Wo sehen Sie die thematischen Schwerpunkte in den letzten zweieinhalb Jahren im Programmausschuss?
Ein großes Thema für die Gremien war in den letzten Jahren natürlich der Reformprozess der ARD – damit hat sich auch der Programmausschuss intensiv beschäftigt und wird dies auch weiterhin tun. Im Rahmen des Reformprozesses waren die Gremien durch den Medienstaatsvertrag aufgefordert, eine Qualitätsrichtlinie für die Angebote, die von den Landesrundfunkanstalten der ARD gemeinsam verbreitet werden, zu entwickeln. Die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD (ARD-GVK) – hier arbeiten die Vorsitzenden aller Rundfunk- und Verwaltungsräte zusammen – hat den Prozess koordiniert und die Gremien haben die Standards zusammen entwickelt. Der Programmausschuss hat sich an diesem Prozess wesentlich beteiligt. Die inzwischen von den Gremien verabschiedete Richtlinie enthält spezifische Qualitätsstandards für die verschiedenen Angebote der ARD. Diese Regeln unterstützen uns dabei, die Angebote noch strukturierter und vor allem einheitlich in allen Gremien zu prüfen und zu bewerten. Zum Beispiel können wir mit den Standards abprüfen, ob ein Angebot die eigenständige Meinungsbildung fördert oder eine Vielfalt von Themen, Meinungen, Akteuren oder Orten abbildet.
Intensiv beschäftigt hat uns auch der Blick in die Zukunft und auf die Zielgruppen, die der WDR aktuell noch nicht ausreichend erreicht. So hat sich der Programmausschuss mit neuen Ausspielwegen, wie der Streaming-Plattform Twitch, dem Community Management auf den Social Media-Kanälen des WDR und nicht zuletzt mit den Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz für das Programm auseinandergesetzt. Letzteres ist ein Thema, das aktuell vermutlich die meisten Unternehmen stark beschäftigt und aus dem öffentlichen Diskurs nicht mehr wegzudenken ist und auch wir werden diesen Diskurs fortführen und die weiteren Entwicklungen intensiv begleiten.
Können Sie uns die Arbeitsweise des Programmausschusses aus Ihrer Sicht skizzieren?
Der Programmausschuss ist einer der drei Fachausschüsse des WDR-Rundfunkrats und tagt nahezu monatlich. Zu den Kernaufgaben des 22-köpfigen Ausschusses gehört die kritische Begleitung des WDR-Gesamtprogramms. Er berät über geplante Programmänderungen, Prozesse und Reformen, die das Programm betreffen und gibt Beschlussempfehlungen an den Rundfunkrat. So haben wir zum Beispiel die Veränderungen im Programm von WDR 3 und WDR 5 beraten und dem Rundfunkrat die Zustimmung empfohlen. Zukünftig werden sich WDR 3 und 5 stärker auf die Sendezeiten am Tag konzentrieren, weil dann die meisten Menschen zuhören.
Eine wichtige Aufgabe des Gremiums ist auch die Beratung förmlicher Programmbeschwerde. Das förmliche Programmbeschwerdeverfahren, das im WDR-Gesetz verankert ist, ermöglicht es Zuschauerinnen und Zuschauern, sich mit einer Beschwerde an den WDR zu wenden, wenn programmliche Grundsätze von diesen als verletzt angesehen werden. Diese Beschwerden werden zuerst vom Intendanten selbst beantwortet. Wenn der Beschwerdeführende mit dieser Antwort nicht zufrieden ist, kann er bzw. sie sich an den Rundfunkrat wenden. Der Programmausschuss prüft die Programmbeschwerden inhaltlich und gibt eine Empfehlung an den Rundfunkrat, der der Beschwerde dann final zustimmen oder sie ablehnen kann. Dem Ausschuss kommt hiermit eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe zu, da der Umgang mit Programmkritik zur Akzeptanz und Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beiträgt. Wir bemühen uns daher bei jeder Programmbeschwerde um eine eingehende Betrachtung und eine individuelle Beantwortung.
Wie sieht eine Programmbeobachtung im Ausschuss aus?
Der Ausschuss führt regelmäßig Programmbeobachtungen zu bestimmten Sendungen und Themen durch. In den letzten Jahren haben wir uns unter anderem die Kinderprogramme, die Talksendungen, die Berichterstattung zur Räumung des Ortes Lützerath, die Wirtschaftsberichterstattung sowie die Berichterstattung im Zuge der UEFA Euro 2024 angeschaut. Bei jeder Programmbeobachtung findet sich eine kleine Gruppe aus dem Programmausschuss zusammen und bestimmt, welche Inhalte sie betrachten wird. Die Inhalte prüft die Gruppe im Anschluss anhand verschiedener Kriterien auf ihre Qualität – hierzu haben wir bei der Programmbeobachtung zur EM 2024 erstmals die Qualitätsrichtlinie der ARD genutzt und die Inhalte anhand der dort definierten Standards bewertet. In der Regel findet außerdem ein Redaktionsgespräch mit den Programmverantwortlichen statt, um die Beobachtungen zu besprechen und Anregungen mitzugeben. Ihre Ergebnisse stellt die Gruppe in einem Bericht zusammen, der anschließend im Programmausschuss sowie im Rundfunkrat diskutiert wird. Diese systematische Programmbeobachtung der WDR-Angebote ist uns sehr wichtig und wir nehmen uns, auch außerhalb der regulären Ausschusssitzungen, zusätzlich viel Zeit hierfür. Um ein breites Themenspektrum abzudecken und gleichzeitig eine regelmäßige Betrachtung bestimmter Themen zu gewährleisten, plant der Programmausschuss jeweils im Dezember die Programmbeobachtungen für das kommende Jahr.
Mit Blick in die Zukunft: Was wird Ihrer Meinung nach in der zweiten Hälfte der Amtszeit die Arbeit des Programmausschusses prägen?
In der kommenden Zeit wird unter anderem die Erstellung einer Qualitätsrichtlinie für die WDR-Angebote ein Fokus des Programmausschusses sein. Anders als bei der ARD-Qualitätsrichtlinie wird diese die spezifischen Anforderungen des WDR-Programms beinhalten – das sind vor allem die Radio-Wellen und der wichtige Faktor Regionalität. Die Richtlinie soll bis zum Ende des Jahres 2024 fertig sein.
Das Thema künstliche Intelligenz und ihre Nutzung für das Programm wird uns, wie bereits erwähnt, weiterhin sehr stark beschäftigen. Der Programmausschuss wird regelmäßig den Stand der Anwendungen von KI im WDR betrachten und sich über aktuelle Projekte – in der gesamten ARD und darüber hinaus – informieren.
Grundsätzlich wird der Ausschuss die ARD-Reform und ihre Maßnahmen mit dem Blick auf das Programm intensiv begleiten. Die weitere Umsetzung von Kompetenzcentern und sogenannten Poollösungen – also einer verstärkten Zusammenarbeit der ARD-Landesrundfunkanstalten im Programm – ist noch mitten in der Umsetzung. Hier wird es viele Aspekte geben, die einer Beratung im Programmausschuss bedürfen. Die Ausrichtung des Programms für Zielgruppen, die der WDR noch nicht ausreichend erreicht, wird ein weiters wichtiges Thema sein. Hier besteht unsere Aufgabe darin, alle Plattformen gleichermaßen in den Blick zu nehmen, auf denen der WDR seine Angebote verbreitet, und die plattformgerechte Erstellung dieser Angebote zu überprüfen. Das sind alles wichtige Aufgaben, die wir für die Zukunft klar in den Blick nehmen, und wir freuen uns als Ausschuss darauf, gremienseits aktiv daran mitwirken zu können.