Historische Aufnahme des WDR Sinfonieorchesters

1. September 1947 - Der NWDR gründet die Kölner Klangkörper

Vor 75 Jahren werden das "Kölner Rundfunkorchester" und der Rundfunkchor gegründet. Die Ensembles sollen im kriegszerstörten Köln Musik für den "NWDR" produzieren. Es ist der Anfang einer musikalischen Erfolgsgeschichte.

Der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg hinterlässt großes Leid. Die Städte an Rhein, Ruhr und Weser sind zerbombt, die Menschen frieren und haben Hunger. Gleichzeitig sehnen sie sich aber auch nach Musik, Unterhaltung und Fröhlichkeit. Der Nordwestdeutsche Rundfunk versucht diese Sehnsucht zu stillen, doch es fehlt schlicht an Tonträgern. So ist den NWDR-Verantwortlichen schnell klar: Es müssen Musiker her.

Diese zu finden ist zur damaligen Zeit keine leichte Aufgabe. Dem nationalsozialistischen Kriegs- und Vernichtungswahn waren etliche (auch sehr viele jüdische) Musiker zum Opfer gefallen. Bei anderen greift nach dem Krieg die Entnazifizierung. Einige arbeiten lieber in amerikanischen oder britischen Clubs für ordentliches Geld oder Zigaretten - und schließlich ist es auch musikalisch schwer in den Nachkriegsjahren gute Musiker zu finden. "Der Krieg hatte uns zum Lernen keine Chance gegeben. Viele von uns hatten noch nie eine Beethovensinfonie oder Bruckner gespielt. Ganz zu schweigen von der im Dritten Reich verbotenen Literatur", erinnert sich Cellist Heinz Hanel.

26 Musiker machen den Anfang

Doch am 1. September 1947 ist es so weit: Der Sender stellt 26 Musiker fest an. Es ist die Geburtsstunde der Kölner Klangkörper und der Anfang einer Erfolgsgeschichte mit vielen Klassikpreisen, weltberühmten Dirigenten und bedeutenden Auftragskompositionen.

Der NWDR gründet die Kölner Klangkörper (am 01.09.1947)

WDR Zeitzeichen 01.09.2022 14:50 Min. Verfügbar bis 01.09.2099 WDR 5


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Zunächst ist für die Mitarbeiter von Rundfunkorchester und -chor jedoch mehr Improvisationstalent als musikalisches Können gefragt. Es fehlt an Proberäumen und Aufnahmestudios. Die Lage entspannt sich mit dem Bau des Großen Sendesaals im neuen Funkhaus am Wallrafplatz. Damit die Glocken des Kölner Doms weder Konzert- noch Sendebetrieb stören, hat er 50 Zentimeter dicke Wände, keine Fenster und besondere Platten zur Schallisolierung.

Zur Eröffnung 1951 schwingt der berühmte Igor Strawinsky den Taktstock. Es ist nur einer von vielen großen Namen: 15 Jahre lang spielt das Rundfunk-Sinfonie-Orchester ohne festen Chefdirigenten und bleibt dadurch musikalisch vielfältig und ungebunden.

Jedes Ensemble mit eigener Ausrichtung

Der NWDR ist inzwischen Geschichte, doch die Klangkörper leben weiter. Heute zählen dazu das WDR Sinfonieorchester, das WDR Funkhausorchester, die WDR Big Band und der WDR Rundfunkchor.

Jedes Ensemble hat sich seine ganz eigene Sparte gesucht, wie der heutige Manager des WDR Sinfonieorchesters, Sebastian König, erklärt: "Wir haben den Schwerpunkt auf die etwas ernstere Klassik gelegt, auf die zeitgenössische Musik. Die Kollegen vom Funkhausorchester haben sich entschieden, etwas flexibler zu arbeiten." Ihr Repertoire reicht von Musical und Operette über Filmmusik und Nischen der klassischen Musik bis hin zu sinfonischem Jazz. Sogar Computerspielmusik hat sich fest im Programm des Funkhausorchesters verankert.

Die Rundfunklandschaft hat sich in den letzten 75 Jahren grundlegend verändert und tut es mit Riesenschritten weiter. König sieht das entspannt: "So lange wir die Menschen mitreißen können, mache ich mir keine Sorgen um unsere Zukunft."

Autorin des Hörfunkbeitrags: Claudia Belemann
Redaktion: Gesa Rünker​

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