DGB-Umfrage: Zeitdruck und Hetze nervt viele Beschäftigte
Stand: 25.06.2024, 16:01 Uhr
Jeder zweite Beschäftigte in NRW fühlt sich bei Arbeit häufig gehetzt oder ständig unter Zeitdruck. Das ist das Ergebnis einer DGB-Umfrage. Viele sehen aber auch einen hohen Sinn in ihrer Arbeit.
Von Rainer Striewski
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Zu den Kommentaren [2]"Es macht einen klaren Unterscheid, ob ich zwei oder drei Patientinnen und Patienten in einem Frühdienst versorgen muss oder fünf bis sechs." Lena-Maria Snelting arbeitet als Pflegefachfrau auf einer kardiologischen Überwachungsstation. Bei weniger Patienten sinke nicht nur die Arbeitsbelastung, berichtet die 30-Jährige: "Sondern ich kann meinen Beruf auch so professionell ausüben, wie ich ihn gelernt habe."
Wie Lena-Maria Snelting geht es vielen Beschäftigten in NRW. Jede bzw. jeder zweite Beschäftigte fühlt sich bei der Arbeit häufig gehetzt oder ständig unter Zeitdruck. Das ist das Ergebnis von Befragungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zu den Arbeitsbedingungen unter rund 3.200 Beschäftigten in NRW. "Hier müssen die Alarmglocken bei Arbeitgebern und Politik angehen", erklärte Anja Weber, Vorsitzende des DGB in NRW, bei der Vorstellung der Zahlen am Dienstag in Düsseldorf.
Weniger Druck als Maßnahme gegen Fachkräftemangel
Anja Weber: "Hier müssen Alarmglocken angehen."
Es sei bekannt, dass viele Beschäftigte wegen des hohen Drucks bei der Arbeit ihre Arbeitszeit reduzierten, den Beruf wechselten oder vorzeitig in Rente gingen. "Nicht der übertriebene Wunsch nach 'Work-Life-Balance', sondern Überlastung ist oft der Grund dafür, warum diese Arbeitnehmer weniger arbeiten als sie eigentlich könnten", sagte Weber. Für sie ist klar: "Arbeitszeiten, die zum Leben passen und gleichzeitig klare Grenzen haben, werden dazu führen, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit aufstocken und dem Betrieb mehr Stunden zur Verfügung stehen können." Wer glaube, mit mehr Druck und längeren Arbeitszeiten den Fachkräftemangel bekämpfen zu können, sei auf dem Holzweg, ist Weber überzeugt.
Ältere sehen mehr Sinn in ihrer Arbeit als Jüngere
Während die Arbeitsintensität als besonders schlecht bewertet wird, sehen viele Beschäftigte aus NRW aber einen hohen Sinngehalt in ihrer Arbeit - ältere Beschäftigte sogar mehr als jüngere. Auch die Beschäftigungssicherheit gehört zu den am besten bewerteten Kriterien der Befragung, die der DGB in den Jahren 2020 und 2023 durchgeführt hat.
Nur 16 Prozent der Befragten bewerten ihre Arbeitsbedingungen insgesamt als gut, 15 Prozent hingegen als schlecht. Dabei gibt es zwischen den einzelnen Berufsbereichen große Unterschiede. Während die IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufe in der DGB-Umfrage am besten abschnitten, haben Pflegekräfte, Erzieher und Erzieherinnen sowie Lehrkräfte besonders stark mit Arbeitshetze zu kämpfen.
Und das könnte sich in Zukunft noch verschärfen: Dr. Stefanie Wolter vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit fürchtet, dass die Schere zwischen guten Arbeitsbedingungen für einige Tätigkeiten und schlechteren Bedingungen für andere Tätigkeiten - wie etwa Berufe in der Pflege - weiter auseinandergehen könnte. "Einige Rahmenbedingungen, vor allem der Arbeitskräftemangel, sprechen für eine weitere Verschlechterung von Arbeitsbedingungen", erklärt Wolter, die beim IAB das Projekt "Arbeitsqualität und wirtschaftlicher Erfolg" leitet.
Arbeitskräftemangel als Chance
Seit 2012 ist der DGB-Index "Gute Arbeit" in NRW und Deutschland leicht angestiegen. "Die Werte sind über die Zeit recht stabil", erklärt Stefanie Wolter, die allerdings mit Blick auf die Zahlen von 2021 feststellt: "Sowohl die Bindung an den Arbeitgeber und Arbeitszufriedenheit als auch die empfundene Wertschätzung durch Vorgesetzte und die Fairness waren größer als vor der Pandemie." Hier wäre es nun spannend zu sehen, ob sich bei den Arbeitsbeziehungen zwischen Betrieben und Beschäftigten etwas nachhaltig verändert habe.
Und wie ist der weitere Blick in die Zukunft? "In einer guten Arbeitswelt der Zukunft wird der Arbeitskräftemangel als Chance begriffen", betont Stefanie Wolter. Die Beschäftigten wären eine knappe Ressource, die durch flexible und gute Arbeitsbedingungen möglichst lange gesund im Arbeitsmarkt gehalten werden sollten. "Als Rahmenbedingung bräuchte man lebenslange Qualifizierungsmöglichkeiten, eine größere Durchlässigkeit zwischen Tätigkeiten und gesellschaftliche - auch finanzielle - Wertschätzung von systemrelevanter Arbeit."
40 Prozent befürchten unzureichende Rente
Ein weiteres Ergebnis der DGB-Umfrage: Viele Menschen haben finanzielle Sorgen. Sie empfinden ihre Einkommenssituation als belastend und glauben nicht daran, später eine auskömmliche Rente zu erhalten. So gaben 40 Prozent der Befragten an, dass ihre Rente aus der Erwerbstätigkeit nicht ausreichen wird.
2 Kommentare
Kommentar 2: Lurchi schreibt am 25.06.2024, 22:16 Uhr :
Bitte nicht nur immer die Mitarbeitenden in der Plege betrachten. Auch mal um den Einzelhandel Lebensmittel, Bekleidung usw. betrachten. Diese Arbeit ist sehr zeitintensiv, schwergewichtig und Kunden orientiert. 3000 qm Fläche mit 4 Mitarbeitenden bewältigen und nicht alle Kunden sind freundlich, um es mal gelinde auszudrücken. Das ist die Wahrheit. Bitte auch die 4 Tagewoche im Einzelhandel. Dann werden die Preise explodieren. Ich habe noch nie jemanden gehört, dass bei der 4 Tagewoche der 5 Tag für shoppen genutzt wird.
Kommentar 1: Lurchi schreibt am 25.06.2024, 21:58 Uhr :
Bitte nicht nur immer die Mitarbeitenden in der Plege befragen. Kümmern Sie sich mal bitte um den Einzelhandel, ob Lebensmittel, Bekleidung usw. Diese Arbeit ist sehr Kunden intensiv und schwer. 3000 qm Fläche wird mit 4 Mitarbeitenden betrieben. Hier wird das Personal unter Druck gesetzt und um es gelinde zu sagen, gequält. Bitte auch die 4 Tagewoche für die Mitarbeitenden.