Erster Atombunker-Test in der Bundesrepublik (am 8.6.1964)

WDR Zeitzeichen 08.06.2024 14:09 Min. Verfügbar bis 09.06.2099 WDR 5

Der erste Belegungstest eines ABC-sicheren Hochbunkers in Dortmund sorgt für viel Presserummel. Die 144 freiwilligen Teilnehmer wirken zu Beginn erstaunlich heiter.

Am 8. Juni 1964 begeben sich 144 Menschen freiwillig in den Dortmunder Sonnenbunker. Der Name täuscht. In den Betonklotz dringt kein Tageslicht. 144 Tage lang testen die Freiwilligen die Bedingungen im Schutzraum. Es gibt eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 300 D-Mark für die Übung eines nuklearen Angriffs. Nur zwei Probanden halten den Test nicht bis zum Ende durch. Die Übrigen 142 feiern zum Abschluss ein richtiges Volksfest mit Angehörigen, Schaulustigen - und Atomwaffengegnern. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Jörg Diester, Bunker-Forscher und Autor des Buchs "Geheimakte Regierungsbunker"


Der Zweite Weltkrieg ist gerade erst zu Ende, als die Menschheit in den Kalten Krieg taumelt - das Horrorszenario eines Atomkriegs kann niemand ausschließen. USA und UdSSR mit ihren jeweiligen Verbündeten drohen sich gegenseitig mit der nuklearen Vernichtung.
In Westdeutschland beginnt man Ende der 1950er-Jahre mit dem Neubau und der Restaurierung von Bunkern. Wie dem Sonnenbunker in der Dortmunder Innenstadt. Der oberirdische Schutzraum wird zum ersten ABC-sicheren Bunker Deutschlands für die Zivilbevölkerung ausgebaut, soll also Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Gefahren bieten. Am 8. Juni 1964 beginnt der erste Belegungstest.
144 Menschen werden in dem Betonklotz für 144 Stunden eingeschlossen. 144 Stunden, das sind sechs Tage und sechs Nächte, die jene Mädchen, Frauen, Jungen und Männer in diesem Bunker verbringen sollen. Rund 300 D-Mark bekommt jeder Teilnehmer, der den Versuch durchhält. Eine Belohnung, die über künstliches Licht, gefilterte Luft, Dosennahrung und die übrigen Anstrengungen des Tests hinwegtrösten soll.
Der letzte Tag des Tests entickelt sich zu einer Art Volksfest. Angehörige, Schaulustige und Atomwaffengegner versammeln sich vor dem Eingang des Sonnenbunkers. Es gibt Wiedersehens-Szenen als habe man sich Ewigkeiten nicht mehr gesehen oder als kämen die Bunkertestpersonen gerade von der ersten, höchst gefahrvollen Reise zu einem anderen Stern zurück.142 von 144 Versuchspersonen haben den Test bis zum Ende durchgestanden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • Warum Deutschland im Kalten Krieg eine besondere Rolle hat,
  • womit die Probanden sich während des Bunker-Tests die Zeit vertreiben,
  • wieviel Prozent der deutschen Bevölkerung damals Platz in einem Schutzraum gefunden hätten,
  • warum es laut Experten vielleicht nicht einmal wünschenwert sein könnte, einen Atomschlag im Bunker zu überleben.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Jörg Diester (Bunker-Forscher. Autor des Buchs "Geheimakte Regierungsbunker". Betreut "Bunker Dokumentationsstätten", Marienthal.)
  • Edmund Nilsen: Die Nacht der 144 Stunden: Belegungsversuch im Dortmunder Sonnenbunker vom 8. Juni - 14. Juni 1964, Osang Verlag 1965.
  • Jörg Diester: Geheimakte Regierungsbunker: Tagebuch eines Staatsgeheimnisses. Verlagsanstalt Handwerk; 2. Auflage 2009.

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Daniela Wakonigg
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother
Technik: Moritz Raestrup

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