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Lindner: Comeback oder Kassengift?
Stand: 06.12.2024, 12:54 Uhr
Lindner schlüpft, in der Hoffnung auf neue Erfolge, zurück in seine alte Rolle des politischen Märtyrers. Ob das gelingt?
Von Henrik Hübschen
Vielleicht hat Christian Lindner sich ein Beispiel an Tom Cruise genommen. Der US-Schauspieler schlüpfte vor zwei Jahren noch einmal in den Overall und legte mit “Top Gun: Maverick” eine spektakulär erfolgreiche Fortsetzung seines Kampfpiloten-Blockbusters aus dem Jahr 1986 hin.
Auch Lindner schlüpft in der Hoffnung auf neue Erfolge aktuell zurück in eine alte Rolle: die des politischen Märtyrers. Oder anders gesagt: Die NRW-Wahl 2017 hat angerufen und will ihre Wahlwerbespots zurück. “Haben Sie mal was gemacht, von dem Sie überzeugt waren, dass es richtig ist. Da schickt Dir niemand eine SMS und sagt: Das war richtig. Das hast Du gut gemacht. …. Und Du hast das alles vorher gewusst. Und trotzde gemacht. Weil es um etwas geht”. So klang das damals, in schwarz-weiß getaucht und von Lindner selbst vertont.
Und mal abgesehen davon, dass der Alles-vorher-gewusst-Lindner von damals heute das D-Day-Papier seiner Partei zum Ampel-Aus "nicht zur Kenntnis genommen“ haben will: Die Rolle des einsamen Kämpfers für die richtige Sache, gegen alle öffentlichen und politischen Widerstände, liegt ihm immer noch deutlich besser als die des Regierungspolitikers.
Nur er, so will er uns wieder glauben machen, hatte die Standfestigkeit und “den Mut, eine neue Dynamik zu entfachen”. Die FDP habe sich für den Erhalt der Schuldenbremse und die notwendige Wirtschaftswende aufgeopfert und dem Wahlvolk ein vorgezogene Urteil über die gescheiterte “Regierung Scholz” ermöglicht. Alte Lindner-Schule.
Schließlich ist es ja, “besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren” (Jamaika-Aus 2017) Und überhaupt: “Lieber neue Wahlen als neue Schulden”. (NRW-Wahl 2012).
Ist er also einfach prinzipientreu und konsequent? Vielleicht noch wichtiger: Reicht das alte Drehbuch, um die FDP wieder über fünf Prozent zu hieven?
Um nicht weniger geht es nämlich für Lindner und seine FDP. Aber eben auch nicht um mehr. Und damit hat der politische Überflieger seine Partei letztlich im Kreis geführt. Zumal Lindner schon jetzt erkennbar um Zweitstimmen der CDU-Wählerschaft wirbt: “Ich will jetzt der CDU nicht hinterherlaufen, aber ich bin mir jedenfalls sicher, Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, das wäre nur Ampel-Light.” Schwarz-Gelb? "Für das Land eine gute Perspektive.“
Das also bleibt von Lindners Antritts-Versprechen 2013, eine glaubwürdige, sichtbare Erneuerung der FDP als liberale, eigenständige und unabhängige Kraft zu erreichen: Lindner als Wingman von Merz, der verhindert, dass der “liebe Friedrich” vom Kurs abkommt und sich von Habeck oder Sozialdemokraten zu neuen Schulden und anderen vermeintlichen Schandtaten verführen lässt.
Verhindern: Das kann Lindner ja fast so gut wie verkaufen. Gut möglich, dass das für fünf Prozent plus X und sogar zum Comeback als Finanzminister reicht. Dann aber wartet Lindners schwierigste Rolle: Ohne Selbstblockade à la Ampel müsste Lindner an der Seit von Merz nämlich beweisen, dass er auch gestalten kann. Und will. Damit würde er sich nochmal ganz neu selbst erfinden.
Das wäre ein Stunt, den sich wohl nicht einmal Tom Cruise zumuten würde. Vorher mus Lindner allerdings beweisen, dass er für seine FDP am 23. Februar nicht zum Kassengift wird.
Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen - an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren: