Besuch im Stall des Landwirtschaftszentrums "Haus Düsse" in Bad Sassendorf. Hier stehen schwarz-weiß gefleckte Kühe brav nebeneinander und kauen Heu. Ein ganz normaler Kuhstall - auf den ersten Blick zumindest. Wer nach oben schaut, sieht viele kleine Kameras, die auf die Tiere gerichtet sind.
KI im Kuhstall
Katharina Dahlhoff ist hier die Leiterin der Abteilung Digitalisierung und erklärt, was es mit der Überwachung auf sich hat. "Die Kameras zeichnen nicht nur die Stallumgebung, sondern vor allem die Kühe auf. Sie können erkennen, was die Tiere machen." Dabei kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz, denn zusätzlich zu der Dauerüberwachung bewertet die Technologie anhand der Bilder auch, was die einzelnen Tiere für einen Eindruck machen.
Auf einem großen Monitor, der mitten im Stall aufgebaut ist, kann man die Strecken zurückverfolgen, die die Tiere in ihrem Laufstall gehen.
Hat ein Tier Fieber oder frisst es zu wenig, bekommt der Landwirt einen Hinweis. Sensoren am Halsband messen, wie oft eine Kuh das Futter wiederkäut. Ein Sensor im Magen misst die Körpertemperatur und registriert, wie viel ein Tier frisst und trinkt. Eine Menge an Daten, die da ausgewertet werden. "Die genauen Datenmengen und auch die Verläufe zu erkennen, das ist eben das, was die KI doch besser kann."
KI belauscht die Schweine
Nebenan forschen die Experten auch an einem Schweinestall der Zukunft. Dieser Drei-Millionen-Euro-Stall ist lichtdurchflutet und luftig gebaut und auch hier arbeitet KI im Hintergrund mit. Künftig könnten Schweine in einem solchen Stall nicht nur mit Kameras überwacht, sondern auch mit speziellen Mikrofonen abgehört werden, denn auch Geräusche und Töne verraten viel darüber, wie es den Tieren geht. Eine KI hat zuvor gelernt, die Geräusche zu unterscheiden. Hustet ein Schwein, wird der Bauer zum Beispiel per App benachrichtigt. "Er kann ja nicht 24 Stunden am Tag im Stall sein." Bald könnte sich die Künstliche Intelligenz so weiterentwickeln, dass sie viele verschiedene Geräusche unterscheiden kann.
Das Ziel: Die Technik entlastet die Landwirte, sie lernt mit und kann am Verhalten der Tiere später ablesen, was diese brauchen - zum Beispiel mehr Schatten im Stall. "Die KI soll das später selber steuern, ohne dass der Landwirt ständig auf die Kamera schauen und Daten ablesen muss", erklärt Projektleiter Tobias Scholz. "Mit der Technik, die wir hier einbauen, wollen wir erproben, was das den Landwirten und den Tieren bringt. Wir müssen dazu aber noch ein paar Jahre Erfahrungen sammeln." Klar sei dabei, dass die KI den Landwirt nur unterstützen, aber sein Wissen und seine Erfahrung nicht ersetzen könne.
Übrigens: In vielen Ställen sind automatisierte Systeme bereits seit Jahren verbreitet. Längst übernehmen hier auch Melk-, Fütterungs- und Einstreuroboter sowie Gülle-Schieber die Arbeit.
Berry, der smarte Erntehelfer
Wie die KI immer rarer werdende Feldarbeiter bei der Ernte ersetzen könnte, zeigt ein anderes Beispiel. In einer riesigen Halle des Birkenhofs in Baden-Württemberg wachsen abertausende Erdbeeren heran. Plötzlich schiebt sich ein weißer Greifarm auf Rollen durch die Pflanzenreihen. Gezielt steuert er auf einen Erdbeerstrauch zu, fährt eine Art Pinzettenfinger aus, packt die Frucht präzise am Stiehl, ohne Druckstellen zu hinterlassen, und platziert sie sanft in einem Schälchen.
Pflückroboter im Praxistest
Berry heißt der wundersame Pflückroboter. Der smarte Helfer erntet genau so schnell wie ein Mensch, aber: Er kann an sieben Tagen rund um die Uhr eingesetzt werden, braucht keine Pausen, macht keinen Urlaub und arbeitet nachts mit Beleuchtung. Gepflückt wird nur, was die KI-Kameras als reif erkennen.
Entwickelt wurde der Roboter vom Konstanzer Start-up Organifarms, hier auf dem Birkenhof darf er jetzt testweise pflücken, um den Landwirt zu überzeugen. "Wir haben immer schon viele Dinge probiert", erklärt Obstbauer Gerhard Deuschle vom Birkenhof. "Ich denke, dass das der richtige Weg ist, um nicht stehen zu bleiben." Bislang ist Berry ein Prototyp, den es noch nicht zu kaufen gibt.
Autonomer Schlepper ackert auf dem Feld
Auch Landwirte in NRW haben schon testweise Roboter eingesetzt, Johannes Miermann aus Bottrop, zum Beispiel. Der hatte einen selbstfahrenden Schlepper zu Gast.
Das autonome Raupenfahrzeug hat kein Führerhaus, ist aber ausgestattet mit Sensoren, GPS und Kameras. Es kann ohne Aufsicht und vor allem stundenlang das Feld beackern. Das Gefährt muss zuvor mit vielen Daten gefüttert werden. Aufs Feld kommt der tonnenschwere Roboter mit einem Tieflader, da er auf öffentlichen Straßen nicht fahren darf. Und der fleißige Mitarbeiter hat seinen Preis: stolze 300.000 Euro. Und das müsste der Landwirt aus eigener Tasche bezahlen.
Und das bringt am Ende auch den Landwirt zum Grübeln: "Es ist natürlich ein Kostenfaktor. Man weiß halt überhaupt nicht, wie das Ding in acht bis zehn Jahren bewertet wird. Bei meinem Schlepper weiß ich, der ist abgeschrieben und ist noch 100.000 Euro wert."
Bauernhöfe werden immer digitaler
Kühe werden von Robotern gemolken, Traktoren fahren autonom und Daten werden in der Cloud gespeichert. Digitale Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz für Felder und Ställe rücken nach Branchenangaben in der Landwirtschaft immer stärker in den Blick. Mit Einsatzmöglichkeiten dafür befasst sich derzeit fast die Hälfte der Höfe, wie der Digitalverband Bitkom und die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft Anfang Juni 2024 nach einer Befragung unter 500 Betrieben mitteilten. Knapp jeder zehnte Landwirtschaftsbetrieb (neun Prozent) setzt demnach bereits Künstliche Intelligenz ein.
Das größte Potenzial für KI-Einsatz in der Landwirtschaft wird laut Bitkom in Vorhersagen und dem Pflanzenschutz, aber auch in der Büroarbeit gesehen: 54 Prozent der Betriebe, die KI bereits einsetzen, es planen oder diskutieren, tun das demnach für Klima- und Wettervorhersagen. 46 Prozent dieser Betriebe, wollen den Pflanzenschutz, zum Beispiel durch Krankheitsdiagnosen und 20 Prozent die Gesundheitsüberwachung in der Viehzucht verbessern.
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