhoff am Dienstag. "Wer jetzt erst einsteigt, hat natürlich schon einen großen Kurssprung verpasst."

Alleine bei Rheinmetall habe es seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor drei Jahren "ein Kurs-Plus von knapp 700 Prozent" gegeben, sagte Melanie Böff, Wirtschaftsexpertin der ARD-Finanzredaktion am Dienstag dem WDR. "Ein ähnliches Bild zeigt sich bei anderen deutschen Rüstungskonzernen wie dem Panzergetriebe-Hersteller Renk und dem Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt." Solche Firmen könnten sich vor Aufträgen kaum retten.

Image-Wandel nach Russlands Angriff

Die Rüstungsindustrie war früher für viele Anlegerinnen und Anleger ein Tabu, heute boomt die Branche. "Mit Russlands Angriff auf die Ukraine hat sich bei vielen die Wahrnehmung der Verteidigungsindustrie gewandelt - raus aus der Schmuddelecke", so ARD-Wirtschaftsexpertin Böff. "Rüstung wird zunehmend als etwas Notwendiges gesehen - zur Verteidigung und auch Abschreckung."

Ob es moralisch okay ist, in Rüstung zu investieren, muss jede und jeder für sich entscheiden. "Bei dieser Entscheidung handelt es sich um ein typisches Dilemma", sagte Ökonomie-Professor Dominik Enste am Dienstag dem WDR. Er ist beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für den Bereich Wirtschaftsethik zuständig.

Keine eindeutige Antwort aus ethischer Perspektive

Ein Porträt von  Prof. Dominik Enste in Anzug und Krawatte vor grauem Hintergrund.

Professor Dominik Enste

Es gebe kein einfaches Richtig oder Falsch, so Professor Enste. "Bis vor drei Jahren war die Antwort für viele einfach; doch seit dem Angriff auf die Ukraine und die neue geopolitische Lage, sind Waffen für die Verteidigung ja selbst für viele Grünen-Politiker kein No-Go mehr."

Insofern könne man sogar moralisch eine Investition in Rüstungsindustrie rechtfertigen. "Ohne Rüstungsindustrie lässt sich Freiheit und eine freiheitliche Moral kaum verteidigen." Aber eine eindeutige Antwort gebe es hier aus ethischer Perspektive nicht.

Mit drei Fragen zur eigenen Entscheidung

Letztlich müsse jede und jeder für selbst entscheiden, ob und inwieweit man finanziell von Kriegsgefahren und Bedrohungen profitieren möchte. Eine Möglichkeit, dies für sich herauszufinden, bietet laut Enste die Beantwortung dieser drei Fragen:

  • Selbsteinschätzung: Kann ich morgens und abends nach meiner Entscheidung guten Gewissens in den Spiegel schauen?
  • Fremdeinschätzung: Können mir nahestehende Personen nachvollziehen, warum ich mich so verhalte?
  • Betroffeneneinschätzung: Dürfen die von meinem Verhalten betroffenen Menschen meine wahren Motive erfahren?

"Die Beantwortung der drei Fragen mit einem klaren 'Ja' hilft für eine erste Einschätzung und die Formulierung eines persönlichen, intuitiven Imperativs", sagte Enste.

Steuerzahler sind an Rüstungsausgaben beteiligt

Unabhängig davon, ob man Rüstungsaktien kauft oder nicht: Um die Beteiligung an der Finanzierung von Rüstungsprojekten kommen Steuerzahler ohnehin nicht herum.

"Wenn CDU und SPD in diesen Tagen über ein Sondervermögen für die Bundeswehr verhandeln, also einen riesigen Berg Schulden für Aufrüstung machen wollen, dann zahlen wir Bürger das irgendwann über unsere Steuern", sagte WDR-Wirtschaftsexperte Michael Westerhoff.

Geldscheine auf einem Brief mit der Aufschrift: Steuererklärung

Über die Steuererklärung beteiligt

"Wer in Rüstungsaktien investiert, kann zumindest ein Stückchen daran mitverdienen, dass sein Geld für die Aufrüstung der Bundeswehr investiert wird."

Unsere Quellen:

  • Professor Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
  • Melanie Böff, Wirtschaftsexpertin der ARD-Finanzredaktion
  • Michael Westerhoff, WDR-Wirtschaftsjournalist
  • tagesschau.de
  • Nachrichtenagentur DPA

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