Kommentar: Grundsätzliche Einsicht in die Notwendigkeit
Stand: 13.12.2023, 17:05 Uhr
Die selbsternannte Zukunftskoalition aus CDU und Grünen muss Maß halten, kommentiert Wolfgang Otto. Milliardenschwere Investitionen in die Energiewende müssten warten. Und doch habe sich Schwarz-Grün wacker geschlagen.
Von Wolfgang Otto
Es werde Kürzungen und Einsparungen geben, denn die Bundesregierung habe nach dem Urteil des Verfassungsgerichts weniger Geld zur Verfügung. Das hat Bundeskanzler Olaf Scholz heute gesagt. Für die Bundesregierung ist das eine neue Situation. Und die Ampel-Parteien in Berlin waren ausreichend verdattert, dass sie ab sofort mit weniger Krediten auskommen müssen.
"Willkommen in unserer Welt", könnten die Regierungsparteien in NRW dem Kanzler zurufen. Denn was die Ampel jetzt schmerzhaft erfährt, das haben CDU und Grüne in NRW schon hinter sich. Bei der Aufstellung des Haushaltes für das nächste Jahr war von vornherein klar: Ein neues, großes Kreditpaket steht 2024 in NRW nicht mehr zur Verfügung. Schwarz-Grün hat es erst gar nicht auf die Weise wie die Ampel versucht - zum Glück muss man nach dem Urteil aus Karlsruhe sagen.
Ergebnis: Ausgerechnet die selbsternannte Zukunftskoalition aus CDU und Grünen in NRW muss nun Maß halten. Das Geld ist knapp, milliarden-schwere Investitionen in die Energiewende müssen warten. Die Haushälter der Regierungsparteien berichten von schwierigen Diskussionen darüber, wo gespart werden muss, um wenigstens die Ausgaben für Kitas und Schulen steigern zu können.
Landespolitik-Redakteur Wolfgang Otto
Aber: In dieser unkomfortablen Lage haben sich Christdemokraten und Grüne in NRW wacker geschlagen, wie ich finde. Anders als die Ampel im Bund hat sich Schwarz-Grün in NRW geräuschlos geeinigt. Irgendwie, hinter verschlossenen Türen, ohne offenen Streit, aber wohl mit einer grundsätzlichen Einsicht in die Notwendigkeit. Für die Grünen war das besonders schwer, weil sie nicht viel vom Schulden-Stopp halten. Und weil sie die kostspieligen Projekte im Programm haben.
SPD zeigt, was in ihr steckt
Die Parteien der Opposition redeten dagegen heute im Landtag so, wie man nur in der Opposition reden kann: Weitgehend frei von Sachzwängen. Die FDP pflegte mal wieder den Mythos, gewünschte Mehrausgaben könnten so einfach durch Streichungen an anderer Stelle im Haushalt gedeckt werden. Außerdem hatten die Liberalen sogar noch eine Senkung der Grunderwerbssteuer im Programm, die schon zu ihren Regierungszeiten nicht finanzierbar war.
Auf der anderen Seite zeigten die Sozialdemokraten was in ihnen steckt, wenn es ums Geldausgeben geht. Hohe Milliardenbeträge brachten sie in Stellung, für wirklich sinnvolle Rettungs- und Investitionspakete – aber leider fehlt dem Vorschlag die langfristig tragfähige Gegenfinanzierung. Wie soll das auch gehen unter den Bedingungen der Schuldenbremse? Es geht eben nicht. Das ist das Problem: Die Schuldenbremse im Grundgesetzt lässt eine vernünftige Politik nicht zu. Dementsprechend klamm standen die Abgeordneten von CDU und Grünen heute bei der Verabschiedung des Haushaltes für das nächste Jahr da. Der Finanzminister muss stille und eiserne Reserven anzapfen, um wenigstens bei Schulen, Kitas und Flüchtlingsversorgung mehr Geld ausgeben zu können.
Wer allen Parteien heute zugehört hat, ahnt aber wo die Lösung liegen könnte. Am besten wäre es, wenn man alle Ansätze sinnvoll kombinieren würde. Haushaltsposten streichen, die nicht wirklich gebraucht werden. Über Schulden finanzieren, was in Zukunft Rendite abwirft. Und am Ende dürfen auch Steuererhöhungen kein Tabu sein. Über den Mix könnten sich die Parteien dann trefflich streiten. Aber unter den Bedingungen der Schuldenbremse ist eine solche Debatte gar nicht möglich. Und deshalb mäanderte die Haushaltsdebatte heute so merkwürdig zwischen Traumtanz und Realität. Der selbst erzwungene Verzicht auf Kredite raubt der Politik den finanziellen Spielraum, den sie dringend braucht.