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Krankgeschrieben: Was Arbeitnehmer dürfen - und was nicht

Stand: 03.11.2023, 17:39 Uhr

Im Moment sind wieder viele Menschen bei uns in NRW krank oder krankgeschrieben. Doch nicht immer ist klar, was Arbeitnehmer dann in der Freizeit machen dürfen - und was nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Victor Fritzen

In Österreich ist ein krankgeschriebener Mitarbeiter entlassen worden, nachdem sein Arbeitgeber Party-Fotos von ihm entdeckt hatte. Der Mann klagte dagegen - und bekam vom Obersten Gerichtshof Recht. Die Begründung: Der Mann war an Depressionen erkrankt und ihm waren von der Ärztin weder Bettruhe noch besondere Ausgehzeiten verordnet worden. Stattdessen waren ihm Spaziergänge und soziale Kontakte empfohlen worden (OGH 27.9.2023, 9 ObA 67/23b).

Wie ist das in Deutschland geregelt?

In Deutschland ist das ähnlich. Was ich tun darf und was nicht, hängt davon ab, was der baldigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit hilft - oder eben schadet. "Es kommt immer auf den Einzelfall an - und vor allem darauf, was der Arzt rät", sagt Arbeitsrechtler Michael Felser aus Brühl.

Was ist erlaubt?

Am Ende alles, was der Arzt erlaubt und was dem Gesundwerden nicht schadet. Also auch einkaufen oder zu Freunden fahren. Es gilt: Erlaubt ist alles, was eine Genesung fördert: Bei einem Burnout zum Beispiel kann es genau richtig sein, etwas zu unternehmen oder Sport zu machen.

Rechtsanwalt Michael Felser | Bildquelle: WDR

Ärger gibt es immer wieder, wenn Kollegen oder der Chef den Kranken im Supermarkt treffen oder gar beim Joggen sehen. Das ist aber erlaubt, denn arbeitsunfähig ist nicht "bettlägerig". Wenn der Arzt damit einverstanden ist, also keine Bettlägerigkeit vorliegt, könne auch ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer normalen Freizeitaktivitäten nachgehen, sagt Rechtsanwalt Michael Felser. "Er soll ja schließlich nur die Krankheit auskurieren und nicht verhungern oder verdursten."

Wenn der Arzt das erlaubt, darf ein arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter sogar an einem Marathon teilnehmen, hat das Arbeitsgericht Stuttgart am 22. März 2007 gesagt (Az. 9 Ca 475/06). In dem Fall ging es um einen Mann, der sich das linke Schulterblatt gebrochen hatte, krankgeschrieben war, aber währenddessen einen Marathon gelaufen war. Der Arzt hatte grünes Licht gegeben - und der Arbeitgeber musste die Kündigung zurücknehmen.

Was geht gar nicht?

"Krankfeiern, also simulieren, darf ich natürlich nie. Das kann eine Kündigung nach sich ziehen", betont Rechtsanwalt Felser. Verboten sind auch Aktivitäten, die Beschwerden verschlimmern können. Also nicht mit Rückenproblemen bei einem Umzug helfen oder den Garten umgraben. Grundsätzlich sollte man auch nicht für jemand anderen arbeiten.

Darf der Chef am ersten Arbeitstag ein Attest verlangen?

Ja, darf er. Und das ohne Angabe von Gründen. Die meisten Arbeitnehmer müssen aber erst ein Attest vorlegen, wenn sie länger als drei Tage krank sind. Viele glauben übrigens, dass wenn sie freitags krank fehlen, am Montag noch kein Attest vorlegen müssen, weil Samstag und Sonntag nicht zählen. "Das ist ein Irrtum: Der gelbe Schein ist am vierten Kalendertag vorzulegen und nicht erst am vierten Arbeitstag. Auch wer Samstag und Sonntag nicht arbeitet, muss Montag zum Arzt", sagt Rechtsanwalt Felser.

Kann mich mein Chef zur Arbeit zwingen, obwohl ich krank bin?

Nein. Die Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter sogar schützen und sind verpflichtet, sie insbesondere bei ansteckenden Infektionskrankheiten nach Hause zu schicken.

Darf ich krankgeschrieben in den Urlaub fahren?

Ja, das geht. Entscheidend ist aber auch hier der Einzelfall und das, was der Arzt sagt. "Wenn er Meeresluft, Sonne und Entspannung verordnet, ist das kein Problem", sagt Rechtsanwalt Felser. Am Ende gehe es auch hier darum, ob der Urlaub genesungsfördernd sei.

Verfallen die Urlaubstage, wenn ich krank bin?

Nein. Wer im Urlaub krank wird, ist damit "urlaubsunfähig" und kann die Urlaubstage für später behalten. Sie müssen sogar ins Folgejahr übertragbar bleiben, wenn nötig. Dafür muss der Arbeitnehmer allerdings genau wie sonst auch seine Krankheit unverzüglich melden und eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Aber: Man darf den Urlaub nicht eigenmächtig um die "verlorenen" Urlaubstage verlängern.

Quellen:

  • Interview mit Rechtsanwalt Michael Felser aus Brühl
  • Onlineportal der österreichischen Tageszeitung derstandard.at
  • Online-Rechtsprechungsdatenbank www.openjur.de