Kommentar: Massiver Schaden für das Ansehen der Justiz
Stand: 05.02.2025, 12:14 Uhr
Die Besetzung des Präsidentinnen-Amt für das Oberverwaltungsgericht (OVG) ist inzwischen ein großer Skandal. Es sollten Konsequenzen folgen.
Von Christoph Ullrich und Autor
Untersuchungsausschüsse klären selten Schuldfragen. Sie gehen an die Strukturen und sie sind kompliziert. All das trifft auch auf die Frage zu, ob es bei der Besetzung des Präsidentinnenamtes am Oberverwaltungsgericht mit rechten Dingen zugegangen ist.
Seit ein paar Monaten tagt der Untersuchungsausschuss zur OVG-Besetzung und es ist schon eine Menge zusammen gekommen. Da gibt es Mails aus dem Justizsystem, wo sich freundlich zwischen Instanzen geduzt wird, um “gemeinsame Projekte” durchzukriegen.
Formfehler, fehlende Kontrolle und Unwahrheiten
Da ist ein Innenminister, der sich nicht eingemischt haben will, einer Bewerberin dann doch ein Gespräch zum Chef der Staatskanzlei vermittelt hat. Es gibt eine Richtervereinigung, welche Besetzungen kontrollieren sollte, aber es nicht darf oder kann; jeder Personalrat in einem großen Unternehmen ist mächtiger als dieses Gremium für wichtige Richterposten.
Da ist eine Bewerberin, die im Ausschuss forsch auftritt und gegen Mitbewerber persönlich austeilt. Man erlebt eine Staatssekretärin, die aggressiv vorträgt, um dann festzustellen, dass sie einen schwerwiegenden Formfehler begangen hat. Und da sind zwei unterlegene Bewerber, die deutliche Worte über das Verfahren finden. Einer spricht sogar dem grünen Justizminister ab, die Wahrheit zu sagen.
Wer schützt die Justiz?
Das alles ist nur die Spitze des Eisbergs. Noch viel mehr Mails und Erklärungen wurden bisher präsentiert. Sie alle nähren den Eindruck, hier sei eine politische Auswahl getroffen worden, statt eine nach Kompetenz. Und das an einer entscheidenden Nahtstelle der Demokratie: Bei der Besetzung eines der wichtigsten Richterposten.
Wenn wir in diesen Tagen von einer Brandmauer zu Rechtsextremen sprechen, gehört zu dieser auch, die Justiz zu schützen. Das, was wir nämlich bei der OVG-Besetzung sehen, ist doch eigentlich das Prinzip der rechtsextremen Systemsprenger, die parteipolitisch gewünschte Richter und Richterinnen in Ämter hieven. Damit versuchen sie das Justizsystem zu kapern, um den Staat von innen auszuhöhlen.
Missbrauch Tür und Tor geöffnet
Justizminister Limbach (Grüne)
In Ungarn, Polen und in den USA ist das so gelaufen. Zwar kann man schwarz-Grün nicht unterstellen, genau das bei der Besetzung des OVG im Hinterkopf gehabt zu haben. Trotzdem ist ein System zutage getreten, welches eine politische Besetzung problemlos möglich macht. Und damit ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Es ist also an der Zeit zu reagieren und die gesetzlichen Lücken bei der Besetzung von Richterämtern zu schließen. Dazu braucht es ein neues Gesetzgebungsverfahren, an dem Schwarz-grün gemeinsam mit der Opposition von SPD und FDP arbeiten sollte. Zumindest, wenn man es mit der Brandmauer für die Demokratie ernst meint.
Das Problem ist nur: Dieses Gesetzgebungsverfahren könnte natürlich indirekt ein Fehlverhalten des Justizminister Limbach (Grüne) offenlegen. Deshalb scheut man bei Schwarz-grün wohl die wirklich grundlegende Reform der Postenbesetzung an den Gerichten.
Limbach sollte den Weg frei machen
Dabei ist es doch gute Politik, wenn die Sache über persönlichen Posten und Interessen steht. Deshalb sollte Limbach den Weg für eine Reform der Besetzungsverfahren frei machen.
Wie ist egal. Das muss er am Ende mit sich selbst ausmachen. Aber meinen wir es ernst mit dem Schutz der Gewalten einer Demokratie, dann muss jetzt schnell was passieren. Sonst macht man sich bei späterem Missbrauch durch andere mitschuldig.
Diesen Kommentar senden wir auch bei WDR 5 im Westblick am 05.02.2025.