Na, diese Woche noch Lust? Lust auf noch einen Text zur heiligen Schrift? So kurz vor Palmsonntag. Versprochen, ich mach’s kurz: Wir haben einen Koalitionsvertrag! Was dachten Sie denn jetzt? Die Bibel? Da steht ja nichts Sinnvolles drin, was ich für die Zukunft wissen muss. Zu meiner Rente zum Beispiel. Ah. Doofes Beispiel...
Nun ja. Die Prophezeiung von einer fertigen Regierung bis Ostern hat – joa – nur grob hingehauen. Aber die Apostel Merz, Klingbeil, Söder und Esken haben immerhin einen Kanon des „Das-muss-jetzt-halt-so“ niedergeschrieben. Die Republik ist so von Euphorie geschwängert wie Maria von Joseph.
Die genaue Zahl der dafür nötigen Abendmahle, die uns zu dieser Schrift geführt haben, ist leider nicht genau überliefert und die Sorge, dass kein Lind… eh Judas diesmal mit am Tisch sitzt, muss man jetzt einfach mal wegbeten.
Viele Skeptiker urteilten schon früh über diese Regierung, sie sei vor Beginn schon gescheitert. Und auch aus den westlichen Gebieten des Landes klingen die Jubel-Rufe eher protestantisch nüchtern. So auch die des CDU-Landesfürsten Hendrik Wüst. Dieser stellt am Donnerstag in Düsseldorf fest, dass nicht alle Schritte hin zu erwarteten Strukturreformen in Staat und Wirtschaft zu Papier gebracht wurden.
Doch umgehend und barmherzig spendete er Trost, denn der Vertrag biete "zahlreiche Möglichkeiten" an "ganz vielen Stellen", damit Deutschland die "notwendigen Veränderungen bekommen kann". Ja, Hosianna!
Aber auch wenn es in diesen Tagen oft so klingt: 144 Seiten Koalitionsvertrag sind nicht die 10 Gebote und schon gar kein göttliches Schicksal, dass am Ende die größten Befürchtungen eintreten werden. Gesetze müssen erstmal geschrieben und diskutiert werden.
Und bei aller „Ein-Anfang-OHNE-Zauber-Rhetorik“. Lassen wir sie doch erstmal für einen Moment machen. Ich war schon immer ein Fan der 100-Tage-Schonzeit. (Selbst wenn sich Merz diese selber im Wahlkampf gefühlt nicht gegeben hat). Doch der eine oder andere Punkt – Industriestrompreis, Körperschaftssteuersenkung, Bürokratieabbau – verspricht zumindest der Wirtschaft im Industrieland NRW doch einen Hauch von Wiederauferstehung. Und das wäre kein so schlechter Anfang.
Für die weniger bibelfesten Leser unter Ihnen: Palmsonntag, ist der Beginn der Leiden Christi. Hoffen wir doch einfach mal, dass die Bevölkerung unter Schwarz-Rot etwas besser davon kommt.
Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen – an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds.
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