Das Programm ist stramm: 32 Sitzungen liegen bereits hinter den Abgeordneten, weitere 32 sollen nach der Sommerpause folgen. Denn der Untersuchungsausschuss will seine Arbeit vor allem auf Zeugenaussagen stützen: Politiker, Polizeibeamte, städtische Mitarbeiter, Frauenbeauftragte, Kriminologen, Dombesucher – mittels einer möglichst breit gefächerten Zusammenstellung an Aussagen wollen die Ausschussmitglieder sich ein Bild davon machen, welche Fehler und Faktoren zu den verheerenden Gewalttaten in der Silvesternacht in Köln führten – und wieso anschließend niemand die Verantwortung dafür übernahm. Erst Mitte Dezember 2016 werden die letzten Zeugen verhört sein, bis März 2017 soll das Ergebnis der Untersuchung vorliegen.
Entstanden ist dieser Untersuchungsausschuss, dem Mitglieder aller fünf Landtagsfraktionen angehören, auf Antrag von CDU und FDP. Klären wollen die Abgeordneten nun vor allem drei Themenbereiche:
Wie hatte sich die Kölner Polizei auf die Silvesternacht vorbereitet?
Bekannt ist mittlerweile, dass bereits im Vorfeld darüber diskutiert worden war, ob die Hohenzollernbrücke, die Eisenbahnbrücke und beliebter Fußgängerweg mit Domblick zugleich ist, von vornherein gesperrt werden müsse. Jedes Jahr an Silvester herrscht hier drangvolle Enge. Tatsächlich kam es in der Silvesternacht 2015 auf der Brücke zu einer Massenpanik, bei der sich Menschen auf die Bahngleise flüchten mussten. Der Zugverkehr wurde zeitweise unterbrochen, was dazu führte, dass sich im Inneren des Bahnhofs tausende Wartende drängten. Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte später im Landtag behauptet, die Stadt Köln habe sich im Vorfeld der Feierlichkeiten gegen eine Sperrung der Brücke ausgesprochen. Die Stadt weist diese Darstellung zurück.
Außerdem soll geklärt werden, warum das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) für Silvester nur 83 Polizisten bewilligte, obwohl das Polizeipräsidium Köln eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei – 123 Beamte – angefordert hatte. Andererseits schickte die Kölner Polizei am frühen Abend des 31. Dezember 38 Polizisten in den Feierabend, die zuvor bei einer Demonstration im Einsatz gewesen waren.
Wie genau ist der Einsatz der Beamten in der Nacht, als die Lage eskalierte, abgelaufen?
Schwieriger Einsatzort an Silvester: Bahnhofsvorplatz in Köln
Die vielen Aussagen der geladenen Polizisten vor dem Ausschuss zeichnen das Bild von einem chaotisch aus dem Ruder laufenden Einsatz, von hilflosen Beamten, die mangels ausreichender Ausstattung kaum miteinander kommunizieren konnten – und von grundsätzlich wirren Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten. Es wird offensichtlich, dass es massiv an der Kommunikation zwischen Polizei und Bahnpolizei haperte, dass an gefährlichen Eskalationsorten nur wenige Beamte einer großen Menge von gewaltbereiten, betrunkenen Randalieren gegenüberstanden.
Welche Fehler wurden bei der Nachbereitung und Kommunikation in den Tagen und Wochen danach gemacht?
Was wussten sie? Ministerpräsidentin Kraft und Innenminister Jäger
Die größte Herausforderung aber wird sein, zu klären, wie es nach der Silvesternacht zu dieser Verkettung von Fehlinformationen, Kommunikationspannen und mutmaßlichen Vertuschungsversuchen kam. So war in der offiziellen Berichterstattung sowohl der Polizei als auch der Politik unmittelbar nach der Silvesternacht zunächst nichts zu erfahren über das Chaos und die Gewalt, die den Bereich um den Kölner Dom und den Hauptbahnhof in der Nacht beherrschten. In einer Pressemitteilung der Kölner Polizei vom 1. Januar hieß es noch, die Feierlichkeiten seien "wie im Vorjahr" meistens friedlich verlaufen. Die Einsatzlage habe sich "entspannt" gestaltet – "auch, weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte" – so die Meldung im Wortlaut.
Erst nachdem die Medien öffentlich über das Ausmaß der sexuellen Übergriffe berichtet hatten, machte die Kölner Polizei an den Folgetagen gegenüber der Öffentlichkeit weitere Angaben zu den Vorgängen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will erst am 4. Januar überhaupt von den Ereignissen erfahren haben und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker betonte noch am 5. Januar gegenüber der Presse, dass es keine Hinweise auf Flüchtlinge unter den Tatverdächtigen gebe.