Erst im August 2024 gab es auch in NRW beunruhigende Nachrichten aus gleich mehreren Kasernen. Der Verdacht: Jemand könnte sich in den Bundeswehr-Kasernen in Mechernich und in Köln an der Wasserversorgung zu schaffen gemacht haben. An beiden Standorten gab es offenbar Schäden am Zaun, der das Gelände umgibt. Obwohl sich herausstellte, dass das Trinkwasser nicht belastet war, blieb doch der Sabotage-Verdacht im kollektiven Gedächtnis hängen.
Nach Sabotageakten an Paketen mit Brandsätzen haben Ermittler nun mutmaßlich Beteiligte identifiziert. Nach Recherchen von WDR, NDR und SZ gab es auch in Deutschland eine Durchsuchung. Der russische Geheimdienst GRU soll dabei "Wegwerf-Agenten" eingesetzt haben.
Die Gefahren durch Sabotage und Desinformation werden immer noch stark unterschätzt, sagt auch Arndt Freytag von Loringhoven, ehemaliger Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes und beigeordneter Generalsekretär für geheimdienstliche Zusammenarbeit der NATO. Wir haben mit ihm über Billig-Agenten, alte Feindbilder und neue Befugnisse der Geheimdienste gesprochen.
WDR: Wir haben möglicherweise noch klassisch ausgebildete Agenten vor Augen, aber es gibt mittlerweile auch sogenannte Low Level Agenten. Für Sie wahrscheinlich nichts Neues, oder?
Arndt Freytag von Loringhoven: Genau, das sind nicht-professionelle Agenten, die russische Geheimdienste angestellt haben. Häufig Kleinkriminelle, Menschen in Not, manchmal auch Menschen, die erpresst werden. Das hat sich stark gehäuft nach 2022, nach dem Großangriff Russlands auf die Ukraine. Danach sind über 70 nicht deklarierte russische Spione ausgewiesen worden und dafür musste Ersatz geschaffen werden. Diese Low Level Agenten sind einfach anzustellen, relativ billig und können auch effizient agieren.
WDR: Viele glauben einfach nicht, dass solche Motive den Kreml treiben könnten, unsere Demokratie und Gesellschaft zu destabilisieren. Was bringt Sie zu der Annahme, dass das eine Strategie sein könnte?
Freytag von Loringhoven: Letztendlich geht es um eine Radikalisierung der russischen Politik in den letzten 25 Jahren. Russland ist immer imperialistischer geworden. Die Wiedererlangung eines russischen Großreiches samt Einflusszonen auch in Europa ist das wichtigste Ziel. Dadurch ist der Westen immer mehr zum Feind geworden. Es ist ein probates Mittel, nicht nur militärisch aufzurüsten, sondern zu versuchen, auch europäische Länder von innen auszuhöhlen, die Demokratie zu schwächen und Zweifel an unseren Institutionen und auch Medien zu vermehren. Dafür gibt es Sabotage und Desinformationskampagnen.
Russlands hybrider Krieg: "Wichtig zu sensibilisieren". WDR 5 Morgenecho - Interview. 23.04.2025. 06:38 Min.. Verfügbar bis 23.04.2026. WDR 5.
WDR: Wir reden über weiche Ziele - also Löcher in Zäunen zur Trinkwasserversorgung für Bundeswehrstandorte, lahmgelegte Stellwerke für die Deutsche Bahn, Cyberattacken auf Abgeordentenbüros im Bundestag. Lässt sich so etwas überhaupt schützen?
Freytag von Loringhoven: Man kann sicherlich noch sehr viel mehr tun, um Dinge zu schützen. Ein Beispiel: Es sind verdächtige Drohnen beobachtet worden, die über LNG-Terminals oder abgeschalteten Nuklear-Kraftwerken kreisten. Man müsste die Fähigkeit haben, so eine Drohne im Notfall abzuschießen. So etwas haben wir nicht. Unsere eigenen Geheimdienste müssten auch befähigt werden, Dinge aufzuklären. Hier haben wir uns immer eigentlich auf die Amerikaner und andere Dienste abstützen können. Wir müssen die Fähigkeiten unserer Dienste stärken. Da kommt jetzt etwas Neues im Koalitionsvertrag. Die dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen wird eingeführt. Aber das kann auch nur ein Anfang sein. Wir müssten zum Beispiel besser an Finanztransaktionen herankommen können. Die spielen ja eine wesentliche Rolle bei den Low Level Agenten.
Das Interview führte Uwe Schulz im WDR5-Morgenecho
In der ARD-Mediathek ist ab heute hier eine Doku abrufbar, die die Sabotage-Akte beleuchtet. Die Doku beinhaltet die Recherchen von WDR/NDR und SZ. Die ARD-Story "Sabotage - Deutschland in Putins Visier" zeigt das Erste um 22.50 Uhr