Es soll die Grundlage für eine neue schwarz-rote Koalition sein: Im alten Bundestag geht es seit Donnerstag um ein von Union und SPD eingebrachtes Schuldenpaket für Verteidigung und Infrastruktur. Doch noch ist unsicher, ob der Gesetzesvorschlag die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht.
Eine solche Mehrheit ist notwendig, um das Grundgesetz zu ändern - und um die Schuldenbremse für Verteidigung zu lockern und ein 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur einzurichten. Gebraucht würden dafür die Stimmen der Grünen oder der FDP. Doch beide Parteien sind bisher nicht zur Zustimmung bereit. Es sind verschiedene Szenarien denkbar, wie es weitergehen könnte. Das sind die Möglichkeiten.
Möglichkeit 1: Einigung mit ein paar Änderungen
Die CDU zeigt sich über eine Einigung mit den Grünen weiterhin optimistisch. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". "Ich glaube, dass sich alle Beteiligten auch bewusst sind, dass es hier wirklich um viel geht."
Die Grünen-Spitze sendet dagegen ganz andere Signale. "Diesen Optimismus kann ich in der Form nicht ganz bestätigen", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge ebenfalls im ARD-"Morgenmagazin". Den Gesetzentwurf von Union und SPD wolle man nach derzeitigem Stand ablehnen. Die Grünen - genau wie die FDP - haben ein eigenes Angebot vorgelegt.
Denkbar ist trotzdem, dass es eine Einigung auf ein Gesamtpaket gibt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus sagte am Donnerstag im WDR5-"Morgenecho", es liefen noch Verhandlungen mit den Grünen, man sei gefordert, eine Lösung hinzubekommen.
Möglichkeit 2: Einigung nur bei Verteidigung
Die Grünen argumentieren bisher, dass mit dem Finanzpaket teure Wahlgeschenke wie die Mütterrente und eine höhere Pendlerpauschale finanziert werden, das Land aber kaum vorankomme. Die Milliarden für die Infrastruktur wollen die Grünen anders organisieren. Es gehe darum zu verhindern, dass Infrastrukturausgaben kaum noch aus dem normalen Haushalt, sondern aus dem Sondertopf finanziert werde.
Eine Ausnahme der Schuldenbremse für die Verteidigung hingegen würden die Grünen mit einigen Änderungen wohl mitmachen. Ein Vorschlag ist, dass das Paket aufgeteilt wird: Die Schuldenbremsen-Ausnahme könnte der alte Bundestag mit Stimmen von Union, SPD und Grünen beschließen. Doch für einen solchen Kompromiss ist die SPD wohl kaum zu haben.
Denn in dieser Variante wären die Milliarden für die Infrastruktur nicht garantiert: Im neuen Bundestag müsste der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) nicht nur mit SPD und Grünen, sondern auch mit den Linken ein Kompromiss finden. Nur so hätte er die nötige Mehrheit.
Möglichkeit 3: Einigung scheitert komplett
Wenn es in keinem Punkt zu einer Einigung über das schwarz-rote Vorhaben kommt, wird es mit einer möglichen Kanzlerschaft für Friedrich Merz deutlich schwieriger. Union und SPD hätten dann zumindest die Grundlage ihrer bisherigen Einigungen verloren.
Ohne das zusätzliche Geld werden viele Vorhaben nicht finanzierbar sein - oder es wären heftige Kürzungen in anderen Bereichen im Haushalt nötig. Ob die SPD unter diesen Voraussetzungen noch bereit wäre, mit der Union zu regieren, ist ungewiss.
Zumindest müsste wohl vieles noch einmal auf den Tisch und ganz neu besprochen werden. Eine Alternative zu einer schwarz-roten Koalition gibt es nach der Bundestagswahl allerdings auch nicht, wenn Kooperationen mit der AfD und Minderheitsregierungen weiter ausgeschlossen bleiben.
Möglichkeit 4: Einigung scheitert im Bundestag
Theoretisch ist auch die Variante möglich, dass die Parteien sich zwar auf einen Kompromiss einigen, aber der Vorschlag bei der Abstimmung im alten Bundestag scheitert. Gemeinsam haben Union, SPD und Grüne 31 Stimmen mehr, als sie für eine Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen.
Diese Polster dürfte ausreichen, um Krankheitsfälle bei den Abgeordneten ausgleichen zu können. Die Chance, dass die Fraktionen ansonsten geschlossen abstimmen, dürfte relativ hoch sein. Vor allem dann, wenn die Abstimmung namentlich stattfindet.
Möglichkeit 5: Bundesverfassungsgericht kippt Einigung
In Karlsruhe sind bereits mehrere Anträge von Abgeordneten der AfD und der Linken eingereicht worden, die mit unterschiedlichen rechtlichen Begründungen darauf zielen, die Verabschiedung des Pakets zu stoppen. Auch eine BSW-Abgeordnete klagt mittlerweile mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht.
Eine Entscheidung der Verfassungsrichter steht noch aus. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warnte am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin" davor, mehrere Änderungen am Grundgesetz im Eilverfahren zu beschließen, während der neue Bundestag bereits gewählt sei. "Wir gehen hier erhebliche Risiken ein mit diesem Weg", sagte Dröge.
Einige Juristen sehen jedoch keine Bedenken. "In der Sache verfügt der Bundestag bis zu seiner letzten Sitzung über alle ihm zustehenden Kompetenzen einschließlich der Kompetenz, verfassungsändernde Gesetze zu beschließen", schrieb der Verfassungsrechtler Hanno Kube in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme. Dem schloss sich Rechtsprofessorin Sina Fontana an.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Die Zeit drängt: In einer zweiten Sondersitzung in der kommenden Woche soll über das Vorhaben abgestimmt werden. Nur so könnte es noch rechtzeitig am 21. März in den Bundesrat gelangen.
Mit dem neu gewählten Bundestag, der sich am 25. März konstituieren soll, würde die Union mit der SPD nicht die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten im Bundestag zusammenbekommen. Selbst dann nicht, wenn die Grünen mitstimmen. Das geht nur mit dem alten Bundestag.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagenturen DPA und Reuters
- tagesschau.de