Der Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP hat sich auf einen schnelleren Ausbau bestimmter Autobahnprojekte verständigt. Zumindest optional, wie die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge im Gespräch mit dem WDR präzisiert. Man habe sich darauf geeinigt, im "Planungsrecht einen neuen Abwägungsgrund zu schaffen", der zu einer Zeitersparnis von "einigen Monaten" führe: "Das heißt aber noch gar nicht, dass dieses Projekt jetzt irgendwie priorisiert wird innerhalb des gesamten Bundesverkehrswegeplans."
Liste mit 144 Autonbahnprojekten - 67 davon in NRW
Es kursiert eine Liste von 144 Projekten, denen ein "überragendes öffentliches Interesse" zugrundegelegt wird. Diese Formulierung könnte zum Beispiel weniger Umweltschutzprüfungen bedeuten. Marode Brücken sollen ohne neues Planfeststellungsverfahren erneuert werden können.
Wie Dröge spricht auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nur von einer "Engpass-Beseitigung" und einer "begrenzten Liste" von Autobahnprojekten. Dabei gehe es nicht um den Neubau, sondern um Erweiterungen von Autobahnen, so Dröge. Welche letztlich wie schnell umgesetzt werden, solle regional entschieden werden: "Die Länder und die Kommunen vor Ort wissen eben am besten, was Sinn macht. Und deswegen fragen wir noch einmal: Was wollt ihr wirklich an der Stelle beschleunigen?"
Im Fokus stehen Erweiterungen und Knotenpunkt-Ausbau
Die 144 Projekte finden sich allesamt im Bundesverkehrswegeplan 2030. Diese könnten nun "superschnell umgesetzt werden", wie es aus dem Bundesverkehrsministerium heißt. 67 der Projekte - und damit fast die Hälfte - befinden sich in NRW. An vielen wird bereits gearbeitet, wie an der Großbaustelle rund um die Leverkusener Brücke oder auf der A33 bei Bielefeld/Brackwede. Andere sind noch in Vorbereitung wie die mit "hohem" Bedarf klassifizierte Engpassbeseitigung auf der A3 zwischen Königsforst und dem Dreieck Köln-Heumar.
Im Fokus stehe bei den Arbeiten die Erweiterung auf sechs, acht oder gar zehn Fahrspuren sowie der Knotenpunkt-Ausbau zum Beispiel durch sogenannte Überflieger, bei denen an Autobahnkreuzen nicht mehr wie in der bisherigen Form eines Kleeblatts eingefädelt werden muss.
NRW-Verkehrsminister Krischer begrüßt Beschleunigung
Zahlreiche der Projekte befinden sich im ohnehin schon staugeplagten Ruhrgebiet. Unter anderem sind dort die A40 zwischen Duisburg und Essen und die A42 zwischen Essen und Gelsenkirchen betroffen.
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer sieht die Ergebnisse des Koalitionsausschusses gelassen und möchte sich die Projekte erst einmal in Ruhe anschauen: "An vielen Stellen in Nordrhein-Westfalen sind Ausbaumaßnahmen und Verbesserungen von Autobahnkreuzen durchaus sinnvolle Maßnahmen, wo man im Prinzip nichts gegen einwenden kann. Wir müssen uns das halt genau angucken", sagte der Minister. "Uns geht’s ja vor allen Dingen darum, dass wir Erhalt und Sanierung vor Neubau machen, dass wir Substanzerhaltung machen. Wenn das beschleunigt wird, dann sind wir uns da sehr schnell mit dem Bund einig.“
Kritik: "Von Verkehrswende und Energiewende ist hier nichts zu sehen"
Übrigens: Bei Autobahn-Neubauten soll künftig geprüft werden, wie die Fläche daneben für Solaranlagen oder Windräder genutzt werden kann. "Es soll kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen", heißt es dazu in dem Papier der Ampel.
"Einfach Solarpanele daneben zu bauen, das ist, wie wenn man eine Ernährungsumstellung machen will, aber letztendlich nur ein Salatblatt in den Burger packt. Von einer echten Energiewende und auch Verkehrswende ist hier nichts zu sehen", kritisierte die Ökonomin und Energie-Expertin Claudia Kemfert. Diese Idee grenze laut Linken-Chefin Janine Wissler an "Realsatire".
Auch Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), spart nicht mit Kritik an den Ampel-Plänen: "Eine Planungsbeschleunigung bei bis zu 144 Projekten des Autobahnausbaus ist in Zeiten der Klimakrise ein fatales Signal. Autobahnausbau ist mit erheblicher Naturzerstörung, mehr CO2-Emissionen durch den Bau und Mehrverkehr verbunden. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesländer dieser Symbolpolitik einen Riegel vorschieben." Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hingegen sprach von einer "vernünftigen Schwerpunktsetzung".