Negativ aufgefallen sei ihm die betroffene Gesamtschule Nordstadt zuvor nicht, sagt Umut Ali Öksüz. Der islamische Religionspädagoge arbeitet in Neuss mit vielen muslimischen Schülern; Lernförderung und Extremismus-Prävention sind seine Hauptthemen.
Öksüz sagte dem WDR, sowas könne an vielen Schulen im Land passieren, die einen hohen Migrationsanteil hätten. Zur Erinnerung: Muslimische Oberstufenschüler sollen in Neuss gefordert haben, dass Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet werden, dass sich Mädchen der Scharia gemäß bedecken. Und sie sollen sich ablehnend über die Demokratie geäußert haben. Vor gut zwei Wochen waren die Vorfälle an die Öffentlichkeit gekommen.
Radikale Gruppen vermitteln Anerkennung
Pädagoge Umut Ali Öksüz
Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund suchten nach ihrer Identität, sie würden oft hinterfragt, erklärt Öksüz: "Radikale Gruppen hinterfragen nicht, woher Du kommst, Du bist sofort Bruder oder Schwester und bist sofort in diesen Kreisen. Und damit erhalten Jugendliche Anerkennung und sind sofort auch Teil dieser Community."
Identitäts- und Persönlichkeitsarbeit sei mit den Jugendlichen besonders wichtig, sagt Öksüz. Doch dafür fehle vielen Schulen Fachpersonal, etwa aus der Medienpädagogik: "Jugendliche sind oft unter sich. Und da kommt man schon mit einem Gedankengut an, das nicht in unsere Gesellschaft passt. Das ist dann schon eine Herausforderung, den Jugendlichen Wege aufzuzeigen, dass es eben auch anders geht."
Mehr Unterstützung für Schulen gefordert
Stadtelternrat Roman Piel
Eine Herausforderung, die die vielerorts überlasteten Lehrkräfte oft nicht stemmen können, meint Roman Piel, Vorsitzender des Stadtelternrates in Neuss: "Meines Erachtens brauchen wir an unseren Schulen Schulpsychologen und auch Sozialarbeiter, um Schulleitungen und Lehrkräfte zu entlasten."
Im Deutschen Schulbarometer von Ende 2022 gaben Schulleitungen an, dass es nur an zwei Dritteln aller Schulen bundesweit Sozialarbeiter gibt, Schulpsychologen sogar nur an einem Drittel. Und selbst dort, wo Psychologen oder Sozialarbeiter tätig sind, sagt laut Befragung jede zweite Schulleitung, dass diese Unterstützung nicht ausreiche.
Schulministerium will sensibilisieren und helfen
Ist Neuss ein Einzelfall? Neben den Vorfällen dort wurden in NRW seit 2019 fünf weitere Fälle von Bedrohung mit islamistischem Hintergrund von Schulen gemeldet, unter anderem im vergangenen Jahr in Bonn. Wie hoch die Dunkelziffer ist, ist unklar.
NRW-Schulministerin Feller
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) will die Verantwortlichen unterstützen. Ende vergangenen Jahres hätten Schul- und Innenministerium alle Schulaufsichtsbehörden, Schulpsychologen und Krisenteams eingeladen, um zu Islamismus und Antisemitismus zu informieren und zu sensibilisieren, so Feller: "Wir sind jetzt dabei, nochmal zu überlegen, wie wir zum Beispiel nochmal Webinare für die Lehrkräfte insgesamt an den Schulen anbieten können."
Schule und Politik in Neuss wollen aufarbeiten
Neusser Gesamtschule Nordstadt
Die Gesamtschule Nordstadt in Neuss will die Vorfälle intern aufarbeiten, aktuell ermittelt noch der Staatsschutz wegen des Verdachts auf Bedrohung und Nötigung. Gegenüber dem WDR wollten sich weder Schulleitung noch Schülervertretung und Schulpflegschaft öffentlich äußern.
Die Neusser Politik plant für Ende Februar eine Sondersitzung von Schul- und Jugendhilfeausschuss, um dann zusammen mit der Bezirksregierung über Konsequenzen aus den islamistischen Vorfällen zu beraten.