Die Katastrophe und ihre Aufarbeitung
Loveparade - Chronologie der Ereignisse
Stand: 23.07.2017, 14:07 Uhr
Die Loveparade in Duisburg im Sommer 2010 endete in einer Katastrophe. 21 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt, Tausende traumatisiert. Eine Chronologie der politischen und juristischen Aufarbeitung des Ereignisses.
1. Februar 2010: Der Loveparade-Veranstalter Lopavent beantragt bei der Stadt Duisburg die Genehmigung der Veranstaltung. Beigefügt ist ein Grobkonzept. Es ist der Start eines schleppenden Genehmigungsverfahrens, in dem bereits Zweifel an dem Sicherheitskonzept aufkamen.
23. Juli 2010: Erst einen Tag vor der Veranstaltung wird die Genehmigung für die Loveparade formell erteilt mit zwei Auflagen: Die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Gelände aufhalten darf, wird auf 250.000 Menschen begrenzt. Zudem dürfen "die Fluchtwege an keiner Stelle durch Einbauten oder sonstige Hindernisse beschränkt werden".
24. Juli 2010: Die Loveparade beginnt. Lopavent spricht zunächst von rund 1,4 Millionen Besuchern. Später wird diese Zahl vom Veranstalter auf 187.000 korrigiert, die Stadt nannte eine Zahl von 105.000, die Polizei schätzte, dass 400.000 Besucher da waren.
24. Juli 2010: Am Nachmittag entsteht vor dem Eingang zum Loveparade-Gelände eine Massenpanik. Menschen werden erdrückt oder niedergetrampelt. Am Ende sind 21 Tote und mindestens 652 Verletzte die traurige Bilanz der Katastrophe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt.
27. Juli 2010: Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nennt Rücktrittsforderungen gegen ihn nachvollziehbar, bleibt aber im Amt.
31. Juli 2010: Bei einer Trauerfeier nehmen Tausende in Duisburg Abschied von den Opfern. Der damalige Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen den Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hält eine Trauerrede in der Duisburger Salvatorkirche.
14. August 2010: Sauerland gibt zu, die Öffentlichkeit über erwartete Besucherzahlen getäuscht zu haben. Er berichtet von Morddrohungen gegen ihn.
1. September 2010: Ein Gutachten für das NRW-Innenministerium sieht die Verantwortung für die Sicherheit bei der Stadtverwaltung und dem Veranstalter Lopavent. Die Stadt Duisburg weist in ihrem Bericht jede Verantwortung zurück.
13. September 2010: Sauerland übersteht einen Abwahlantrag im Stadtrat.
10. November 2010: Der Bericht über mögliche Einsatzfehler der Duisburger Polizei bleibt bis auf weiteres unter Verschluss.
18. Januar 2011: Die Staatsanwaltschaft Duisburg nimmt Ermittlungen gegen den damaligen Einsatzleiter der Polizei sowie gegen Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters Lopavent auf. Sauerland und Lopavent-Chef Rainer Schaller gehören nicht zu den Beschuldigten.
11. Juli 2011: Die Loveparade hätte so nicht genehmigt werden dürfen, heißt es in einem Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft. Sauerland entschuldigt sich bei den Betroffenen: "Als Oberbürgermeister dieser Stadt trage ich moralische Verantwortung für dieses Ereignis."
17. Oktober 2011: Die Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg" legt mehr als 79.000 Unterschriften für ein Abwahlverfahren vor. Sauerland lehnt einen Rücktritt weiter ab.
12. Februar 2012: Die Duisburger stimmen in einem Bürgerbegehren mit großer Mehrheit für die Abwahl des Oberbürgermeisters.
17. Februar 2012: Ein britischer Gutachter, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft arbeitete, kommt zu dem Schluss, dass die Katastrophe vorhersehbar war.
1. Juli 2012: Der frühere SPD-Landtagsabgeordnete Sören Link setzt sich in einer Stichwahl als neuer Duisburger Oberbürgermeister durch.
24. Juli 2012: Beim zweiten Jahrestag der Katastrophe verspricht Sören Link den Angehörigen rückhaltlose Aufklärung. Mit den Worten "Es war eine einzigartige Tragödie" richtet er sich an die Duisburger. Der ersten Tragödie sei aber eine zweite gefolgt, "die quälend lange Zeit der Sprachlosigkeit in der Stadt".
25. Februar 2013: In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft kritisieren 16 Hinterbliebene die Dauer der Ermittlungen und deren Undurchsichtigkeit. Die Staatsanwaltschaft verweist auf die Komplexität des Sachverhalts. Man arbeite mit Hochdruck an der strafrechtlichen Aufarbeitung.
Sommer 2013: Der Inhalt zweier Gutachten für die Staatsanwaltschaft wird bekannt. Darin werden schwere Planungsfehler und Versäumnisse beim Sicherheitskonzept festgestellt.
24. Juli 2013: Am dritten Jahrestag wird eine neue Gedenkstätte am Unglücksort eröffnet. Lange hatten die verschiedenen Opfergruppen und der Besitzer des Grundstücks, ein Möbelhausinvestor, um die Ausgestaltung des Geländes gerungen. Nun erinnern 21 Holzkreuze und eine Gedenktafel an die Opfer.
11. Februar 2014: Die Staatsanwalt Duisburg gibt bekannt, dass sie Anklage gegen mutmaßlich Verantwortliche der Katastrophe erhoben hat.
12. Februar 2014: Auf einer Pressekonferenz erläutern die Ermittler die Anklage. Demnach wird sechs Bediensteten der Stadt Duisburg und vier Mitarbeitern des Veranstalters Lopavent fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung zur Last gelegt. Der ehemalige Lopavent-Geschäftsführer Rainer Schaller und Duisburgs Ex-Oberbürgermeister Adolf Sauerland sollen nicht angeklagt werden. Sie wurden aber als Zeugen benannt.
8. Juli 2014: Knapp vier Jahre nach dem Duisburger Loveparade-Unglück mit 21 Toten reicht eine Bochumer Anwältin Zivilklage am Landgericht Duisburg ein. Sie will für 30 Verletzte und Traumatisierte Schmerzensgeld und Schadenersatz erstreiten.
15. Oktober 2014: Der mögliche Prozess um das Loveparade-Unglück verzögert sich schon wieder. Grund ist ein Streit um das zentrale Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still. Ein Großteil der Anklage beruht auf seiner Expertise. Und die besagt, dass an der Katastrophe ausschließlich die Planung Schuld trage und deshalb keine Polizisten beschuldigt werden können. Anwälte von Beschuldigten kritisieren das Gutachten allerdings heftig, unter anderem weil sie einen Interessenkonflikt bei einer Mitarbeiterin des Gutachters vermuten. Die war nämlich auch für das Innenministerium tätig, also dem Dienstherren der Polizei.
25. Februar 2015: Im Loveparade-Strafverfahen beschließt die zuständige Strafkammer des Landgerichts Duisburg dem Sachverständigen Keith Still im Zwischenverfahren Fragen zu seinem Gutachten zu stellen. Er wird gebeten rund 75 Einzelfragen zu 15 Themenkomplexen innerhalb von drei Monaten schriftlich zu beantworten. Bevor die Antworten nicht eingegangen sind, könne keine Zulassung der Anklage erfolgen. Somit verzögert sich das Verfahren erneut.
5. April 2016: Das Landgericht Duisburg entscheidet, keinen Prozess gegen die zehn Beschuldigten zu eröffnen und lässt die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zu. Begründung: Das Gutachten habe Mängel, der Sachverständige sei möglicherweise befangen und die Anklage habe keine Aussicht auf Erfolg. Die Duisburger Staatsanwaltschaft sowie mehrere Nebenkläger legen Beschwerde ein. Die Nichtzulassung der Anklage bezeichnete die Staatsanwaltschaft als "nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft". Das Oberlandesgericht Düsseldorf soll jetzt über Eröffnung des Verfahrens entscheiden.
23. November 2016: Zum ersten Mal seit seiner Abwahl äußert sich der ehemalige Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland öffentlich zum Loveparade-Unglück in seiner Stadt. Dem WDR-Fernsehen sagt Sauerland, dass er nach der Katastrophe in Duisburg, in seinem Bestreben, keine juristischen Fehler zu machen, "das Mitgefühl für die Angehörigen" vergessen habe. "Ich selbst wollte so eine Veranstaltung nie in Duisburg haben! Und das wussten alle, der ganze Rat. Aber das hat dann niemand mehr laut gesagt", so Sauerland.
2. Januar 2017: Der Duisburger Rat gibt grünes Licht für den Bau eines Designer-Outlets auf dem ehemaligen Loveparade-Gelände. Knapp sieben Jahre nach der Katastrophe werden die Weichen für eine neue Nutzung des Geländes gestellt - mit breiter Mehrheit von SPD und CDU. Das Vorhaben ist jedoch heftig umstritten.
24. April 2017: Das Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf entscheidet nun doch einen Strafprozess zur Duisburger Loveparade-Katastrophe zuzulassen. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hält eine Verurteilung der zehn Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung "für hinreichend wahrscheinlich". Auch das Gutachten des Sachverständigen Keith Still sei entgegen der Annahme des Landgerichts in der Hauptverhandlung verwertbar. Von einer Befangenheit des Gutachters sei nicht auszugehen.
7. Juni 2017: Das Duisburger Landgericht plant den Prozessauftakt am 6. oder 8. Dezember 2017. Die Verhandlungen sollen in Düsseldorf stattfinden. Nach der Planung der Kammer sind bis Mitte Februar 2018 23 Verhandlungstage angesetzt. Die Terminplanung für den weiteren Prozessverlauf will das Landgericht später klären. Fest steht: Das Gericht steht unter Zeitdruck. Liegt bis zum 27. Juli 2020 kein erstinstanzliches Urteil vor, verjähren die vorgeworfenen Taten.