Kirmessaison geht los: Wie teuer ist unsere Sicherheit?
Aktuelle Stunde . 19.03.2025. 20:02 Min.. UT. Verfügbar bis 19.03.2027. WDR. Von Anna Deschk.
Die Kirmes-Saison in NRW geht los: Was ist uns unsere Sicherheit wert?
Stand: 19.03.2025, 19:22 Uhr
Die Frühjahrskirmes in Lage fällt aus. Die Anforderungen an die Sicherheit sind zu groß. Wie sieht's an anderen Orten in NRW aus?
Es ist eine Nachricht, die viele Menschen in Lage (Kreis Lippe) traurig gestimmt haben dürfte: In ihrer Stadt fällt die für kommendes Wochenende geplante Kirmes zum Frühjahrsmarkt aus. Grund sind die hohen Sicherheitsanforderungen, deren Kosten den Veranstaltern zu hoch waren. Gefordert waren unter anderem 30 LKW, um Zufahrtsstraßen zu versperren.

Mit Lkws sollen Zufahrten zu Volksfesten gesichert werden (Archiv).
Anstelle der Kirmes soll nun in Lage eine andere Veranstaltung am verkaufsoffenen Sonntag stattfinden, ohne gleichwertige Sicherheitsmaßnahmen, sagte Albert Ritter, der Präsident des Deutschen Schaustellerbundes zu der Neuigkeit am Nachmittag: "Jetzt wird da ein Frühlingsfest veranstaltet mit Hüpfburgen und anderem, aber da wird wohl nicht gefordert, dass da taktische Sperren aufgestellt werden und das verwundert uns sehr."
Weitere Kirmessen in NRW sollen voraussichtlich nicht ausfallen
Nach einer Umfrage des WDR unter Städten in NRW scheint die Kirmessaison in NRW nicht in Gefahr zu sein - trotz gestiegener Kosten für die Sicherheit.
In Münster startet am Samstag der Frühjahrssend - ein großes Volkesfest, zu dem mehr als eine Million Besucher erwartet werden. Der Aufbau läuft. Nicht nur die Karussells und Buden müssen aufgebaut und gereinigt werden. Auch die Sicherheit ist ein großes Thema.
Wobei das Sicherheitskonzept schon seit Jahren einen Großteil der Vorbereitung einnimmt, wie der langjährige Send-Marktmeister Wolfgang Rölver dem WDR sagt. Sicherheitskonzepte müssten angepasst und mit Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr abgestimmt werden. Inzwischen gehe man das Thema nicht mehr so vergleichsweise unbekümmert an, wie das vielleicht früher einmal war. "Heute steckt schon viel mehr Planung darin", so Rölver.
Palmkirmes in Recklinghausen und Cranger Kirmes in Herne sollen stattfinden
Ebenso wie die Frühjahrssend in Münster geht nach derzeitigem Stand auch die für den 4. April geplante Palmkirmes in Recklinghausen wie geplant über die Bühne. Das Sicherheitskonzept sei, wie in der jüngeren Vergangenheit in anderen Städten auch, nachgeschärft worden. Das betreffe etwa die Absicherung des Veranstaltungsgeländes bei gleichzeitigem Freihalten von Fluchtwegen.
Und auch bei der berühmten Cranger Kirmes in Herne, die in diesem Jahr am 31. Juli für zehn Tage startet, steht eine Absage derzeit nicht im Raum. Das Sicherheitskonzept der Cranger Kirmes werde "fortlaufend den sich ändernden Bedingungen" angepasst, hieß es von Veranstalterseite gegenüber dem WDR. Vor allem die Absicherung des Veranstaltungsgeländes mit der mobilen Herner Truck Sperre (HTS) sei auf der Grundlage der vor Ort gesammelten Erfahrungen der Vorjahre optimiert worden. Unter dem Strich seien unlösbare Probleme bis jetzt nicht ersichtlich.
Kritik an Kosten für Schausteller

Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes
Albert Ritter, der Präsident des Deutschen Schaustellerbundes, kritisiert, dass die Kosten je nach Kommune von den Schaustellern getragen werden sollen. Terrorabwehr sei Sache der Städte und Gemeinen, weil die Kirmessen auf öffentlichen Grund stattfinden und die Schausteller Terror nicht selbst verursachen würden, wie beispielsweise Stromkosten. Lobend erwähnt er die Stadt Bottrop, die für 380.000 Euro wiederverwendbare Sperren angeschafft hat. Er schlägt vor:
Es wäre doch eine gute Idee, wenn die Städte und Kommunen untereinander solche Dinge ausleihen könnten, dass man das gemeinschaftlich anschafft, um die Sicherheit zu garantieren. Albert Ritter, Deutscher Schaustellerbund
Zahlen die Schausteller dafür, würden sich auch die Preise für Kirmesgäste erhöhen. Die Kosten für die Sicherheit von Volksfesten sind erheblich gestiegen: Bei der großen Cranger Kirmes in Herne zum Beispiel hätten sich die Ausgaben für Sicherheit in den letzten Jahren um einen sechsstelligen Betrag erhöht.
Auch beim Send in Münster am kommenden Wochenende wird groß aufgefahren: Ein Zaun, Taschenkontrollen am Eingang und Betonpöller. Hier trägt die Kosten aber die Stadt. 2023 gab es bereits einen tödlichen Messerangriff auf dem Send in Münster. Wegen diesem und diverser anderer Anschläge in der jüngeren Vergangenheit hat das Landesinnenministerium die Sicherheitsauflagen für öffentliche Veranstaltungen drastisch verschärft. Das galt bereits im Karneval - und gilt nun auch für Kirmessen.
Zahlreiche Vorfälle haben Diskussionen über die Sicherheit auf Volksfesten ausgelöst
- März 2023: Ein tödlicher Messerangriff auf dem Send in Münster. Ein 31-Jähriger gerät vor einem Fahrgeschäft in Streit mit einem 21-Jährigen - der sticht dem Vater ins Herz.
- August 2024: Terroranschlag auf dem Stadtfest in Solingen. Drei Menschen sterben.
- Dezember 2024: Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg rast ein Auto in die Menschenmenge. Sechs Menschen sterben.
Bereits im Karneval galten dieses Jahr hohe Sicherheitsmaßnahmen. Die zu erfüllen, gelingt nicht immer - so wie bei der abgesagten Kirmes in Lage.
Anders in Neuenrade: Dort konnten in der vergangenen Woche die Sicherheitsvorgaben erfüllt werden und die Frühlingskirmes "Gertrüdchen" stattfinden. Die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen trug in diesem Jahr das Stadtmarketing. Zusätzlich zu den Betonklötzen wurden die Rettungswege mit Schranken und Transportern abgesichert.
Über dieses Thema berichten wir auch im WDR Fernsehen: Aktuelle Stunde am 19.3. um 18.45 Uhr.
Unsere Quellen:
- Interview mit Albert Ritter
- WDR-Anfragen Städte und Gemeinden in NRW